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CASÜISTISCH- STATISTISCHE BEITRÄGE

ZUE

PATHOLOGIE UND CHIRURGIE

DER

GALLENWEGE.

Von

Dr. L. G. OOUR^ISIEX,

PßOFESSOE

LEIPZIG, VERLAG VON F.C.W.VOGEL.

1890.

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Das Uebersetziingsrecht ist vorbehalten.

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INHALTSVERZEICHNIS.

Seite

Einleitung IX

I. Theil: Casuistisch- statistische Beiträge zur Patliologie der Grallen-

wege 1

I. CAPiTEii: Concremente in der Gallenblase 3

Concremente in der Gallenblasenwand 3

Solitäre Concremente 5

Zwillings- und Drillingssteine 6

Multiple Steine, Sand, Gries 7

Symptome: fühlbare Steine 9

Veränderungen der Gallenblase: AtropMe 10

Hypertrophie. Verkalkung 11

Abschnürungen. Divertikel 12

Pericholecystitis -15

II. Capitel: Concremente und Obstructionen des Cysticus 16

Herkunft der Gysticussteine 17

Grösse, Zahl, Verhältnis zum Cysticus 18

Folgen der Gysticussteine. Atrophie der Gallenblase 19

Ectasie, Hydrops der Gallenblase 20

Weitere Obstructionen des Cysticus 24

Symptome der Cysticusobstruction 27

Chirurgische Therapie derselben 31

III. Capitel: Concremente mid Obstructionen des Hepaticusgehiets . . 33

Concremente der Lebersubstanz 33

Concremente der Leberkapsel 34

Concremente der Lebergänge 35

Verzweigte, hohle Concremente 37

Entstehung der Lebergangsteine bei Choledochusobstruction ... 39

Symptome der Lebergangsteine 40

Weitere Obstructionen des Hepaticus 41

IV. Capitel : Concremente und Obstructionen des Choledochus .... 43

Grösse, Zahl der Concremente 44

Sitz der Concremente 46

Herkunft der Concremente 47

Oertliche Folgen der Concremente 48

Fernwirkungen der Concremente 49

IV Inhaltsverzeicliuis.

Seite

Neubildungen des Choledochus 49

Fremdkörper des Choledochus 52

Obliteration des Choledochus 53

Compression des Choledochus 53

Folgen der Choledochus-Obstruction 55

Dilatation der Gänge 56

Ectasie der Gallenblase 57

Atrophie der Gallenblase 58

Hydrops der Gallengänge 59

Leberabscesse 60

Symptome der Choledochus-Obstruction 61

Icterus 61

Koliken 62

Abgang von Steinen 63

Fie\Te hepatique 63

Diagnose der Choledochus-Obstruction 64

Verlauf und Ausgänge 66

Hämorrhagische Diatheso . 67

Chirurgische Therapie der Choledochus-Obstruction 68

V. Capitel: Eilrige Entzündungen der Gallenwege 69

Suppurativa Cholecystitis 70

Phlegmonöse Cholecystitis 70

Empyem der Gallenblase 71

Symptome eitriger Cholecystitis 73

Ausgänge eitriger Cholecystitis 75

Chirurgische Therapie eitriger Cholecystitis 76

Calculöse Cholangitis 78

Leberabscesse 80

Nicht calculöse Cholangitis 81

Symptome eitriger Cholangitis 82

Tl. Capitel: JJlcerative Perforationen der Gallenivege 83

A. Fisteln zwischen Gallenwegen selber 85

B. Fisteln zwischen Gallenwegen und Pfortader .... 85

C. Perforationen in die Bauchhöhle 86

Perforationen der Gallengänge 87

Perforationen der Gallenblase 89

Perforationen in circumscripte intraperitoneale Abscesse ... 92

Retroperitoneale Perforationen 94

D. Fisteln zwischen Gallen- und Verdauungswegen . . 95

Fisteln zwischen Gallenwegen und Magen 95

Erbrechen von Gallensteinen 96

Fisteln zwischen Gallenwegen und Duodenum 97

Fisteln zwischen Gallenwegen und Jejunum, Ileum 99

Fisteln zwischen Gallenwegen und Colon 99

Obstruction des Darms durch Gallensteine 101

Durchgang grosser Steine durch Choledochus 102

Symptome und Diagnose der Gallenwege-Darmfisteln .... 104

Chirurgische Therapie der Gallenwege-Darmfisteln 105

Inhaltsverzeichnis. V

Seite

E. Fisteln zwischen Gallen- und Harnwegen ..... 106

Gallensteine im offenen ürachus 108

Diagnose, Therapie dieser Fisteln 110

F. Fisteln zwischen Gallenwegen und weiblichen Geni-

talien .110

G. Fisteln zwischen Gallenwegen und Pleura, Lungen 111

Symptome dieser Fisteln 114

Chirurgische Therapie derselben 114

H. Bauchdeckenfisteln der Gallenwege, Allgemeines 115

Entstehung: Gallensteine. Infectionskrankheiten 115

Trauma 116

Anatomische Verhältnisse dieser Fisteln 117

Austritt von Steinen aus diesen Fisteln . . , 120

Ausgänge dieser Fisteln 121

Permanente Gallenfisteln ....121

Tödtlicher Ausgang dieser Fisteln 122

Symptome dieser Fisteln 123

Chirurgische Therapie dieser Fisteln 124

VII. Capitel: Neubildungen der Gallenblase; gutartige 125

Krebse. Allgemeines. Anatomisches 126

Entstehung: Gallensteine als Ursache 128

Ausgangspunkte 130

Uebergreifen auf Nachbarorgane. Metastasen 131

Symptomatologie 133

Chirurgische Therapie 135

VIII. Capitel: Congenitaler Mangel der Gallenblase bei Tliieren .... 136

Angeblicher Ersatz für diesen Mangel 138

Congenitaler Mangel beim Menschen 139

Aechter Defect. Agenesie 140

Acquirirter Defect. Atrophie 142

Ersatz fehlender Gallenblase beim Menschen 143

Experimenteller Defect bei Thieren 144

Schlussfolgerungen 148

IX. Capitel: Weitere Misbildungen der Gallenwege 148

Doppelte, abnorm gelagerte Gallenblase 149

Gallenblasen-Gekröse 149

Agenesie der grossen Gallengänge 150

Abnorme Insertion der Gallengänge 151

X. Capitel: Verletzungen der Gallenwege. Allgemeines 152

A. Subcutane Verletzungen. Entstehung 154

Formen derselben 155

Symptome 156

Icterus. Fieber 157

Gallenerguss 158

Verlauf und Ausgänge 159

Unschädlichkeit reiner Galle im Bauch 161

B. Penetrirende Verletzungen. Schüsse 163

VI Inhaltsverzeichnis.

Seite

Ausgänge 164

Experimentelle Gallenextravasate im Bauch 165

Gallenextravasate bei Operirten 166

Chirurgische, Therapie der Verletzungen der Gallenwege . . 168

II. Theil: Casuistisch- statistische Beitrüg-e zur Chirurgie der Gallen-

■\vege. Einleitung 171

I. Capitel: Operationen an Fisteln der Gallenblase 175

Steinextractionen 175

Unblutige Dilatationen 176

Blutige Dilatationen 177

Künstliche Verschliessung 178

Laparotomien bei Fisteln 179

II. Capitel: Operationen an der verwachsenen Gallenhlase 179

Eröffnung durch Caustica 180

Functionen 181

Incisionen 182

Grössere Operationen 184

III. Capitel: Laparotomische Operationen 185

A. an der Gallenblase. Functionen 187

Cholecysto stomie. Allgemeines 189

Zweizeitige Cholecystostomie 190

Tabelle von 32 Fällen 190

Erster Act der Operation 198

Zweiter Act der Operation 199

Resultate 200

Modification Land er er 200

Einzeitige Cholecystostomie. Allgemeines .... 201

Natürliche Cholecystostomie 202

Tabelle von 104 Fällen 202

Verhältnisse der Fatienten 216

Technik 217

Resultate L. Tait's .220

Resultate im Allgemeinen 222

Lumbare Modification 217. 223

Modification Zielewicz 224

Einzeitige Cholecystostomie mit primärer Ein- nähung der Gallenblase 224

Tabelle von 14 Fällen 225

Verhältnisse der Fatienten 228

Technik 229

Resultate 230

Cholecystotomie mit Einnähung der vernähten

Gallenblase in die Bauchwunde 231

Ideale Cholecystotomie. Cholecysteudyse . . . 232

Tabelle von IS Fällen 234

Verhältnisse der Fatienten 240

Technik 240

Resultate 241

Inhaltsverzeichnis. YII

Seite

Modificationen Loreta; Wölfler-Senger 245

Cholecysto- Enter 0 stomie 246

Experimente an Thieren 247

Tabelle von 7 Fällen 248

Verhältnisse der Patienten. Kesultate 252

Modification Bardenheuer 254

Cholecystectomie. Allgemeines 255

Tabelle von 47 Fällen 256

Verhältnisse der Patienten 267

Technik 269

Resultate 272

B. Operationen an den C-i-allengängen. Sondirung .... 274

Entfernung von Concrementen 275

Extraction von Concrementen aus dem Cysticus 276

Lithot hripsie am Cysticus 277

Extraction von Concrementen aus dem Choledochus .... 278

Lithothripsie am Choledochus 278

Choledocho-Lithftctomie . 279

Excision von Concrementen aus dem Hepaticus 282

Excision von Concrementen aus der Leber 283

Einzeitige Choledochost omie 284

Choledocho-Enterostomie 285

IV. Capitel : Operationen bei internen ulcerativen Perforationen der Gallen- wege. — Bei Perforationen in den Bauch 2S5

Operationen bei Gallenblasen-Darmfisteln 287

Operationen bei Gallenstein-Ileus 288

Operationen bei Gallenwege-Harnwegefisteln 289

Operationen bei Pleurafisteln 290

V. Capitel: Prohatorische und unvollendete Operatio7ien 290

VI. Capitel: Kritik der verschiedeneyi Operationen 292

Cholecystostomie. Gallenfisteln 293

Geringe Gefährlichkeit 298

Vergleichende Tabelle der Resultate verschiedener Operationen . . 298

Erhaltung der Gallenblase 299

Recidive der Cholelithiasis 300

Schlussfolgerungen. Indicationen 303

Cholecystotomie mit Einnähung der vernähten Gallen-

blaseindieBauchwunde 306

Cholecystendyse. Gefahren 307

Vorzüge 308

Schlussfolgerungen. Indicationen 309

Cholecysto-Enterostomie 311

Indicationen 312

Schlussfolgerungen 312

Cholecystectomie 313

Einwendungen 313

Gefahren. Schwierigkeiten 314

Vorzüge 317

Yin Inhaltsverzeichnis.

Seite

Schlussfolgerungen. Indicationen 318

Choledocho-Lithothripsie 318

Choledocho-Lithectomie 319

Berechtigung und Indicationen der chirurgischen Therapie der Gallen- wege überhaupt . . . 320

Schlussfolgerungen 321

VII. Capitel : Technik der Operationen an den Gallenwegen 322

Untersuchung. Vorbereitung 323

Bauchdeckenschnitt 324

Leberrandschnitt 325

Cholecystectomie 326

Abschälung der Gallenblase ', 327

Ligatur des Cysticus 328

Cholecystendyse . 329

Anlegung der Naht 330

Natürliche Gholecystostomie 331

Operationen am Choledochus 332

Lithothripsie 332

Lithectomie mit Naht 333

Cholecysto-Enterostomie 334

Allgemeines Literaturverzeichnis 337

Casuistisches Verzeichnis 344

EINLEITUNG.

Illud ante onmia scire convenit, quod

omnes j\Iediciuae partes ita connexae

sunt, ut ex toto separari non possint.

A. Com. Celsus.

(Vorrede zu Lib. V de Medicina.)

Unter den vielen und vielversprechenden Trieben, welche dem lebenskräftigen Stamme der practischen Heilkunde entsprossen sind, ist einer der jüngsten derjenige, welchen wir die „Chirurgie der Gallenwege" nennen. Kaum ein Jahrzehnt ist verflossen, seitdem sich die ersten Anfänge einer operativen Behandlung der Erkrankungen dieser Organe bemerkbar gemacht haben. Und heut bereits blicken wir auf eine stattliche Zahl derartiger Eingriffe zurück und ver- zeichnen beachtenswerthe Erfolge derselben. Erprobte Meister haben hier die Führung übernommen, und zahlreiche Jünger sind ihnen in wetteifernder Thätigkeit gefolgt. Unter diesen ist es auch mir schon ziemlich früh vergönnt gewesen, an der gemeinsamen Arbeit mich zu betheiligen und im Lauf der Zeit eine nicht unbeträchtliche Reihe glücklicher Operationen auszuführen. Es sei mir gestattet, dieselben hier aufzuzählen ! An 14 Patienten und in 16 Sitzungen habe ich bis

jetzt folgende 20 verschiedenen Einzeleingr

Einzeitige Cholecystostomien Ideale Cholecystotomien . Choiecysto - Enterostomie . Cholecystectomien . Choledocho - Litliothripsien Choledocho-Lithectomien . Probelaparotomien (Carcinom)

iffe ausgeführt:*)

3 3 1 5 3 3 2

20

[Keine der 16 Operationen hat einen tödtlichen Ausgang ge- nommen! — Die typischen Choledocho-Lithectomien sind meines Wis- sens vorher überhaupt nie gemacht worden; meine erste ideale Chole-

*) Anmerkung: Während des Drucks dieser Arbeit sind noch eine Cystec- tomie, eine ideale Cystotomie und eine Cystostomie hinzugekommen; eine Patientin ist geheilt, die 2 andern in voller Heilung.

X Einleitung.

cystotomie und meine erste Choledocho-Lithothripsie sind zugleich die ersten glücklicli überstandenen Operationen dieser Art; meine erste Cholecystectomie ist die erste derartige Operation, welche nächst ihrem Erfinder Langenbuch von Jemand ist ausgeführt worden.]

Aber nicht die Lust auf Grund eigener Beobachtungen hier öffentlich mitzureden, sondern wesentlich ein andres Motiv treibt mich, über diese Sache zu schreiben. Es ist meine innerste Ueber- zeugung, dass auf diesem Gebiet noch viel Erfahrungen gesammelt werden müssen. Lässt sich doch nachweisen, dass bis zur Stunde unter den Fachgenossen über die einfachsten Principien einer Gallen- blasen-Chirurgie noch keine Einigung erzielt ist; dass einzelne Ope- rationen von einzelnen Chirurgen fast ausschliesslich cultivirt und von andern eben so exclusiv verworfen werden ; dass in dieser Hin- sicht sogar ausgesprochen nationale Schranken bestehen, welche selten übersprungen werden ; dass über viele hier wichtige Punkte bisher häufig nur nach persönlichen Eindrücken und mit wenig Be- rücksichtigung der Literatur geurtheilt worden ist. Unter solchen Umständen muss ich die Ansicht vertreten, dass uns hier casuistisches Material noch sehr noth thue.

Von diesem Gefühl durchdrungen habe ich, was mir von ein- schlägigen Operationsfällen zugänglich war, seit Jahren sorgfältig gesammelt, tabellarisch geordnet und in letzter Zeit nach verschie- denen Seiten statistisch verwerthet. Diese Sammlung, deren Summe, wenn man bloss die eigentlichen Laparotomien berücksichtigt, die Zahl von circa 250 erreicht, macht freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, um so weniger, als während der Ausarbeitung immer noch einzelne Fälle veröffentlicht worden sind, welche ohne Störung nicht mehr eingereiht werden konnten.

Dieser Mangel klebt ja allen derartigen Zusammenstellungen an ! Trotzdem dürften die gewonnenen Ergebnisse einige Beachtung und die aus denselben gezogenen Schlüsse mehr Zutrauen verdienen, als manche Folgerungen, welche bisher auf Grund von viel kleineren Zahlen gegolten haben!

Bei diesem Anlass gewährt es mir eine gewisse patriotische Befriedigung zu constatiren, dass die Schweiz an den Bestrebungen zur Förderung der Gallenblasen -Chirurgie in verhältnismässig be- deutendem Grade theilgenommen hat. Die Collegen Kappeier, Kocher, Krönlein und So ein haben in den letzten Jahren 14 verschiedene, meist laparotomische Operationen veröffentlicht; 13 weitere sind mir theils von den gleichen Herren, theils von den Collegen Fritzsche in Glarus, Kaufmann in Zürich, Kunz in

Einleitung. XI

Liestal, P. Nie h ans in Bern in Originalkrankengescliichten zur Verfügung gestellt worden, wofür ich hier meinen wärmsten Dank ausspreche.

Die 27 Operationen sind folgende:

3 zweizeitige Cholecystostomien . . . (Fritzsche, Kocher, Socin)

2 einzeitige Cholecystostomien . . . (Niehans)

1 Cholecystotomie mit Anheftung der vernähten Gallenblase an die Bauch- wand (Kunz- Socin)

2 ideale Cholecystotomien .... (Krönlein)

3 Cholecysto-Enterostomien .... (Fritzsche, Kappeier, Socin) 10 Cholecystectomien (4 Kocher, je 2 Kappeier,

Krönlein , Socin) 1 Choledochö - Lithothripsie .... (Kocher) 1 Probelaparotomie (Carcinom) . . . (Socin) 3 Eröffnungen circumscripter Bauch-

Gallenabscesse (Kocher)

1 Hepatotomie bei Gallensteinfistel . . (Kaufmann).

So sind denn bis jetzt mit meinen eigenen 16 nicht weniger als 43, und darunter 39 laparotomische Operationen am Gallensystem in der Schweiz zur Ausführung gelangt. Die letzteren bilden also ungefähr ein Sechstel aller von mir gesammelten Laparotomien!

Mit der Vereinigung möglichst zahlreicher Operationsfälle habe ich aber nur einen Theil der Aufgabe zu erfüllen getrachtet, welche ich mir selbst gesetzt hatte. Als eben so ernste Pflicht hat mir ge- golten: die gleichzeitige Sammlung einer recht grossen Fülle von Beobachtungen , welche sich auf die verschiedensten chirurgisch viel- leicht angreifbaren Affectionen der Gallenwege bezogen. Nicht nur bei meinen Erstlingsoperationen, sondern öfters auch bei den späteren, waren mir ungewohnte Verhältnisse entgegengetreten und Ueberraschungen zu Theil geworden, in die ich mich erst finden musste. Das lag gewiss nicht zum Wenigsten an meiner ungenügenden Uebung und Erfahrung. Aber dafür hatte ich gehofft Ersatz zu er- halten nicht nur in bestmöglicher geistiger Aneignung dessen , was Andre mit der operativen Behandlung auf diesem Gebiet erzielt hatten, sondern auch in gewissenhaftem Studium mehrerer bekannter hervorragender Werke über die Pathologie dieser Organe. Die letztere Hoffnung erwies sich zum Theil als trügerisch ! Denn bis jetzt waren die Erkrankungen der Gallenwege noch nie in bestimm- tem Hinblick auf deren chirurgische Therapie bearbeitet worden. Diese Einsicht weckte in mir das Bedürfnis, zunächst nur zur eigenen Belehrung, zur Befestigung und Erweiterung meiner Kenntnisse, auf Grund eines grossen casuistischen Materials mich in

XII Einleitung.

der augedeuteten Richtung vorzubereiten. Die Literatur der letzten 3 Jahrhunderte bietet von werthvoUstem , zum Theil unbeachtet brachliegendem Stoff dieser Art unendlich viel. Wer hier zu sam- meln beginnt, den lockt es immer weiter, und er findet kein Ende, wenn er sich nicht selber ein „non ultra" setzt. Ich habe nun etwa 1780 Krankengeschichten und Sectionsberichte einschlägiger Natur zusammengebracht, welche mir, bis auf wenige, alle in den Urquellen vorgelegen haben. Auf dieser Sammlung fussend, habe ich dann die verschiedenen pathologischen Zustände der Gallenwege der Reihe nach bearbeitet.

Und nun gebe ich neben den in den zweiten Theil dieser Arbeit verwiesenen Erörterungen über Erfolge und Technik der Ope- rationen — im ersten Theil die Resultate, welche bei dieser vom chirurgischen Standpunkt aus vorgenommenen Bearbeitung der Patho- logie der Gallenwege gewonnen worden sind. Dieselben decken sich wol theilweise mit längst Bekanntem. Da und dort erscheinen sie vielleicht neu, oder widersprechen gar dem Gewohnten. Gelegent- lich dürften sie aber auch dann noch zur Sicherstellung einzelner bisher zweifelhafter Verhältnisse, zur Klärung gewisser noch dunkler Punkte, zumal im Bereich der so hochwichtigen Symptomatologie und Diagnostik dieser Leiden dienen! Und wie ich selbst viel wissen- schaftlichen und practischen Gewinn aus dem ganzen Studium ge- zogen habe, so wünsche und hoffe ich, dass auch Andre etwas davon den nachfolgenden Mittheilungen entnehmen werden!

Basel, Juli 1890.

L. Gr. Courvoisier.

BESTER THEIL.

CASUISTISCH-STATKTISCHE BEITRÄGE

PATHOLOGIE DER GÄLLENWEGE.

Courvoisier, Gallen-wege.

BESTES CAPITEL.

Concremente in der Glallenblase.

Es ist eine unbestrittene Thatsache, dass in keinem Abschnitte des Gallensystems Concremente so häufig getroffen werden, wie in der Gallenblase. Keineswegs ausgemacht ist dagegen, inwiefern die anatomische Structur ihrer Wand die letztere zurChole- lithiasis disponire. Auf eine Möglichkeit hat wohl zuerst Bianchi aufmerksam gemacht. Er beschreibt einen Fall (723), wo in der geschrumpften Gallenblase 4 kleinste Steine innerhalb winziger, von knotigen Rändern umgebener Grübchen der Wandung an- scheinend erweiterter Drtischen steckten. Später hat Morgagni 4mal (51. 59. 60. 61) 1 10 Concrementchen in der Gallenblasenwand sitzen und aus feinen Oeffnungen der Mucosa hervorschauen sehen. Er glaubt ebenfalls, dass ihre Bildungsstätte die Drüsen gewesen seien. „Memineris enim, parvos bilarios calculos a me fuisse in iis glandulis manifesto orificio parentibus, eoque minus in dubium vo- candis, repertos olim et demonstratos." Aehnliche Befunde schil- dern Lieutaud (80), Fauconneau - Dufresne (58) und Ver- neuil (62). Immer scheint es sich um Pigmentconcretionen gehandelt zu haben. Weniger sicher gehört der Fall von Walter (63) hierher. Dagegen stellt vielleicht der vonGubler beschriebene (Cptes rend. de la Soc. de Biol. 1. c. p. 24) Zustand eine Art von Jugendstadium der eben erörterten Steinbildung dar. Die Schleimdrüsen der Gallen- blase waren im Fundus abnorm vergrössert und bildeten mehrere bis quadratcentimetergrosse Tumoren, auf deren Höhe jeweilen ein schwarzer Punkt stand. Bei Druck entleerte sich eine durchsichtige, schleimige, mit grünlichen Krümeln vermengte Flüssigkeit. Die Krümel waren Ballen von Epithelien. Solche könnten wohl ab und zu Kerne von kleinen Concrementen werden, welche später frei

würden.

1*

4 Casuistisch-statistisclie Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Einem ganz anderen Umstand misst Mettenheimer (1. c. p. 509 bis 512) eine Rolle bei der Entwicklung von Gallenblasensteinen zu. Er fand 1 mal die sonst spärlicben und winzigen Zotten der Mucosa sehr gross und mit Kalk imprägnirt und hält es für denkbar, dass zuweilen durch Hypertrophie und Auflagerung fester Niederschläge aus solchen Zotten wirkliche Calculi werden könnten. Diese Mög- lichkeit sei ins Auge zu fassen bei fest an der Wand adhärenten Gallenblasensteinen (s. die Fälle 71. 75. 140. 143. 146. 527, sowie Ter- rillon's interessanten Fall, wo ein grösserer Stein bei der Chole- cystotomie mit dünnem Filament an der Gallenblase hängend ge- funden wurde. 1611).

Der Vollständigkeit halber habe ich diese Vorkommnisse er- wähnen wollen, obwohl sie chirurgisch nur ausnahmsweise wichtig werden dürften.

An den fertigen Gallensteinen kommt zunächst in Betracht ihre Grösse und Zahl.

Die Grösse schwankt innerhalb weiter Grenzen. Im Basler pathologischen Institute sind 1882—1888 255 Gallensteinkranke seeirt worden. 205 mal ist die Grösse der Steine angegeben; nämlich:

Sand, Gries, kleinste Steinchen

33 mal (16 o/o)

Erbsen-, bohneugrosse = . . . 102= (50=)

Haselnuss-, kirschengrosse Steine . . 45 = (22 = )

Taubenei-, wallnuss = = . . 19 = (9 = )

Grössere 6 = (3 = )

205

In 19 (9^0) Fällen waren neben mittelgrossen oder grossen Steinen noch einige kleine vorhanden. Diese Verhältnisse dürften wohl überall ähnlich vorkommen. Gallenblasensteine würden demnach in mindestens -jd aller Fälle höchstens erbsen- oder bohnengross und blos in circa 12o/o aller Fälle nuss- bis taubeneigross sein.

Von auffallend grossen in der Gallenblase gefundenen oder sicher aus ihr stammenden Concrementen habe ich zunächst 112 Fälle ge- sammelt. In einem dieser Fälle füllten 6 wallnussgrosse die Blase (151); 9 mal waren 3, 23 mal 2 einander ziemlich ebenbürtige Cal- culi, 9 mal neben einem grossen Stein noch einige ganz kleine vor- handen. Sonst handelte es sich um jene praktisch wich- tige Form von Concrementen, welche man als solitäre bezeichnen kann.

Bei diesen 70 solitären Steinen ist 53 mal das Volum genauer angegeben :

Concremente in der Gallenblase. 5.

schwach niissgross oder circa 10 gm schwer 3

gut wallnussgros = 12 22 = = 22

hühnereigross = 23 30 = = 18

noch grösser und schwerer 10

53

Die letzten 10 Fälle mit ganz ausserordentlichen Dimensionen verdienen eine kurze Beschreibung:

981. Stein 7 cm lang, 10 cm Umfang. 917. = 7,5 = = 11 =

1001. BirnfÖrmige „massa lapidea", 2V2 Zoll lang, 4 Zoll Umfang, 1 Unze und 2 Drachmen schwer.

950. Stein 35 gm schwer. 1061. Birnf. Stein 7 Drachmen schwer.

37. Gurkenf. Stein 8 cm lang, 3 cm dick, 41,5 gm schwer.

1002. Ausguss der Blase, 8 1/2 cm lang, 4 cm dick, 54 gm schwer. 19. Stein 8 cm lang, 6 cm dick, 60 gm schwer (Abbildung).

26. = 4 Unzen schwer.

21. = 131/2 cm lang, 3— 31/2 cm dick (Abbildung).

Die Gestalt dieser grossen Monolithen ist leider nur 42 mal notirt:

regelmässig oval 10

birnförmig (Gallenblasenform) 23

cylindrisch 5

eigenartig 4

42

Die letzten 4 Steine zeigten schnabel- oder bakenartige Fortsätze in den Gallenblasenhals oder Cysticus hinein (8. 15. 34. 1061).

Die Birnform oder Form der Gallenblase ist für solche Steine offenbar ziemlich typisch. Der dicke Theil nimmt den Fundus, der dünne Theil den Hals der Blase ein. Oft füllt dabei der Stein die Höhle so aus, dass kaum mehr Galle daneben Platz findet ; er stellt einen Abguss derselben dar (15. 24), ist „nach ihrer Innenfläche modellirt" (11), „figuram vesiculae perfecte referens" (30); sitzt „loco bilis" (6). Aeltere Autoren sprechen dann wohl von „fellis vesicula exsucca" (22), von einem „succum felleus saxeus" (18) u. s. w. Ein- mal (149) fand sich der grosse Stein in einer „sackartigen Erweite- rung des Fundus."

Wesentlich gleich, wie bei den ausgesprochen solitären Calculis, gestalteten sich die Dinge da, wo neben einem ganz grossen noch eine Anzahl viel kleinerer vorhanden waren.

Wiederum nicht sehr verschieden von den soeben geschilderten lagen die Verhältnisse da, wo zwei oder drei grosse Steine

6 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

allein oder höchstens mit einigen kleinen Bröckeln die Gallenblase eingenommen haben. Solcher Fälle zähle ich 28.

Relativ häufig (20mal) bildeten die 2 oder 3 Steine zu- sammen auch wieder einen mehr oder weniger getreuen Abguss der Gallenblase. Meist war dann der dem Fundus zu- gekehrte Zwilling oder Drilling grösser, als der im Hals liegende, seltener umgekehrt. Zugleich war der Fundusstein meist halbkug- lig, der gegen den Cysticus gerichtete konisch, pyramidal (9. 33. 41. 961. 1014. 1020. 1411. 1712). Zuweilen aber waren die einzelnen Stücke an Grösse und Form einander ziemlich gleich und bildeten ebenbürtige Hälften eines Eies (937. 978. 1021. 1086. 1662) oder Drit- tel eines Cylinders (3. 38. 919. 936).

Da, wo die einzelnen Theile eines solchen Zwillings oder Dril- lings sich gegenseitig berührten, passten sie oft mit planen Facetten (14. 38. 41. 159. 919. 923. 978) oder etwas unebenen Flächen (1086) genau auf einander und waren nur wenig gegeneinander verschieb- lich. 15 mal jedoch unter den 28 Fällen boten die Stücke die von den betreffenden Autoren übereinstimmend hervorgehobene merkwürdige Erscheinung dar, dass zwischen ihnen förmlich articulir ende Be- wegungen möglich waren. Ein Stück bildete eine concave Pfanne, das andere einen convexen Kopf, der cougruent hineinpasste (3. 4. 9. 10. 14. 33. 36. 862. 928. 936. 1020. 1093. 1144. 1411. 1712). Wie typisch gerade diese Form der Steine sein kann, erkennt man be- sonders beim Vergleich verschiedener entsprechender Präparate oder Abbildungen (Zwillinge: 4. 9. 10. 14. 33; Drillinge: 3. 38. 919. 1662).

Diese eigenthtimliche, öfters in analoger Weise sich wiederholende Gestaltung grosser Gallensteine muss auf einer in allen diesen Fällen einwirkenden einheitlichen Ursache begründet sein. Gewiss war aber diese nicht, wie Canstatt in seinem Fall (159) andeutet, in secun- därer Abschnürung oder in intravesiculärer Fractur eines ursprüng- lich solitären Calculus zu suchen. Dagegen kommt vielleicht hier folgender Mechanismus zur Geltung: Die Leber folgt den respira- torischen Zwerchfellveränderungen genau; sie flacht sich bei der In- spiration ab und ihre ünterfläche wird mehr oder weniger plan; sie wölbt sich bei der Exspiration und ihre Unterfläche wird hohl. Da- bei bildet ihr vorderer Rand mit ihrer mittleren Masse und ebenso der an jenem festhängende Gallenblasenfundus mit dem an dieser adhärenten Hals abwechselnd eine gerade Linie oder einen stumpfen Winkel. Ist nun in einer Gallenblase die Concrementbildung im Gang, so wird zumal unter dem begünstigenden Einfluss der bei der Cholelithiasis überhaupt so enorm wichtigen Schnürung des Thorax

Concremente in der Gallenblase. 7

durch Corsets kein zusammenhängender, sondern ein unterbroche- ner Stein entstehen, der mit einem halbkugligen Abschnitt den Fundus und mit einem konischen den Hals der Blase allmählich füllt. Ich gebe diese Hypothese mit allem Vorbehalt und nur als Versuch zur Lösung einer interessanten, bisher aber meines Wissens noch nie gestellten Frage.

Jedenfalls aber halte ich es für berechtigt, diese Zwillings- und Drillingssteine inParallele zusetzenmit den gros- sen solitären, sie gleichsam als zusammengesetzte solitäre zu betrachten. Ihre Dimensionen (die Einzelstücke zusammengerech- net) sind 25 mal genannt:

schwach hühnereigross, bis 20 gm schwer 3

= = = = 29 = = 7

6,5 9 cm lang, 3 5 cm dick, bis 44,5 gm schwer . .10

exceptionell gross 5

25 Die 5 letzten Fälle sind:

3. Drei articulirende Steine füllen die Gallenblase, zus. 11 cm lang,

bis 31/2 cm dick, 60 gm. schwer. 10. Doppelstein, articuHrend, zus. 12 cm lang, 5 cm dick, 16 4-4,5

Drachmen = 72 gm schwer. 1020. 2 articulirende Steine, kugelig und kegelförmig, 462 u. 393 gran

= zus. 53,5 gm schwer. 1736. 2 aus einer Fistel excidirte Steine, grösserer 12 cm laug, 9 cm

Umfang; zweiter kleiner. 1739. Cholecystostomie : articulirender Zwilling, zusammen 1272 cm. lang,

3 37-2 cm dick. Höhle fast füllend.

Während grosse Concremente mit Vorliebe solitär oder als Zwil- linge und Drillinge auftreten, lässt sich von den kleinen behaupten, dass sie in der Regel multipel und zwar in bedeutender Zahl vor- kommen. Ebenso darf man umgekehrt behaupten, dass Concremente gewöhnlich um so kleiner sind, je grösser ihre Zahl ist. So scheint in der That zwischen Volum und Zahl ein entgegengesetztes Ver- hältniss zu bestehen!

In 227 von den oben erwähnten 255 Gallensteinfällen des Basler pa- thologischen Instituts ist die Ziffer der gefundenen Concremente notirt :

1 52 mal (23,0 0/0)

2—3. 24 = (10,3 = )

4—10 69 = (30,5 = )

viele bis sehr viele . . . . 82 = (36,1 = )

227 In der Literatur finde ich wenig Beobachtungen, welche gestatten, auf die Häufigkeit der kleinen gegenüber derjenigen der grossen

8 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Steine zu scMiessen. Ausgezeichnete Beispiele von reiehlicliem Sand oder Gries in der Gallenblase konnte ich (abgesehen von den 33 baslerischen) nur 9 auftreiben. Einzelne Beobachter haben mühsam die Körner gezählt und deren einige hundert (50. 205), ja einige tausend (48. 57) gefunden! Gewiss kommt aber Gallengries recht oft vor (in Basel 16 »/o aller Fälle!), ohne dass es erwähnt wird. Fälle von einzelnen Riesensteinen werden aus begreiflichen Gründen viel mehr veröffentlicht.

Weit weniger spärlich sind Beobachtungen mitgetheilt von zahl- reichen erbsen- bis bohnengrossen Steinchen. Sie alle zu sammeln, ist unmöglich. Speciell will ich 26 Beispiele hervor- heben von ungewöhnlich grossen Ziffern solcher kleiner, d. h. höch- stens haselnussgrosser Concremente, deren 8 mal 200—300, 5 mal 300-400, 2mal 500—600, 6mal 1000—2000 (42. 44. 45. 47. 52. 54) gezählt worden sind. In 4 dieser Fälle wurden aus Bauchwandfisteln während eines oder mehrerer Jahre je einige hundert (bis 600) Stein- chen entleert, die sich allerdings zum Theil successiv nachgebildet haben konnten (1145. 1206. 1289. 1384). In einem Fall waren wäh- rend des Lebens schon sehr viele per anum abgegangen; bei der Section fanden sich noch 506 in der Gallenblase vor (46).

Hinsichtlich der Consistenz der Gallensteine ist bekannt, dass die hauptsächlich aus Cholestearin gebildeten im Allgemeinen eine geringe Härte aufweisen, die Pigmentsteine dagegen hart und zugleich spröde sind. Diese Verhältnisse sind natürlich von Be- deutung für eine allfällige Lithothripsie der Steine innerhalb der Gänge (vgl. IL Theil, „Operationen an Gallengängen".

Von auffallend weichen Concrementen, welche wohl nur als stark eingedickte Galle zu betrachten sein dürften, berichten Tamponnet (laut Blankart. 1. c. p. 69), Durand-Fardel (73), Graves (295). Ich selbst erinnere mich einst bei der Section einer 40 50jährigen Frau in Gallenblase und Cysticus mehrere 1 IV2 cm dicke, 2 3 cm lange Concremente von honiggelber Farbe gesehen zu haben, welche, in normaler Galle schwimmend, durchsichtig und so weich und formbar waren, dass man sie mit einiger Mühe in zusammenhängender Masse durch den Choledochus durchpressen konnte. Sie hatten einige Aehnlichkeit mit Cystinsteinen! Solche Gallengerinnsel denn das sind sie wohl sind gewiss in der Gallenblase ungefährlich; da- gegen weniger, wenn sie in die abführenden Gänge hineingerathen (vgl. Choledochus-Obstructionen, Capitel IV.)

Für die Praxis und speciell im Hinblick auf die gelegentlich nöthig werdenden operativen Eingriffe ist die Bekanntschaft mit den-

Veränderungen der Gallenblase durch Steine. 9

jenigen Umständen, unter welchen verschieden grosse und verschieden zahlreiche Steine in der Gallenblase vorkommen, von Bedeutung. Es wird sich später mehrfach der Anlass bieten, auf diese Umstände, sowie auf die Symptome und die Complicationen genauer einzugehen, welche sich an die Anwesenheit der verschiedenen Categorien von Concrementen knüpfen. Immerhin darf hier schon betont werden, dass die hartnäckigsten und gefährlichsten Fälle von Cholelithiasis im Allgemeinen nicht diejenigen mit einzelnen grossen, sondern die- jenigen mit vielen kleinen und kleinsten Steinen sind. Häufige Koliken und alle möglichen anderen Folgen der Incarceration in den Gängen stellen sich bei letzteren unendlich häufiger ein, als bei ersteren. Ja es ist vielleicht erlaubt zu behaupten, dass, je grösser die Con- cremente, um so weniger gefährlich im Grossen und Ganzen der Zustand ist.

Von allen Erscheinungen nun, welche durch das blosse Vor- handensein der Steine in der Gallenblase hervorgerufen werden, sei hier nur eine einzige besprochen: Der objective Nach weis der- selben durch Palpation ist zuweilen gelungen. Davon spricht wohl zuerst Fabricius Hildajius, der in seinem be- rühmten Fall (10) von colossalem Zwillingsstein „pondus magnum, molestum et ex una in alteram partem delabens e regione hepatis percipere poterat." J, L. Petit (1. c. p. 272) beschreibt, wie man gelegentlich bei der Untersuchung einer mit Steinen gefüllten Gallen- blase „un bruit semblable ä celui, que feroient des noisettes enfer- mees dans un sac" zu fühlen vermöge. Aehnlich haben Oppolzer (1. c. p. 766), Felizet (1671), Socin (1739), ich selber (1716) Steine crepitirend in der Blase hin- und herbewegen können. Pepper (25), Gas ton (292) und Heitier (1345) fühlten einzelne sehr grosse Steine in ihr. Lessdorf (19) diagnosticirte einen in einem enormen Nabel- bruch steckenden harten Körper als Gallenstein und hatte die Genug- thuung, bei der späteren Section die Diagnose bestätigt zu finden. [Uebrigens fordert ein von Steinbach beobachteter Fall (Centrbl. f. Chir. 1889, p. 680) doch zur Vorsicht auf. Hier hatte man unter der Leber Concretionen gespürt und Gallensteine voraussetzend laparo- tomirt. Dabei erst sah man, dass es sich um Nierenbeckensteine handle !]

Veränderungen der Grallenblase durch Steine.

Der stets wiederholte Eeiz der Concremente ruft in der Mucosa und überhaupt in der Wand der Gallenblase Veränderungen hervor, welche unter dem' Namen der chronischen Cholecystitis und

10 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Pericholecystitis ziisammeDgefasst werden können. Dieselben gehören offenbar zu den entzündliclien Störungen, spielen sich aber wohl gewöhnlich ohne ausgesprochene Eiterung ab. Von der- artigen Alterationen sind bei den schon erwähnten 255 Basler Gallensteinsectionen angeführt:

Atrophie oder concentrische Hypertrophie der Gallenblase 32. (12,5 o/o)

Divertikelbildung 10. ( 3,9 = )

Narben 12. ( 4,7 =)

Verwachsung mit Nachbarorganen 10. ( 3,9 =)

Sclirumpfang, Atropliie der Gallenblase.

Ich kenne 63 Fälle, wo infolge von Cholelithiasis die Gallen- blase in einem Zustand der Verkleinerung sich befand, der als Schrumpfung, Atrophie bezeichnet werden muss. Der höchste Grad dieser Störung ist derjenige, wobei das Organ ausserordentlich klein, vielleicht nur bohnen-, haselnuss-, kirschengross (70. 105. 199. 509. 530), oder überhaupt sehr klein und in dichten Verwachsungen versteckt, oder in einen engen und starren, fibrösen Canal verwandelt ist. Solche Fälle von äusserster Reduction sind mir 22 bekannt geworden.

In anderen Fällen hat sich die Blase über einem oder wenigen grösseren Concrementen fest zusammengezogen und umklammert dieselben sehr dicht (41 Fälle). Zuweilen erscheint sie dann wie vollgepackt mit vielen kleinen Polyedern, gelegentlich wie ein Granatapfel mit seinen eckigen Samen (55). Dabei wird mehrmals innige Verwachsung der Steine mit der Wand erwähnt (75. 111. 237. 313).

Ist nun auch im Allgemeinen unter solchen Umständen mit der Schrumpfung zugleich eine Wand V er dünnung verbunden, so com- binirt sich doch zuweilen mit ihr eine Verdickung (80. 114. 195. 372. 373. 450. 525), welche dann als concentrische Hypertrophie zu bezeichnen ist.

Beizufügen ist übrigens, dass unter 40 Fällen, in welchen diese Einzelheiten berücksichtigt sind, oft mit der Atrophie auch Ver- legung des Cysticus durch Steine (20 mal) oder Obliteration (2mal), oder auch Verstopfung des Choledochus durch Steine (21 mal) oder Obliteration (1 mal) vorhanden war. Nur 7 mal sind die abführenden Gänge als frei (81. 90. 97. 105. 723. 809. 855), ja th eilweise als erweitert notirt. Aber auch diese Dilatation war offenbar auf frühere Verlegung durch Concremente zu beziehen.

Hypertrophie der Gallenblase im eigentlichen Sinne, ex- centrische Hypertrophie mit Ausdehnung des Organes und Verdickung

Verkalkung, Verknöclierung der Gallenblase. 11

seiner Wand durch Bindegewebsneubildung ist ebenfalls öfters bei Gallenblasensteinen beobachtet. Solcher Fälle kenne ich 25. Die Wand war hier oft bedeutend, ja bis auf V'i cm (89) verdickt, zu- weilen halbknorpelig (43. 75. 158. 254. 613). Die Höhle war in 14 Fällen mit Concrementen ganz erfüllt, die zuweilen durch klebrige Masse zu einem Ganzen verbunden waren (160. 161. 162). Auch hier bestand übrigens nicht selten Verlegung des Cysticus durch Steine (4 mal) oder Obliteration (2 mal), des Choledochus durch Steine (4 mal) oder Obliteration (1 mal).

Yerkalknng, YerknöclierimgC?) der Gralleiilblase.

An die mit fibröser Wandverdickung einhergehende Hypertrophie schliesst sich als verwandte Veränderung die Verkalkung an. Sie scheint selten zu sein.

Zunächst giebt es Incrustationen mit Kalkkörnchen in mehr oder weniger zusammenhängender Schicht. Etwas dieser Art scheint Piccolhomini (1. c.) vor Augen gehabt zu haben, als er an der Gallenblase eine innere „Tunica crustosa" beschrieb. Nur hat er diese offenbar als regelmässige Bildung aufgefasst. Denn er ver- muthet, dass „Natura hanc crustosam tunicam contulit, ne proxime et immediate bilem continens ab hac calida acri et mordaci diutius contenta labe afficeretur." Merkwürdiger Weise ist auch Caspar Bau hin in diesem Irrthum befangen. Giebt er doch, indem er auf den genannten Vorgänger verweist, mit beinahe den gleichen Aus- drücken die „membrana propria" der Gallenblase als „substantia crustosa" überzogen an (1. c. p. 155). Als entschieden patholo- gische Ausnahmen bildet dagegen Coe (188) eine inwendig mit vielen Körnchen incrustirte und Ruysch (129) eine in viele Zellen ge- theilte Gallenblase ab, deren „tunica interna magna ex parte lapidea" war. Gräuwen (362), Sömmering (130), Bouisson (119), Budd (180) und Murchison (127) schildern analoge Befunde. Terrillon endlich (1649) hat bei einer Cholecystotomie einen ähn- lichen Zustand getroffen, indem ein bei der Function gefühlter harter Körper sich nicht, wie erwartet, als Gallenstein, sondern als Theil einer ausgedehnten, aber leicht ablösbaren Incrustation der Gallen- blase entpuppte.

An diese Fälle schliessen sich andere an, in welchen nicht nur eine Auflagerung, sondern eine richtige Durchsetzung der Wand mit Kalksalzen oder gar eine angebliche Verknöcherung bestanden hat. Es sind mir 18 solche Fälle bekannt. Zwei davon (Rhodius 128, Greding 123) sind zwar zweifelhaft, indem man nicht weiss, ob

12 Casuistisch- statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

die gebrauchten Ausdrücke „ossea", „hart wie Stein" u. s. w. wirk- lich auf Verkalkung sich beziehen. Bei allen übrigen war dagegen sicher, wenn auch nicht (wie die Autoren zum Theil meinten) eine Verknöcherung, so doch eine Calcification vorhanden. Die Kalk- ablagerung war in 4 Fällen nur eine partielle in Gestalt von Platten, die in die Wand eingebettet waren (117. 122. 181. 255); sonst immer eine allgemeine, so dass der Behälter starr war und nach der Ent- leerung nicht collabirte. Die Wanddicke konnte 3—6 mm erreichen (122. 125. 132. 255). 3mal (116. 181. 611) wird bestimmt angegeben, dass die Kalksalze in die Submucosa abgelagert waren. Auch diese Verkalkungen trafen übrigens öfters zusammen mit Verlegung des Cysticus (9 mal) oder Choledochus (748) durch Steine oder Ob- literation. Der Inhalt der verkalkten Gallenblase war abgesehen von Gallensteinen (125. 131. 133) viermal (118. 124.125.611) reich an freien Cholestearintafeln, 2mal (118. 611) zugleich vom Aussehen der Chocolode, also wohl bluthaltig.

Ein- und Al)sclinttriingcn , Divertikel der Grallenblase.

Von Heister 1717 (141), Ruysch 1721 (145), Amyand 1738 (1126) zuerst erwähnt, sind Abschnürungen und Divertikel der Gallen- blase von Morgagni (Adversaria. 1. c. p. 74) mit ähnlichen Bil- dungen an der Harnblase verglichen worden und er bezeichnet sie als Hernien. In gleicher Weise spricht sich Meckel (1. c. p. 31) aus, indem er noch gelegentliche vollständige Abschnürungen solcher Divertikel anführt und das häufige Vorkommen von Concrementen in denselben betont. Rokitansky (1. c. p. 282) giebt an, herniöse Schleimhautausstülpungen seien hier nicht selten multipel, aber klein, höchstens hirsekorngross. In ihnen steckten bisweilen kleine dunkle Steinchen so, als ob sie zwischen den Blasenhäuten sässen, Ver- muthlich will der Autor auf diese Weise die oben (p. 3) besprochenen Beobachtungen Morgagni's und Anderer über Concremente in der Dicke der Gallenblasenwände, resp. in ihren Schleimdrüsen erklären. Bei neueren Schriftstellern habe ich nichts wesentlich Neues über ähnliche Zustände entdecken können.

Ziehe ich nun die 51 Fälle meiner Casuistik der Ein- und Ab- schnürungen zu Rathe, so finde ich darunter 28 Fälle eigentlicher Divertikel, d. h. Säcke, welche mehr oder weniger gestielt dem Organ anhängen. Leider ist sehr oft die Beschreibung sehr mangel- haft, so dass man ausser der Thatsache ihrer Anwesenheit nichts weiter von den einzelnen Divertikeln erfährt. 10 mal wird sogar ihr Sitz verschwiegen. 7 mal gingen dieselben einzeln von der unteren

Ein- und Abschnürungen, Divertikel der Gallenblase. 13

(139), linken (833), oberen (137. 175) Wand des Corpus oder nahe am Cysticus (155.797. 1411) ab. llmal sassen sie am Fundus in der Einzahl (136. 141. 149. 152. 153. 726. 971. 1413), oder zu zweien (679) und dreien (145. 153).

In nicht weniger als 18 von den 28 Fällen waren nun in den Divertikeln Concremente enthalten. Wie oft aber der Stein das Divertikel hervorgerufen, wie oft umgekehrt das letztere Gallen- staguation und damit erst Steinbildung veranlasst habe, ist schwer zu sagen. Die erstere Auffassung dürfte am ehesten zutreffen in Fällen, wo die ganze Erkrankung auf die Gallenblase beschränkt war (134. 136. 137. 139. 153. 175. 797. 833. 1253. 1265. 1411). Die zweite dagegen gilt wohl für diejenigen Fälle, wo eine Obstruction des Choledochus mit nachfolgender bedeutender Erweiterung der sämmtlichen Gallenwege bestand (237. 679. 726. 739. 971. 1340), die Ausbuchtungen also recht eigentlich als Pulsionsdivertikel zu bezeichnen sind.

Ein einzelner Fall (1413) zeichnet sich dadurch aus, dass bei Scirrhus der Gallenblase diese mit dem Colon durch eine strangartige Adhäsion zusammenhing, beim Durchschneiden aber der Strang sich hohl erwies. Offenbar war dies ein Tractionsdivertikel.

lieber die anatomische Beschaffenheit der Divertikel erfährt man wenig. Meist scheint es sich, so weit man dies beurtheilen kann, um Ausstülpung der gesammten Wand, nicht um Schleim- hauthernien gehandelt zu haben. In einem Fall (545) führten eigent- liche Löcher der Mucosa in die blos von der Serosa gebildeten Säcke !

lieber die Verbindung zwischen den Divertikeln und der Gallen- blase verlautet selten Genaueres. 3 mal (139. 726. 1265) war die Oeffnung fingerweit, 4mal (141. 153.971. 1340) äusserst eng, 1 mal von einer klappenartigen Falte überdeckt, unter welcher ein Stein lag (136). 2 mal war die von Me ekel signalisirte völlige Abschnü- rung erfolgt (134. 1126).

Die Grösse der Divertikel ist selten genau notirt: eines war kirschengross (141, Abbildung), 2 wallnussgross (139. 155), 2 hühnerei-, pflaumengross (153. 1126), in einem Fall mehrere apfel- gross (1265); Imal heisst es nur „sehr gross" (1253); 2 mal bildeten sie grosse Lappen oder Hörner (679. 1340J. Imal erstreckten sich von vielen Divertikeln mehrere weit unter der Serosa der Leber- unterfläche hin (553).

Eine ganz andere Abschnürung ist diejenige, wobei eine quere Verengerung durch das Corpus geht und also eine Sanduhr form sich ergiebt (15 Fälle). In allen derartigen Fällen waren, wo nicht

14 Casuistisch-statistisclie Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Concremente sich noch in der Blase befanden, doch sichere Spuren früherer Anwesenheit von solchen sichtbar (3 Fälle). In 7 Fällen beherbergten sogar beide Abtheilungen der biloculären Höhle ein (140. 143. 1549. 1714) oder viele (142. 144. 707) Concremente, die sogar in einem dieser Fälle (144) hüben und drüben ganz verschieden beschaffen waren. Die Verbindung zwischen beiden Hälften war 6 mal (71. 72. 135. 138. 154. 987) sehr eng, callös, narbig, 4 mal ge- radezu aufgehoben durch völlige Abschnürung des Fundustheils (140. 143. 146. 527). Gewöhnlich war die Blase über den Steinen sehr fest contrahirt, ja hier und da (140. 143. 1714) innigst mit ihnen ver- wachsen.

Bei einer dritten seltenen Form der Abschnürung ist die Gallen- blase in eine grössere Zahl neben und hinter einander Hegender Zellen mit gemeinsamer centraler Höhle oder geradezu in einige getrennte Cysten abgetheilt, mit tiefen Ein- ziehungen zwischen den letzteren. Gleichsam ein erstes Stadium dieses Zustandes repräsentirt der Fall von Schüppel (170), wo von der narbig geglätteten Mucosa zwischen einer Anzahl facettirter Steine zahlreiche gitterförmig durchbrochene bindegewebige Septa ins Innere abgingen. Weiter vorgeschritten war die Formation von Zellen mit tief einspringenden Falten in 4 anderen Fällen mit Gallensteinen (742. 751) oder ohne solche (129. 1369). Das letzte Stadium be- zeichnen 3 Fälle. Weber (147) hielt für eine „ursprüngliche Bil- dung" den Zustand, wobei die Gallenblase in 3 theils unter sich, theils mit der Magenhöhle fistulös communicirende kuglige Säck- chen getheilt war (Abbildung)! Doch war dies sicher Folge von Entzündung, wofür auch die Adhäsion mit dem Magen spricht. Viel interessanter ist ein Präparat des Basler pathologischen Instituts (148). Die Gallenblase stellt einen 6 cm langen, 4 cm breiten und bis 2 7-2 cm dicken Körper von Traubenform dar. Der Stiel ist der obliterirte, dünne Cysticus. Die 8 Beeren sind kuglige Steine, um welche herum die papierdünne Wand der Blase sich unter Bildung vollständiger, die Steine trennender Septa fest contrahirt hat. Der Beschreibung nach ähnlich war das Verhalten im Falle von Hesse (863, in welchem es sich freilich auch um eine geheilte Perforation von Steinen in die Bauchhöhle gehandelt haben kann). „Die Gallen- blase existirte nicht mehr. An ihrer Stelle starke Verwachsungen und mehrere nussgrosse Steine, jeder für sich membranös umhüllt. Der Gallengang nicht offen."

Alle diese verschiedenen Formen der Ein- und Abschnürung können chirurgisch sehr in Betracht kommen. Denn es ist klar, dass

Ein- und Abschnürungen, Divertikel der Gallenblase. 15

sie unter Umständen der Evacuation von Conerementen bei der Cysto- tomie, sowie der Exstirpation der Gallenblase u. s. w. sehr hinder- licli werden müssen.

Narben in der Gallenblase sind natürlich Folge früherer Uleerationen , die aber wohl nicht acut entstehen und mit ausge- sprochener Eiterung einhergehen, vielmehr langsam durch Reibung von Conerementen aus Excoriationen sich entwickeln. Sie werden für sich allein selten in der Literatur erwähnt, sei es, dass sie wirk- lich selten sind, sei es, dass sie übersehen und nicht der Beachtung werth erfunden wurden. Schloth (I.e. p. 13) hat unter 343 Sec- tionen Gallensteinkranker nur 14 mal strahlige Narben in der Blase notirt (4,1 "/o). Auf die schon erwähnten 255 Basler Fälle kommen deren 12 (4,7 7o. Vgl. übrigens die von unserem pathologischen Ana- tomen Roth schon beschriebenen Fälle: 835. 836. 989. 991). Die Zahl der Narben war beschränkt auf eine oder wenige im Hals (104) oder Fundus (151. 533) oder zerstreute im ganzen Organ (107. 153. 836. 989. 991), bisweilen aber auch bedeutend (10 Fälle). Dabei war meist die Schleimhaut verdickt und schiefrig verfärbt.

Pericholecystitis. Die chronische Cholecystitis greift oft von innen nach aussen durch die ganze Dicke der Blasenwand auf die Serosa über und veranlasst die Bildung einer localisirten adhäsiven Peritonitis. Die Fälle, in welchen diese Entzündung beobachtet ist, sind zahllos. Sie zu sammeln ist fast unmöglich und ohne grossen Werth. Das eine Mal findet man ihre Spuren in Form einzelner, strangartiger, kurzer oder langer, dünner oder dicker Brücken, welche von der Gallenblase zu Nachbarorganen, speciell vom Fundus zum Quercolon, vom Hals zum Duodenum u. s. w. sich hinüberschlagen. Das andere Mal sind es blattartig und flächenhaft breite Verbindungen mit der ganzen Umgebung, wie bei diffuser Peritonitis. Ja, es kön- nen diese allseitigen Verlöthungen zuweilen so stark und dicht werden, dass die Orientirung schon erschwert wird, eine Operation aber, speciell eine Cholecystectomie auf unüberwindliche Hindernisse stösst. Sie bilden also unter Umständen eine eigentliche „crux chirur- gorum". Davon später am passenden Orte mehr!

Von einer bestimmten Symptomatologie der durch Gal- lensteine hervorgebrachten chronischen Cholecystitis und Pericystitis, der Atrophie, der Sanduhrform, der Divertikel der Gallenblase kann kaum die Rede sein. Die Vermuthung, dass derartige Zustände vorliegen, kann sich ja wohl regen, wenn bei Patienten, welche sonst schon Erscheinungen von Cholelithiasis ge- zeigt haben, gewisse abnorme Sensationen in der Leber- und speciell

16 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

in der Gallenblasengegend sich oft wiederholen oder andauern, während doch keine Steine abgehen. Aber objective Merkmale dieser oder jener Form der Alterationen sind um so weniger zu erwarten, weil die Gallenblase dabei geschrumpft, also nicht fühlbar ist. Die Section oder eine Laparotomie kann darüber allein Aufschluss geben.

Dagegen dürfte bei hypertrophischer Gallenblase in der Regel der Nachweis des Tumors gelingen. Ob es aber gelingen wird, diesen als einen durch reine Hypertrophie bedingten zu erkennen und von einem durch Hydrops mit Wandverdünnung oder durch Carcinom verursachten zu unterscheiden, das ist sehr zu bezweifeln. (Vgl. die Capitel über diese Zustände.)

Am ehesten dürfte eine adhäsive Pericystitis erkannt werden in Fällen, wo eine vergrösserte Gallenblase sich nicht, wie gewöhnlich, leicht seitlich verschieben lässt oder mit der Respiration auf und ab geht. Hier müsste sofort an Verwachsung mit Bauchwand und Nach- barorganen gedacht werden.

In therapeutischer Beziehung habe ich hier nichts Beson- deres zu bemerken. Bei der Erörterung der einzelnen Operationen im zweiten Theil dieser Arbeit wird öfters von dem Verhalten ge- sprochen werden müssen, welches gegenüber den besprochenen Zu- ständen einzuschlagen ist.

ZWEITES CAPITEL.

Coiicremente und Obstriictionen des Ductus cysticus.

A. Concremente im Cysticus.

Den Ausdruck „Stein im Cysticus" brauche ich nicht immer im wörtlich und buchstäblich anatomischen, sondern mehr im praktischen Sinne, indem ich damit Steine bezeichne, welche nicht mehr die eigent- liche Höhle, sondern den Ausgang der Gallenblase, ihren Hals oder den Blasengang einnehmen. Denn nicht das ist hier wesentlich . dass die Steine 1 oder 2 cm weit von der Höhle weg stecken bleiben, sondern dass sie den Ausweg versperren.

Im Gallenblasenhals und im Cysticus trifft man häufig Concre- mente. Unter den 255 Basler Sectionen von Gallensteinkranken waren 17 (6,7», wo dieses Verhältniss bestand. Schloth (1. c.) fand für Erlangen 16 : 343 Fälle (4,6 o/o).

An solchem casuistischem Material habe ich allmählich 163 Fälle gesammelt, von denen aber der nachfolgenden Besprechung nur 145

Concremente und Obstructionen des Ductus cysticus. 17

ZU Grunde liegen. (Die übrigen habe ich erst kennen gelernt, als dieses Capitel scbon bearbeitet war.)

Sind nun etwa Steine, welche man im Cysticus trifft, auch in diesem entstanden? Aeltere Autoren bejahen wol diese Frage, neuere verneinen sie. Für diese Entstehung in loco würde sprechen, wenn etwa die Concremente einigermassen eine der Lichtung des Canals entsprechende Form hätten, so dass sie als Ausguss desselben gelten könnten. Das war in der That zu- weilen der Fall. 2 Mal sind cylindrische gebogene Concremente im Cysticus gefunden worden (206, Abbildung! 1696); 1 Mal sogar ein schraubenförmig gewundenes (113). Hier kann man freilich auch annehmen, es hätte ein in der Gallenblase gebildetes Concrement sich im Gang eingekeilt und hier erst durch Apposition seinem neuen Be- hälter adaptirt. Diese gleiche Vermuthung darf man hegen, wenn etwa die Blase lauter kleine Steine enthält, während ein viel grös- serer im Cysticus steckt (238. 245. 848. 1716), zumal wenn gar die Calculi an beiden Orten in Form und Farbe sehr differiren (64. 113. 383. 738). Umgekehrt wird man an Entstehung im Canal jeden- falls nicht denken können, wenn (wie in 31 Fällen) gleichzeitig in Blase und Cysticus befindliche Concremente sich in Form, Grösse, Farbe u. s. w. nicht von einander unterscheiden.

Die Regel ist jedenfalls, dass Cysticussteine von der Blase her- gekommen und an ihrem neuen Aufenthaltsort höchstens grösser geworden sind.

Die Grösse der Cysticusconcremente schwankt sehr. Unter 62 Fällen mit entsprechenden Angaben war sie :

Erbsen-, Bohnengrösse 18

Haselnuss-, Kirschengrösse, Fingerdicke . . 26

Mandel-, Muscatnussgrösse 4

Nussgrösse 5

Pflaumengrösse 1

„Gross, voluminös" 8

62

Es überwiegen also hier die haselnussgrossen und noch grösseren etwa um das Dreifache die kleineren. Es wäre übrigens wunderbar, wenn es umgekehrt wäre. Kleine Steine werden eben leichter passi- ren, als grosse; sind sie aber einmal eingeklemmt, so werden sie durch Apposition grösser.

Die Zahl der Concremente war in 132 Fällen mit entspre- chenden Angaben 103 Mal 1; 20 Mal 2 oder mehrere; 9 Mal „viele". In letzteren Fällen war der Canal prall voll und aiifgetriebeu.

Courvoisier, GaUemvege. 2

18 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Unter den 29 Fällen mit multipeln Steinen sind nur 7, in wel- chen die übrigen Gallen wege steinfrei waren (118, 207. 240. 245. 1591. 1714. 1727). In allen übrigen war auch die Gallenblase (21 Mal), oder der Choledochus (8 Mal) , oder der Hepaticus und seine Aeste (8 Mal) mehr oder weniger von Concrementen besetzt. In gewissen Fällen waren alle Canäle und die Blase eigentlich mit solchen voll- gepackt.

Das Verhältniss der Steine zum Cysticus konnte sehr wechseln. Selten lagen dieselben so frei, dass Galle ungestört ein- und ausfliessen konnte (142. 355. 848). Sehr viel häufiger wird mehr oder weniger feste Einkeilung angegeben, in Folge deren der Gang hinter dem Stein sehr erweitert wurde, sich aber auch um letztern fest zusammenzog (14 Fälle), sich allmälig spindelförmig ausbuchtete (7 Fälle), oder ein Divertikel bildete (192), ja sogar mit dem Stein fest verwuchs (8 Fälle). Alle diese secundären Veränder- ungen haben oft genug den Operateuren die grösten Schwierigkeiten für die Extraction der Calculi bereitet. Davon später.

Ein besonders seltsames Verhältnis ist folgendes: Der mehr oder weniger kuglige Stein liegt in einer Erweiterung des Cysticus so, dass er zwar nicht unbeweglich festgehalten wird, aber vor- und rückwärts nur wenig Spielraum hat. Drückt man nun auf den Fundus der vollen Blase, so presst ihr Inhalt den Stein stark in den Gang hinein und lässt ihn als Kugelventil letztern hermetisch verschliessen, so dass kein Tropfen ausfliessen kann. Die Galle vom Hepaticus her kann dagegen noch in die Blase eindringen, so lange in dieser keine grosse Spannung herrscht. Dieses eigenthümliche Verhältnis, wel- ches bei der Genese gewisser Gallenblasenectasien eine Rolle spielt, habe ich selbst 2 Mal bei Cholecystectomien beobachtet (1716. 1730) und auch bei einem analogen Fall von So ein (1728) constatirt.

Folgen der Steine im Cysticus.

Abgesehen von der einfachen Erweiterung des von einem Stein blockirten Cysticus sind die Folgen dieser Obstruction für letztern verschiedenartige. Es kann zu dessen bleibender Obliteration oder zur Ulceration und Perforation kommen. Von diesen Complicationen soll noch die Rede sein.

Die wichtigsten Rückwirkungen der Steinverlegung zeigen sich an der Gallenblase. Hier bespreche ich vorweg die:

Atrophie, Schrumpfung der Gallenblase. Eine solche muss gar nicht immer die directe Folge einer in der Blase selber

Folgen der Steine im Cysticus. 19

beginnenden chronischen Entzündung sein, wie sie im ersten Capitel besprochen worden ist. Vielmehr kann sie ganz direct abhängig sein von der Cysticus- Obstruction, indem ein dort angeregter Entzündungs- process sich rückwärts auf jene fortsetzt. Nun scheint mir, als ob im Ganzen diese Möglichkeit einer Gallenblasenschrumpfung bei Cysticusverlegung viel zu wenig beachtet und als Consequenz der letztern viel zu sehr immer die Gallenblasenectasie hervorgehoben werde. Immerhin haben verschiedene ältere Autoren schon auf jene Möglichkeit aufmerksam gemacht. Sömmering freilich (Blumenb. med. Bibl. 1. c. p. 92) denkt sich den Vorgang wol gar zu einfach. Er besitze ,,ganz kleine, zusammengezogene Gallenblasen, welche keine Galle mehr enthalten, weil durch den verschlossenen Gang keine Galle mehr in sie hinein kann." Cruveilhier dagegen (1. c. Livr. 12 PI. 4) setzt ausführlich auseinander, dass zu solcher Schrumpfung eine eigentliche Entzündung erforderlich sei.

Ich finde nun in meiner Casuistik unter 97 Fällen, in welchen überhaupt entsprechende Notizen vorliegen, 30, in welchen Atrophie der Gallenblase bei Steinverschluss des Cysticus bestand. Daraus . geht hervor, dass man in praxi mit dieser secundären Schrumpfung doch ernstlich rechnen muss.

In 11 von diesen 30 Fällen war die Gallenblase selber steinfrei, sonst aber steinhaltig. Nur in 6 dieser Fälle ist noch von gal- ligem Inhalt neben den Steinen die Kede (81. 142. 158. 356. 525. 533); in allen übrigen fanden sich entweder nur Spuren von Schleim oder wässeriger Flüssigkeit (181. 199. 211. 240. 369) oder gar kein flüs- siges Contentum.

Ectasie der Gallenblase ist eine sehr häufige Folge der Cysticus- Verstopfung. Ich brauche absichtlich vorläufig den unver- fänglichen Ausdruck „Ectasie", welcher eben nur eine Ausdehnung durch Flüssigkeit bezeichnet, ohne die Beschaffenheit der letztern anzugeben. Nicht aUe Schriftsteller thun desgleichen. Im Gegen- theil sprechen manche von „Hydrops" der Gallenblase, als ob Hy- drops und Ectasie synonym wären. Der Ausdruck „Hydrops vesicae felleae" findet sich zuerst bei Fantoni, der bei einem hydropisch gestorbenen Mann die Gallenblase enorm, ihre Wandung von angesammelter Lymphe fast fingerdick, den Cysticus ganz ver= schlössen fand. Heutzutage würden wir dies ein „Oedem" nennen, welche Bezeichnung übrigens schon 1827 Sebastian (1. c. p. 10) vorgeschlagen hat. Wenn aber die Autoren von Gallenblasenhydrops reden, so meinen sie damit gewöhnlich den Zustand, wobei die Blase statt Galle wasserähnlichen Liquor enthält. Dieser Hydrops,

2*

20 Casuistisch- statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

den übrigens manche ältere Beobachter sehr gut schildern (Hart- mann 1687, Fall 206; Wepfer 1695, Fall 233; Ruysch 1721, Fall 227; Hall er 1766, Chambon de Montaux 1789, Fall 185), würde nach damaliger Terminologie unter die „Hydropes saccati" rangirt haben. Sebastian (1. c. p. 9) schlägt dafür den Namen „Hydrocholecystis" vor.

Nun aber hat sich doch sehr bald mit dem Begriff der Wasser- ansammlung überhaupt derjenige von viel Wasser und folglich von einer Ausdehnung der Gallenblase verbunden. Und schon früh hat man den Ausdruck „Hydrops" nicht nur für wässerige, sondern für alle grossen Flüssigkeitsanhäufungen in dem Organ gebraucht, selbst wenn dieselben aus Galle bestanden.

So wünschbar es vom pathologisch -anatomischen, wie vom klini- schen Standpunkt aus wäre, dass man in Zukunft sich hier präciser ausdrückte, so nützlich kann es doch sein, Fälle verschiedener Art zu berücksichtigen, wenn es gilt, die Bedingungen zu erforschen, unter welchen überhaupt bei Cysticus verschluss diese oder jene Flüssigkeiten in der Gallenblase sich vorfinden. Deshalb lege ich der nachfolgenden Besprechung zu Grund:

1. Fälle von Ectasie der Gallenblase bei Stein im Cysticus

a) durch Galle 12

b) = hy dropische Flüssigkeit 79

9l Weil aber analoge Ectasien und Ansammlungen sich bei jeder andern Form von Cysticus- Obstruction bilden können, ziehe ich hier noch herbei:

2. Fälle von Ectasie durch Galle oder Hydrops bei Oblitera- oder Compression des Cysticus 37

Ausgeschlossen sind dagegen hier alle Fälle, in welchen bei Chole- dochus-Occlusion durch Gallenstauung bei offenem Cysticus die Gal- lenblase stark gefüllt war. In solchen Fällen sollte man, wie schon Blot (251) betont hat, niemals von Hydrops reden, weil die Gallen- blase nur gestaute Galle enthält. Ausgeschlossen habe ich ferner einige besondere Fälle, in welchen bei freiem Cysticus die Blase farbloses Wasser beherbergte, aber in Folge von Verschluss des Choledochus eigenthümliche Verhältnisse vorlagen, welche als seltene Ausnahmen gelten müssen (s. unten Cap. IV).

An der Hand obiger 128 Fälle lässt sich etwa Folgendes fest- stellen: Bei Obstruction des Cysticus findet eine allmälige Um- wandlung der zuerst noch in der Blase vorhandenen Galle in wässe- rigen farblosen Liquor statt. Ist der Verschluss unvollständig (848),

Folgen der Steine im Cysticus. 21

SO dringt anfangs noch Galle in jene ein. Kugelventilsteine (vgl. p. 18) gestatten noch den Eintritt, hindern aber den Austritt dieser Galle. Ist der Cysticus aber undurchgängig geworden, dann be- wahrt zwar die angesammelte Galle noch eine Zeit lang ihren Cha- racter, der zwar individuell wechselt. Man trifft sie deshalb dünner oder dicker, heller oder dunkler. Später scheint aber die Consistenz grösser zu werden, etwa wie diejenige zähen, dicken Schleims (73. 124. 200. 254. 369. 587). Auch können sich reichlich Cholestearin- tafeln (124. 125. 180) oder körnige Sedimente (245. 1666) ausschei- den. — Früheren Autoren waren diese abgesperrten Gallenanhäuf- ungen so räthselhaft, dass sie in ihnen die besten Beweise sahen für die Existenz jener hypothetischen, aus der Leber direct in die Gallenblase führenden „Canales laterales" oder „hepato-cystiei", über welche im 17. Jahrhundert so viel gestritten wurde (s. z. B. Re ver- hör st, 1. c. p. 47. Fall 223).

Ein zweites Stadium ist dadurch bezeichnet, dass aus der ab- gesperrten Galle die Resorption specifischer Bestandtheile stattfindet. Chemische Analysen solcher Flüssigkeit sind bis jetzt nur selten vorgenommen worden. Man weiss deshalb nichts Be- stimmtes über die Reihenfolge, in welcher etwa die einzelnen Gallen- bestandtheile aus derselben verschwinden. Möglicherweise ist die- selbe auch nicht immer die gleiche. Thatsächlich hat man hie und da den Liquor noch leicht gelblich oder bräunlich, oder von einzelnen grünen Fäden durchzogen (270) gefunden, während er sonst den Character der Galle verloren hatte. Besonders interessant ist ein Fall von völliger Abschnürung der Gallenblase in 2 Theile bei ob- literirtem Cysticus, wo der Halstheil noch normale Galle, der Fundus- theil schon entfärbten dicken Schleim enthielt (135). In 2 andern Fällen, wo weder Gallenpigment noch Gallensalze mehr existirten, zeigte sich noch etwas Cholestearin (221. 259). Ja ein Mal war letz- teres reichlich crystallinisch in fast farbloser Flüssigkeit ausge- schieden.

Das Endstadium ist der Zustand, wo jede Spur von Gallen- bestandtheilen fehlt und die Galle durch farblose, klare Flüssigkeit „sine ulla flavedine aut amaritie", wie man etwa bei Aelteren liest, ersetzt ist. Ueber den völligen Mangel an Gallen- bestandtheilen scheint übrigens noch Meinungsdifferenz zu herrschen. Wenigstens behauptete Cornil in der Discussion über Labbe's Fall (208), der Hydrops der Gallenblase entbehre nur des Pigments, nicht der Gallensäuren. Im Gegensatz hiezu ist mehrfach ein Ge- halt an Gallensalzen vermisst worden (220. 221. 1530. 1667. 1725).

22 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Auch die Gesammtreaction wechselt, sie war bald alkalisch (205), bald neutral (193), bald säuerlich (208, hier allerdings wol nur mit der Zunge beurtheilt!). Ebenso verschieden ist das specifische Gewicht: 1008 1009, also weniger als bei Normalgalle, in 3 Fällen (260. 1623. 1667), 1040, also mehr als normaliter, in einem Fall (220).

Die Consistenz des hydropischen Inhalts ist gleichfalls sehr variabel. Oft wird von Wasser, doch auch von „Serum" (196. 293. 294. 1599. 1718) oder „Lymphe" (206. 212. 256) gesprochen. Doch viel häufiger scheint es sich um fadenziehende, zähe und nicht selten um eigentlich gallertige Masse gehandelt zu haben, die als „Schleim" bezeichnet oder mit Hühnereiweiss (229. 233. 269. 605), Gummilösung (270), Synovia (183. 201), Sperma (184), Colloid (1530), Leim (73), gekochter Stärke (285. 1562) verglichen wird. Einmal sah sie wie weicher Käse aus (255).

Diese grossen Verschiedenheiten erklären sich nur daraus, dass nach einer gewissen Dauer der Absperrung parallel mit der Re- sorption des Gallenfarbstofifs u. s. w. eine secundäre Veränderung der Flüssigkeit vor sich geht. Die spärlichen Schleimdrüsen der Gallen- blase liefern Mucin oft in ziemlicher Menge (193. 220. 221. 1536), während normale Blasengalle davon ja nur Spuren enthält. Aber ausserdem ist in dem Liquor mehrfach Ei weiss nachgewiesen (193. 220.221.260.605. 1536. 1725). In dem von Neumeister (1. c.) kürzlich beschriebenen Fall, wo Mucin fehlte, Pigment und Galleu- säuren nur in Spuren vorhanden waren, fand sich eine ,,eigenthüm- liche" von allen sonst bekannten Albuminen verschiedene Eiweiss- Substanz. Diese Ei weisse können, wie schon Brügmans 1799 (183) betont, nur von der Blasenwand abgesondert sein. Vermuth- lich handelt es sich dann um entzündliche Ex- und Transsudate, die sich der Flüssigkeit beimengen.

Nicht unerwähnt darf hier bleiben, dass hie und da letztere blutig war. Einmal handelte es sich um frisch ergossenes Blut in einem Fall von krebsiger Umwachsung des Blasenhalses (214). Ein andres Mal war der schleimige Inhalt leicht röthlich gefärbt (361). In 3 Fällen sah die Flüssigkeit wie dunkler Kaffee (263) oder Cho- colade (118. 1721) aus, enthielt also verändertes Blut.

Die Menge des die Gallenblase füllenden Hydrops und damit die Grösse des Organs kann ebenfalls sehr wechseln. Auf der einen Seite sind viele Fälle beschrieben, wo die Blase ge- schrumpft war und nur wenige Tropfen Schleim enthielt. In man- chen Fällen dagegen war sie bedeutend erweitert. Hier wäre die wichtige Frage zu erörtern, wie gross überhaupt die Capacität

Folgen der Steine im Cysticus. 23

der Gallenblase sei. Hierüber ist meines Wissens nur von Du- riau (1. c. p. 56) experimentirt worden. Es gelang ihm bei lang- samer Injection bis 15 Pfund Talg in das Organ einzutreiben und dasselbe bis ins kleine Becken und weit über die Medianlinie aus- zudehnen ! Wenn nun einzelne Beobachter die Gallenblase „mirum in modum distentam" (300), oder „ad crepaturam extensam" (232) fanden und einzelne Neuere dazu ganz erstaunliche Gewichts- und Volumziffern liefern, so darf man sich nicht vorstellen, dass in sol- chen Fällen stets einfache Dilatation der Blase bestanden habe. Es wird später bei den Gallenblasenempyemen und -Verletzungen zu zeigen sein, dass mehrfach scheinbar innerhalb des Organs enthaltene Ansammlungen in Wirklichkeit zum Theil in neugebildeten Räumen der Umgebung sich befunden haben. Das war z. B. wohl auch der Fall bei der berühmten, mit und ohne Quellenangabe viel citirten Beobachtung von Yonge (263). Ein vermeintlicher Ascites lieferte bei 16 Functionen zusammen 21 41/2 Pints Flüssigkeit. Bei der Section fand sich die „Gallenblase" von 10 Pfund Hydrops dilatirt, die Leber durch dieselbe auseinander getrieben, ein Theil vor, ein andrer hinter ihr. Ein Ausführungsgang fehlte durchaus. Es bestanden massen- hafte Adhäsionen mit der Nachbarschaft. Höchst wahrscheinlich hat sich durch diese Adhäsionen ein cystischer Raum abgekapselt, par- tiell in Verbindung mit der Gallenblase.

Die grösten bei Steinverlegung des Cysticus vorkommenden Ectasien der Blase sind faustgross (14 Fälle), kindskopfgross (7 Fälle), ausnahmsweise noch bedeutender. Das Organ hing z. B. tiefer als die Nabelhorizontale, vielleicht sogar bis zum kleinen Becken herab (12 Fälle). Ich selbst habe 2 Mal bei Operationen ganz gewaltige Dilatationen getroffen, wie ich sie damals kaum für möglich gehalten hätte, das eine Mal bei meiner ersten Cholecystotomie eine flaschen- grosse (1685), das andre Mal bei meiner zweiten Cholecystectomie eine mehr als kindskopfgrosse (1730).

Eine hydropische Gallenblase kann verschiedene Configura- tionen annehmen. Im Allgemeinen dehnt sie sich wohl nach allen Richtungen gleichmässig aus, bleibt also ihrer typischen Birnform treu (vgl. Abbildungen bei Graz 191, Cruveilhier 192, Ruysch 227, Leb er t 260). Ausnahmsweise wird sie mehr oder weniger kuglig (1730). Ist nun ein gewisser Grad der Dilatation erreicht, so scheint gewöhnlich das weitere Wachsthum mehr in der Längenrichtung vor sich zu gehen. Zuletzt gleicht das Ganze einer enormen, zuweilen etwas gekrümmten Gurke, welche dicht unter den Bauchdecken abwärts sich verlängernd mit abgerundeter Kuppe endet. Der classi-

24 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

sehe Vergleich mit der Gurke stammt von J. L. Petit (314) und ist vop Raymond bei der Beschreibung eines typischen Falls (222) wiederholt worden (vgl. Abbildungen bei Albers 177. 607, Graz 683, Schieffer 701, Präparate zu 237. 264. 320).

Beizufügen ist, dass zuweilen die erweiterte Blase nicht direct nach unten steigt, sondern nach anderen Richtungen sich verlängert oder verbreitert. Freilich spielen dabei oft Verlöthungen mit Neben- organen eine bestimmende Rolle. So in meinem Fall 1730, wo die Blase median lag. Wenn aber Taylor (1. c. p. 737) es als patho- gnomonisch bezeichnet, dass die letztre bei ihrer Vergrösserung nicht direct abwärts, sondern in einer vom Ende des zehnten Rippen- knorpels zur Mittellinie laufenden und diese etwas unterhalb des Nabels schneidenden Diagonale sich ausdehne, so kann ich der Ver- allgemeinerung dieser Angabe nicht beitreten. Trotz der grossen Zahl von mir gesammelter und der ziemlichen Zahl von mir in praxi beobachteter Fälle von Ectasie der Gallenblase habe ich ausser Taylor's eignem Fall (1588) nur noch 2 analoge von Brown (1149. Abbildung) und Kocher (1745. Abbildung) auftreiben können, wo jene Schiefrichtung deutlich war.

Neben dem Hydrops vesicae felleae wären als directe Folgen der Cysticusverstopfung durch Concremente noch anzuführen das Empyem der Gallenblase und die ulcerativen Perfora- tionen der letztern wie des Cysticus selber. Diese Zu- stände sollen aber in besondern Capiteln besprochen werden.

B. Weitere Obstrnctlonen des Cysticus.

Nur mehr anhangsweise, entsprechend ihrer grössern Seltenheit, bespreche ich hier die übrigen Formen der Cysticus-Obstruction.

Hier wäre zuerst zu erwähnen der einzig dastehende Fall von Rösch (262), wo ein „Fungus medullaris im Cysticus'* sitzend eine starke Gallenectasie der Blase bewirkt hatte.

Sodann die Verlegungen durch Echinococcen-Hydatiden, von welchen 4 Fälle (272 bis 275) mir bekannt sind, welche im Ein- zelnen ziemlich differiren, aber alle das gemeinsam haben, dass die Gallenblase dabei zum Theil durch Verschluss des Blasengangs, zum Theil durch Anfüllung mit Hydatiden bedeutend ausgedehnt war. Dieselbe wog in einem Falle 4—5 Pfund (273) und fasste in einem andern (274) 16 Quarts, also circa 7 Liter.

Ascariden im Cysticus und in der Gallenblase sind 7 Mal beobachtet (276 bis 282j. Die Beschreibungen, aus den Jahren

Folgen der Steine im Cysticus. 25

1765 1827 stammend, sind alle mangelhaft. 2 Mal war die Blase von Galle (276. 281), 1 Mal von weisslichem Schleim (282) ausgedehnt. In einem Fall hatte sich aus einer Gallenblasenfistel unter dem Rippenbogen ein langer Wurm entleert (279), ob aber der letztere den Abscess verursacht, oder nur die Fistel als Ausweg aus den Gallen- gängen, in die er sich verirrt hatte, benützt hat, ist zweifelhaft.

Von Obliterationen des Cysticus kenne ich 50 Fälle. Dieselben differiren hinsichtlich ihrer Aetiologie sehr. Zunächst sind darunter 6, bei welchen es sich um einen congenitalen, d. h. intrauterin entstandenen diffusen cholangitischen Process (vielleicht syphilitischen Ursprungs) gehandelt hat (247. 248. 396. 587 bis 589). Diese Fälle interessiren hier weniger. In allen übrigen lagen acquirirte Veränderungen zu Grunde, die aber 5 Mal ganz unklar sind (246. 249. 250. 253. 265). In 7 Fällen waren überhaupt alle grossen Gänge obliterirt, in 5 anderen bei Carcinom der Leberpforte speciell durch entzündliche Reizung der Cysticus allein verlöthet, in einem der letztere durch carcinomatöse Wandinfiltration vom Duodenum her verschlossen (259). Bei einer Gruppe von 21 Fällen bildete die Obliteration des Blasengangs nur eine *Theilerscheinung gleich- zeitiger (und wohl primärer) Cholecystitis chronica in Folge von Cholelithiasis ; die Gallenblase war bald geschrumpft (9 Fälle), bald hypertrophisch (6 Fälle), bald verkalkt (3 Fälle), bald von Pericystitis betroffen (5 Fälle). Mehrmals schloss sich die Obstruction des Canals an Empyema vesicae felleae (731. 733. 764) oder an ulcera- tive Perforationen zwischen Gallenblase und Duodenum (918. 931. 948. 970) oder Colon (986) an (oder sie war vielleicht hier auch ge- legentlich mit schuld an der Eiterung und Verseh wärung!). In 3 Fällen könnte auch der Typhus, dem die Patienten erlagen, zuerst zu catarrhalischer Entzündung der Gallenwege und secundär zu der Verwachsung des Cysticus geführt haben (257. 260. 261).

Compression des Ganges von aussen hat 7 Mal zu seiner Occlusion Anlass gegeben. Die Compression wurde ausgeübt ent- weder durch krebsige Tumoren der Porta (266. 653. 1743) oder der Lebersubstanz (268. 269), oder durch geschwollene Lymphdrüsen bei Typhus (267) und Cholera (270).

Hieran schliesst sich die eigenthümliche Beobachtung von In- tussusception im Bereich des Cysticus durch Job a Mee- k'ren (830). Der 6jährige Knabe, der schon mehrere Monate an einem Ellbogenabscess gelitten hatte, starb „novo morbo correptus" plötzlich unter heftigen Schmerzen in Leber- und Nabelgegend. Die Section ergab freie Galle im Bauch und diffuse Peritonitis, die Gallen-

26 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

blase leer, eingerissen. „Accedebat ductus cholydocbi (nach der sehr guten Abbildung war es aber der Cysticus!), mox sub vesicae cervice, intussusceptis similis omnino illi, quae in intestinis reperiri solet, ubi pars una alteram ingreditur."

Weiter ist hier anzuführen die merkwürdige Beobachtung Treu- ner's (271). Bei einer nach langem Leiden unter intensiven Ver- dauungsstörungen gestorbenen Frau fand sich die Gallenblase an ihrem Hals mit dem Colon durch eine Membran verwachsen, deren Anspannung bei stärkerer Füllung des Darms jeweilen Abknickung der Blase und Behinderung des Gallenabflusses bewirkt zu haben schien.

Hier ist auch der in Weisker's schöner Arbeit (1. c.) zum ersten Mal glaubwürdig dargestellten Möglichkeit zu gedenken, dass bei Nierendislocationen (Wanderniere), sowie bei Nierenvergrösse- rungen (Hydro- und Pyonephrose) gelegentlich ein Zug seitens der von ihm sogenannten „Nierenbänder" sich auf das mit letztern zu- sammenhängende Ligamentum hepato-duodenale fortsetzen und Knick- ungen des in diesem verlaufenden Cysticus und selbst des Chole- dochus provociren könnte. Weisker durchgeht die neuere Literatur und zeigt aus derselben, wie häufig jene Nierenleiden mit Hydrops, Empyem oder wenigstens Concrementen der Gallenblase gleichzeitig vorkämen. Seine Erörterung gipfelt in dem Satz, dass häufig bei gleichzeitiger Erkrankung der Gallenblase und der rechten Niere letz- tere als Ursache der erstem aufzufassen sei (S. 278). Der Eindruck der genannten Arbeit ist bei mir ein nachhaltiger. Doch bin ich nicht im Stand wesentlich Neues zur Entscheidung der Frage bei- zubringen. Immerhin will ich nicht versäumen folgende eigne Be- obachtung hier einzufügen: Juli 1889 habe ich bei einem hiesigen Lehrer, der seit langen Jahren an rechtseitiger Wanderniere und zugleich an heftigen und häufigen Gallensteinkoliken litt, und bei dem ich sogar kurze Zeit in der Diagnose zwischen Wanderniere und Gallenblasenectasie schwankte, die Nierenanheftung nach Hahn ausgeführt. Seit der glücklich gelungenen Operation ist Patient von allen Beschwerden, auch seitens der Gallenblase, völlig befreit!

Ein Krankheitsbild des Cysticusverschlusses zu zeich- nen, ist keine ganz leichte Sache. Erfolgt derselbe (wie z. B. durch acute Steineinklemmung oder durch Einkriechen einer Ascaris) plötz- lich, so wird er andere Erscheinungen machen, als wenn er auf dem langsamen Weg einer Obliteration entsteht.

Der Symptomencomplex, wie er im erstem Falle sich ergiebt,

Folgen der Steine im Cysticus. 27

ist bekannt. Jeder Anfall von Cholelithiasis, den wir ja häufig ge- nug beobachten können, malt uns denselben vor Augen. Ihn aus- führlich zu schildern, betrachte ich nicht als meine Aufgabe. Nur einzelne Merkmale seien hervorgehoben. Lawson Tait hat (Lancet 1885. July 4) betont, dass Gallensteine im Cysticus viel heftigere Erscheinungen hervorriefen, als im Choledochus. Dies rühre daher, dass jener Gang viel enger sei, als dieser. Ich weiss nun nicht, ob die Beobachtung Tait 's mit einer allgemeinen Erfahrung stimmt. Dagegen haben Oehme's genaue neuere Messungen (1. c. p. 127) gelehrt, dass der Choledochus nur in seinem hepatischen Theil wesent- lich weiter ist (3V2 nim) als der Cysticus (13/4 mm), in seinem inte- stinalen Theil dagegen fast gleich eng (2 mm). Die schiefe Richtung dieser Pars intestinalis durch die Duodenalwand hindurch ist aber ihrer Erweiterung beim Durchgang von Steinen sehr hinderlich. Als Frucht meiner Studien theile ich ferner mit, dass auf 9 Fälle, in welchen der Tod durch Collaps mitten im Gallensteinanfall erfolgt ist, der betreffende Stein 6 Mal im Choledochus und zwar in dessen Mitte 2 Mal (452. 508), in dessen Duodenaltheil 4 Mal (453. 459. 475. 526) eingekeilt gefunden wurde; im siebenten Fall (525) alle Ab- schnitte des Systems viele Calculi enthielten; im achten Fall (209) ein grosser Stein die Gallenblase einnahm, der Cysticus leer war; im neunten Fall (194) keine Section gemacht wurde. Diese Beob- achtungen, die einzigen mir bekannten, wo Patienten gleichsam im Anfall obducirt wurden, sprechen nicht zu Gunsten Tait 's.

Weiter möchte ich hier urgiren die Plötzlichkeit, womit sich während eines Gallensteinanfalls mitunter eine Gallen- blasenectasie entwickelt, lange ehe es zu Choledochusverschluss, Icterus etc. seitens des durchwandernden Steins kommt. Ich habe selbst 2 solche Fälle beobachtet (189. 190). Hier kann wohl nur eine acute seröse Transsudation die oft beträchtliche Schwellung des Organs bedingen.

Bei den allmälig entstehenden Cysticusobstructio- nen sind nun greifbare Veränderungen zum Voraus nicht zu erwarten, sobald Schrumpfung der Gallenblase vor- handen ist. Wie häufig aber diese vorkommt, habe ich oben (p. 19) gezeigt.

Anders stellt sich die Sache, sobald die Gallenblase aus- dehnungsfähig ist. Dann wird eben zu der zufällig noch in ihr vorhandenen Galle die bekannte serös-schleimige Ausschwitzung sich hinzugesellen und bald wird das dilatirte Organ als Tumor fühlbar sein, und zwar in der Regel in der typischen Gallenblasen-

28 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

gegend unter dem Rippenbogen, oder bei starker Vergrösserung recbts neben dem Nabel (1682. 1741), selten und nur bei eigenthüm- licher Verschiebung im Epigastrium (1649), median am Nabel (1730), oder gar, wie in Raymond's -merkwürdigem Fall (222) links von der L. alba unter dem linken Leberlappen.

Dieser Gallenblasentumor kann in der Grösse eines Hühnereis (1591. 1647. 1741), eines Gänseeis (1599. 1738), einer Orange (1623. 1629. 1727), einer Niere (1530), einer Faust (1529. 1716), eines Kinds- kopfs (258. 1611. 1685. 1730) palpirt werden. Th. Bonnet (284) soll bei einem Kaiserschnitt die Gallenblase so gross gefunden haben, dass die Assistenten an ein zweites Kind glaubten. Die Form des Tumors pflegt klinisch die gleiche zu sein, wie sie sich ana- tomisch präsentirt, meist also länglich-birnförmig oder gurkenähnlich, selten kuglig (1730) oder bohnen-, nierenförmig (1547. 1682. 1745). Die Oberfläche ist meist als glatt, nur IMal (1647) als höckerig bezeichnet. Die Consistenz heisst eben so oft fest, hart, ela- stisch, wie fluctuirend. 2 Mal waren im Innern deutlich Gallensteine fühlbar (1716. 1738). Druckempfindlichkeit oder Schmerz bei Verschiebung bestand öfters (258. 1562. 1591. 1629. 1730. 1732. 1741).

Von diagnostischer Wichtigkeit sind die Beziehungen, in welchen die Geschwulst zu ihrer Nachbarschaft steht. Ge- wöhnlich konnte bei einiger Aufmerksamkeit ein bestimmter Zu- sammenhang mit der Leber und ein Mitgehen mit dieser bei den Athemexcursionen nachgewiesen werden, oft geradezu ein unter die Leber gehender Stiel (1529. 1649. 1716). Einmal war die ectatische Blase mit einer Wanderniere so verwachsen, dass sie für ein aus letzterer hervorgegangenes Neoplasma gehalten wurde (1735). An der Bauchwand adhärent war die ein- fach hydropische Gallenblase nur 1 Mal (1647). Hie und da schien jede Verbindung mit Leber oder Niere oder Bauchwand zu fehlen. Rings um den Tumor war tympanitischer Schall zu percutiren (1529. 1681. 1730). Mehrmals hat auch die gar grosse Verschieblichkeit, welche nicht nur die gewöhnliche seitliche Pendelbewegung der Ge- schwulstkuppe um ihren Stiel, sondern eine Dislocation bis über die Mittellinie gestattete (222. 1562. 1586. 1623. 1649. 1682. 1732) die Er- kenntnis erschwert.

Weitere Schwierigkeiten erwuchsen zuweilen aus der wech- selnden Grösse des Organs. Dieser Wechsel kann durch ver- schiedene Momente bedingt sein. Gelegentlieh kommt ein Zustand vor, der als intermittir ender Hydrops bezeichnet werden kann.

Folgen der Steine im Cysticus. 29

Die Blase entleert zuweilen einen Theil ihres Inhalts, collabirt aber nicht ganz und füllt sich bald wieder. So war es bei 2 Patienten von Tait (1565. 15S6) und bei einer der meinigen (1716). In allen 3 Fällen fanden sich bei der Operation grosse Steine im Cysticus; in dem meiuigen ein classischer Kugelventilstein. Offenbar konnte zu gewissen Zeiten der flüssige Inhalt zum Theil neben dem Hinder- nis abfliessen; später sammelte er sich wieder durch neue Trans- sudation. Eine ganz ähnliche Intermittenz kann natürlich ent- stehen, wenn successiv mehrere Steine den Cysticus passiren, und hinter jedem wieder eine vorübergehende Anschwellung der Blase entsteht (pag. 27). Und wiederum ähnlich wird letztere sich prä- sentiren, wenn Cholelithen im Ductus communis wiederholt sich einklemmen, hinter ihnen die Gallenstauung die Blase auftreibt und nach ihrem Durchgang wieder Alles zur Norm zurückkehrt (347. 498. 528). Endlich giebt es noch eine Intermittenz, welche auf Lähmung der Gallenblase beruht. Goldwitz erwähnt (1. c. p. 87), dass gelegentlich „der Gallenblase das geschieht, was nach Galen' s Vergleich der Urinblase widerfährt, wenn der Urin zu lange in ihr zurückgehalten wird, sie wird nämlich wie gelähmt". Von dieser Paralyse hat schon J. L. Petit ein classisches Beispiel (312) mit- getheilt. Im Stehen des Patienten füllte sich allmälig die Gallen- blase an; im Liegen oder auch bei Händedruck auf ihren Fundus entleerte sie sich. Es bestand in Folge von früherer Ueberspannung eine Functionsunfähigkeit der Musculatur. Auf die jeweiligen Ent- leerungen folgten gallige Stühle. Cyr (288) sah einen ähnlichen Fall. Auch in einem operativen Fall von Lücke (1538) wurde, allerdings bei einem Empyem, diese Diagnose auf Lähmung des Organs gestellt. Es dürfte in praxi nicht leicht sein, diese ver- schiedenen intermittirenden Gallenblasenschwellungen auseinander zu halten. Fehlen der Gelbsucht würde aber mit gröster Wahrschein- lichkeit auf diejenige Form deuten, welche durch unvollkommene Steinobstruction des Cysticus hervorgerufen wird.

Bei der Unterscheidung eines stabilen Hydrops vesi- cae felleae gegenüber andern Geschwülsten der Leber und der Gallenblase kommen verschiedene Möglichkeiten in Be- tracht. — Verwechslungen mit einem Leb er schnür läppen (1728) und einem „Leb er tum or" (1530) sind vorgekommen. Umgekehrt könnte in Fällen, wie sie Frerichs Cl. c. Bd. I. p. 48. Fig. 8; p. 49. Fig. 9) abbildet, leicht ein ungewöhnlicher Leberlappen für eine Gallenblase gehalten werden. Vollends eine harte Probe hätte die Diagnose zu bestehen, wenn, wie in einem andern Frerichs 'sehen

30 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Fall (Bd. IL p. 236. Fig. 14) neben einander die vergrösserte Gallen- blase und eine beutelartige Hydatide unter der Leber hervorkommen. Ebenso, wenn, wie in einem Falle vonTrousseau (Med. Klinik. Bd. 3, p. 191) ein kugiig prominirender, abnormer mittlerer Leberlappen vor- handen ist. Hier ist auch der von Riedel (1. c. Nr. 29 und 30) beschriebene „zungen förmige Fortsatz des rechten Leb er - lappens'* zu besprechen. Derselbe soll der natürliche und regel- mässige Begleiter der Cholelithiasis und überhaupt der Gallenblasen- erkrankungen sein, welche mitVergrösserung des Organs einhergehen. Der Fortsatz ist nach Riedel (p. 581) bald wirklich zungenförmig lang und schmal, bald aber breit. Mit Schnürlappen hat er nichts zu thun, entsteht vielmehr dadurch, dass bei Anschwellung der stein- haltigen Gallenblase „die an umschriebener Stelle verwachsene Leber- substanz mitgezogen wird. Sie folgt ihrem Zug und schrumpft wieder ein, wenn jene kleiner wird etc." Ich habe seit dem Erscheinen von Riedel's lehrreicher und wichtiger Arbeit bei andern Schrift- stellern und in der eigenen Casuistik nach Fällen gefahndet, welche etwa zur Bestätigung seiner Angaben hätten dienen können, bedaure aber sehr, nichts Wesentliches zur Entscheidung beitragen zu können. Einzelne publicirte Fälle (447. 1558. 1622. 1675. 1724) lassen zwar die Deutung zu, es habe sich bei denselben um eine der Riedei- schen ähnliche Lebervergrösserung gehandelt. In 2 andern Fällen werden die lappenähnlichen Leberfortsätze, welche die Gallenblase deckten, geradezu als „Schnürlappen" bezeichnet (1689. 1696). Ich selber habe nur 1 Mal etwas beobachtet, was der Schilderung von Riedel einigermassen entspricht, nämlich eine breite blattartige Ausziehung des die Gallenblase deckenden Lebertheils (1730). An- drerseits kenne ich einen Fall, wo ich als Consiliarius beigezogen worden war, und wo nach dem Erscheinen von Riedel's Arbeit der behandelnde Arzt durch das Vorhandensein eines exquisiten zungenförmigen Leberlappens sich zur Laparotomie verleiten Hess. Die Gallenblase war aber absolut normal. Seither bin ich in der Beurtheilung des Riedel 'sehen Fortsatzes sehr vorsichtig geworden.

Von der Diagnose des Hydrops gegenüber dem Empyem und dem Carcinom der Gallenblase soll später in den ent- sprechenden Capiteln die Rede sein. In Betreff der einfachen Ectasie durch Gallenstauung vergleiche das Capitel über Choledochus- Obstruction.

Verwechslungen mit Anschwellungen andrer Or- gane können leicht begangen werden. Am häufigsten hat man die hydropische (1530. 1547. 1682. 1735. 1745) oder auch die freie empye-

Folgen der Steine im Cysticus. 31

matöse Gallenblase (1539. 1572. 1617) mit Wanderniere verwech- selt. In Riede l's Fall 1547 hatte noch die blossgelegte Gallenblase täuschende Nierenform ! Umgekehrt habe ich in einem Fall zuerst sicher an Vergrösserung der Gallenblase geglaubt, wo später zweifel- los Wanderniere sich ergab. In andern Fällen ist, zumal bei starker Dislocation der Blase an Netztumor (1583. 1730), sonst wol an Colongeschwulst (1647), an Pyloruskrebs (1682), bei tiefem Herabsteigen an Ovarialtumoren (1528. 1589) gedacht worden. Im Ganzen sind unter 27 durch Operation festgestellten hydropischen Anschwellungen der Gallenblase 8 unrichtig und 2 gar nicht diagnosticirt worden.

Schliesslich glaube ich, dass man zu einer sichern Diagnose kommen kann, wenn man folgende anamnestische und klinische Mo- mente zur Verfügung hat: Vorausgegangene Cholelithiasis- Anfälle; sodann langsame Entstehung eines Tumors an der Stelle der Gallenblase, der sich unter den Leberrand verfolgen lässt, dicht hinter der Bauchwand liegt, nach unten eine mehr oder weniger kuglige, freie Convexität mit glatter Oberfläche zeigt, derb ist oder fluctuirt, an sich nicht empfind- lich ist, sich nicht (wie eine Wanderniere) unter die Leber reponiren lässt, nach beiden Seiten pendelnd um seine obere Insertion verschoben werden kann und bei der Athmung auf- und absteigt. Gleiche Erscheinungen bei entschiedener Druckempfindlichkeit und gleichzeitigem Fieber, eventuell Verwachs- ung mit der Bauchwand würden eher für Empyem sprechen ; höcke- rige Oberfläche des Tumors und der benachbarten Leber dagegen eher für ein Carcinom der Gallenblase. Sind aber alle Symptome eines Hydrops vorhanden, während gleichzeitig von Anfang an Icterus besteht, so ist zunächst an Choledochusverschluss mit secundärer Stauungsectasie der Gallenblase zu denken.

Es ist aber abgesehen von solchen relativ einfachen und klaren Fällen überdies rathsam, jeden im rechten Hypochondrium oder Mesogastrium, selbst jeden im Epigastrium oder in der Nabelgegend auftauchenden Tumor mit aller Sorgfalt darauf zu untersuchen, ob er nicht mit der Leber in Verbindung stehe und möglicherweise seinen Ausgangspunkt in der Gallenblase habe!

Ueber die Therapie der Cysticus-Obstruction fasse ich mich hier kurz, indem ich auf deren Darstellung im zweiten Theil dieser Arbeit verweise.

Der Indicatio causalis ist wohl nur bei Steinocclusion zu ge-

32 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

nügen. Strictur, Obliteration, Compression durcli einen Tumor dürfte nicht direct zu beseitigen sein. Aber auch bei Steinverschluss, welcher bleibend ist, kann nur eine Operation helfen, welche den Stein wegräumt.

Radicale Operationen dieser Art sind:

1. Die indirecte Lithothripsie der Cholelithen durch die Cjsticuswand hindurch. Dieser zuerst von L. Tait vorgeschlagene und 3 Mal ausgeführte Eingriff (vgl. solche Operationen II Theil) könnte freilich nur glücklich ablaufen, wenn die Steintrümmer von der er- öffneten Gallenblase aus sofort extrahirt würden. Sonst könnten letztere entweder in die Gallenblase zurückgeschwemmt oder später im Choledochus festgekeilt werden. Bis jetzt ist denn auch diese Cholelithothripsie stets nur in Verbindung mit einer Cholecystotomie vorgenommen worden (1580. 1586. 1598. 1756).

2. Die Excision von Concrementen aus dem Cysticus mit nachfolgender Naht der Oeffnung ist bis jetzt noch nie ausgeführt, wäre aber ganz am Platz in Fällen, wo kein Grund vorläge die Gallenblase zu incidiren. Nach meinen Erfahrungen mit der Choledocho-Lithectomie dürfte diese Methode auch am Cysticus ge- lingen.

3. Die Cholecystectomie. Sie ist durch Steinobstruction als solche wol nie indicirt, es sei denn, dass diese zu starker ent- zündlicher Veränderung der Gallenblasenwand geführt hätte. Und doch halte ich dafür, dass bei langdauernder cholelithischer Ver- legung des Gangs am besten die Gallenblase exstirpirt wird. Die- selbe ist ja doch längst ihrer eigentlichen Function enthoben. Der Patient ist an den Ausfall des Organs völlig gewöhnt. Nimmt man den Stein weg und lässt die Blase zurück, so kann die letztere neue Concremente bilden. Dem hilft die Exstirpation gründlich ab.

Was die übrigen Cysticus- Verschlüsse betrifft, so kommt hier angesichts der Unmöglichkeit ihrer directen Beseitigung vor Allem die Cholecystectomie in Betracht. Das bereits ausgeschaltete Organ zu entfernen, hat hier einen guten Sinn und verspricht völlige Hei- lung. — Wer aber sich zu dieser Operation nicht entschliessen kann, der wird wenigstens

4. die Cholecystostomie, die Eröffnung mit nachfolgender Einnähung der Gallenblase in die Bauchwand als berechtigt an- erkennen müssen. Diese Operation (und zwar nach dem Verfahren, welches man als das „natürliche" bezeichnet) ist auch stets an- gezeigt, sobald in solchen Fällen die Cholecystectomie sich als un- ausführbar erweist (bei starken Adhäsionen!). Aber ihr grosser Nach-

Concremente und Obstructionen des Ductus hepaticus. 33

theil ist, dass sie die Bildung einer durch längere Zeit schleimig oder eiterig secernirenden Fistel zur Folge hat (s. die Fälle: 1529. 1543. 1583. 1587. 1591. 1665. 1667).

Gegentiber allen diesen Operationen kommt der gelegentlich ge- übten Function der hydropisch ausgedehnten Gallen- blase nur die Bedeutung eines sehr zweifelhaften Palliativum zu. Ich habe nicht einen einzigen Fall ausfindig machen können, wo durch Function bei Hydrops Heilung erzielt worden wäre. [Die oft citirten Fälle Benson 283 und Er d mann 289 betreffen colossale, nicht sicher in der Gallenblase allein befindliche Gallenansammlungen bei muthmasslich offenem Cysticus! Im berühmten, oben schon (p. 23) erwähnten Fall Yonge 263 konnten die Functionen nur kurz dauernde Besserungen erzwingen und den Tod nicht verhüten.] Jedenfalls sollte also von Functionen und Aspirationen nur zu dia- gnostischen Zwecken und auch da nur mit aller Vorsicht Ge- brauch gemacht werden. Denn die Möglichkeit, dass durch die Stichöffnung der Inhalt der Gallenblase in die Bauchhöhle gerathen und Feritonitis machen könnte, ist nicht zu leugnen. Reine Galle oder einfacher Hydrops könnte zwar weniger gefährlich sein. Aber nicht immer kann man eben die Diagnose mit Sicherheit stellen und Eiter oder sogar Jauche ausschliessen! (Vgl. übrigens: Explorativ- punction Cap. III. A. im zweiten Theil!)

DEITTES CAPITEL.

Concremente und Obstructionen des Ductus liei)aticus.

A. Concremente in Leber und Lebergallengängen.

Die Frage, ob ausser der Gallenblase auch die Leber als Bil- dungsstätte von Concrementen zu betrachten sei, bietet nicht nur academisches, sondern hohes practisches Interesse.

Es sind Fälle publicirt, wo angeblich in der solidenLeber- substanz, d. h. nicht in den Gängen und nicht in oder dicht unter der Serosa Steine sassen. Ich kenne 8 solche Fälle, meist aus älterer Zeit und gewöhnlich dürftig beschrieben (322—329). Car- danus 1557 spricht von einem mehr als olivenkerngrossen „lapis" grünschwarzer Färbung, der „juxta felis vesicam in jecore inventus est". (Vielleicht ein aus der Gallenblase in die Leber hinein ulce- rirter Stein? Vgl. Fistein der Gallenwege Cap. VI. A.). Matthiolus

Courvoisier, Gallenwege. 3

34 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

1598 (326), Renodaeus 1608 (328), Walter 1796 (329) fanden Concremente „in der Leber" selbst, vielleicht aber doch in deren Canälen! Mit voller Bestimmtheit als ausser aller Verbindung mit diesen stehend bezeichnet Kentmann 1565 (325. Abbildung) 3 grosse, zackige weiche Steine, Blasius 1677 (323. Abbildung) ein schneckenförmiges in einem Leberabscess mit skirrhöser Wan- dung getroffenes Exemplar, Bianchi 1725 (322) mehr als 30 durch die ganze solide Lebermasse zerstreute Concremente, „extra vasa degentes". Endlich gehört hierher Pierquin's oft citirter Fall (1847: 327), wo 2 taubenei- und mandelgrosse Steine in geschlos- senen dickwandigen Cysten mitten in der Leber steckten. Es ist schwer zu sagen, ob es sich hier jeweilen um richtige Cholelithen, oder zum Theil etwa nur um kalkige Ablagerungen gehandelt habe.

Andere Lebersteine sassen in oder unmittelbar unter der Kapsel. Auch diese Beobachtungen sind meist älteren Datums (88; 330 bis 340; 1269). Bartholin 1657 (330) fand bei einer asci- tisch gestorbenen Matrone 2 „tumores saxeos dependentes a suspen- sorio hepatis", 12 und 16 Pfund schwer; im Uterus zugleich einen 4pfündigen Stein (verkalktes Myom?); Sorbait 1671 (336) ein an den „tunicis" der Leber hängendes gänseigrosses , concentrisch ge- schichtetes Concrement. Viel kleiner waren die übrigen Exemplare, welche, meist von unregelmässiger Form und offenbar gewöhnlich aus Kalk gebildet, entweder am Spiegel'schen Lappen (339), oder am vor- deren Rande (333. 337), oder, theils in der Einzahl (334. 1269), theils zu zweit (335. 338. 340) , theils in grosser Zahl (88) auf der Con- vexität der Leber sassen. Bei 2 Fällen kann man sich kaum des Gedankens erwehren, dass es sich um Abschnürungen der steinhal- tigen Gallenblase gehandelt habe. Benivenius 1528 (331) beschreibt 2 Mal einen vom „panniculus, quo contegitur hepar", herunterhän- genden „folliculus" voller Steine, während ein solcher in der Gallen- blase war. Greisel 1670 (332) löste bei einer verstorbenen Gra- vida von kleinem Bauchschnitt aus während einer oberflächlichen Autopsie eine am vorderen Leberrand sitzende glattwandige Cyste, welche klebrige, schwarze Flüssigkeit und einen wie Salpeter glän- zenden, hartrindigen, hühnereigrossen Stein enthielt.

Fälle der zwei genannten Kategorien könnten, so selten sie ge- wiss auch sind, gelegentlich in diflferentiell diagnostischer Hinsicht für den Chirurgen wichtig werden. Besonders schwierig müsste es werden, zwischen den in den letzten Fällen beschriebenen und den in der Gallenblase selber sitzenden Concrementen in vivo zu unter- scheiden.

Concremente und Obstructionen des Ductus liepaticus. 35

Das Vorkommen von Cholelithen im Ductus hepaticus und seinen Aesten wird vielfach von den Schriftstellern theils unter-, theils überschätzt. Es ist aber nothwendig, sich über deren Frequenz ein klares Bild zu machen. Am sichersten könnte dies geschehen, wenn von vielen Seiten zuverlässige Mittheilungen über grosse Serien von Sectionsbefunden geliefert würden. Bis jetzt be- sitzen wir deren wenige. Thiriar (1. c. p. 222) berichtet, dass auf 6000 Sectionsprotokolle der Brüsseler Spitäler nicht ein einziger Fall von Concrement im Hepaticus oder Choledochus komme; dass ferner die 1857 gegründeten Annalen der anatomisch-pathologischen Gesell- schaft in Brüssel nur einen Fall verzeichnen, wo bei Obstruction des Choledochus der ganze Hepaticusbaum massenhafte Calculi enthalten habe. Ich wage es auszusprechen, dass diese Angaben nicht be- weisend sind. Gewiss sind jene Protokolle unvollständig. Das ist viel wahrscheinlicher, als dass etwa in Belgien Hepaticus und Cho- ledochus viel seltener, als anderswo, von Concrementen befallen wer- den. — Schloth (1. c. p. 12) fand für Erlangen auf 343 Sectionen Gallensteinkranker einen Fall von Calculus im Hepaticus (0,3 o/o). Im Basler pathologischen Institut sind unter 255 analogen Sec- tionen schon 3 mit hepatischen Steinen (1,2 o/o! Im Choledochus fanden sich 10 Mal Concremente = 3,9 o/o!). Ich bin überzeugt, dass bei genauerer Untersuchung und Notirung auch anderwärts sich grössere Zahlen für beide Gänge ergeben würden.

Die Literatur kennt übrigens viel mehr Fälle von Lebergang- steinen, als ich selber früher nach den Aussagen der Autoren ge- glaubt hatte. Und wenn z. B. Körte neuerdings (1. c. p. 96) die vermeintlich grosse Ziffer von 5 sicheren und 2 unsicheren derartigen Fällen aus den vorhergehenden 5 Jahren zusammengebracht hat, so repräsentirt dieselbe bei Weitem nicht das ganze Contingent der in der betreffenden Periode veröffentlichten einschlägigen Beobachtungen.

Es ist mir gelungen, 81 Sections- und 6 Operations fälle von Hepaticussteinen zu sammeln, von denen 2 meiner eignen Praxis, 3 den Protokollen des Basler pathologischen Instituts ent- stammen. Dieses Material ist aber nicht durchweg gleich gut ver- werthbar. In 3 Fällen von Tait (1763. 1764. 1765) erfährt man nur die Thatsache, dass aus der Leber Steine herausgeschnitten worden seien. In manchen andern Fällen sind die Angaben nicht viel ge- nauer.

Im Folgenden werde ich die obigen Fälle in 3 Gruppen theilen. Die erste umfasst alle streng intrahepatisch sitzenden Steine. Die älteste Mittheilung über ein derartiges Vorkommnis findet sich

3*

86 Casuistiscli-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallen wege.

bei Rembertus Dodonaeus (1. c. p. 141): „Memini ego nonnul- lorum jecinora vidisse adeo dura et lapillis imdequaquam plena, ut novacula perscindi non potuissent." Auch Felix Plater (1. c. p. 85) behauptet: „in hepate arenulas copiosas et calculos, tophosque non solum in homine, sed et bestiis reliquis, praesertim cornutis saepe nasci docet experientia."

Unter den 50 einzeln beschriebnen Fällen sind einige im Lauf der Zeit sehr berühmt geworden und werden überall erwähnt: Cru- veilhier 354, Lebert 370, Liebermeister 372, Andral 445. Nicht minder typisch war aber das Verhalten der Leber in 15 anderen Fällen (342. 343. 344. 349. 353. 357. 359. 364. 368. 374. 386. 389. 390. 971. 1280). Unter diesen befindet sich einer aus meiner eignen Praxis (353), wo der Tod 14 Tage nach einer anfangs gut verlaufenden Herniotomie unter peritonitischen Symptomen erfolgte und die Section alle Abschnitte des Gallensystems von der Papilla vateri bis in die alleräussersten Wurzeln der Lebergallengänge mit vielen hundert, ja vielleicht tausend Concrementen vollgestopft zeigte. Und dieser Zustand hatte während des Lebens keinerlei irgendwie deutliche Erscheinungen gemacht, bis auf einen in den letzten paar Tagen aufgetretenen Icterus. Die Peritonitis aber war die Folge von Per- foration zweier durch die hepatische Cholelithiasis entstandener Leber- abscesse.

In einigen andern Fällen (341. 363. 366. 367. 373. 381. 392. 776) handelte es sich um eine weit geringere Multiplicität, zuweilen nur um „mehrere" durch verschiedne Hepaticuszweige zerstreute Steine.

Bei sehr grosser Zahl waren oft die Concremente nur wie Sand (351. 352. 357. 364. 374. 383. 1668) oder Mörtel (353. 370. 1280) beschaffen. Hatten sie ein grösseres Caliber, so schliffen sie sich bisweilen ähnlich, wie in der Gallenblase, gegenseitig polyedrisch ab. Am frühesten hat Möbius (375) diese „figuram tesserarum" beschrieben. Hier und da entstanden secundär durch Zusammen- backen mehrerer Stücke continuirliche Cylinder (370). Einzelne Autoren erwähnen eine buchstäbliche Vollstopfung der Gänge (342, 349. 350. 353. 354. 355. 359. 370. 374. 375). Nicht selten waren durch die Anhäufung der Steine die letzteren bedeutend, bis zu Finger- weite dilatirt, oder es waren hinter den Steinen durch Gallenstauung starke Erweiterungen entstanden.

Fälle, wo die Steinbildung nur im Hepaticusgebiet bestand, sind übrigens selten; und ich kenne unter allen hieher gehörigen Beob- achtungen nur 9, wo die Gallenblase (resp. der Cysticus) nicht gleich-

Concremente und Obstructionen des Ductus hepaticus. 37

zeitig Sitz von Cholelithen war (341. 351. 359. 371. 385. 390. 622. 730. 1369). Es ist das immerliiii bemerkenswert!! genug!

In einigen wenigen Fällen war nun die Form der Hepaticus- steine eine eigenthümliche. Schon Plater (1. c. p. 842) hat in mensch- lichen und thierischen Lebern mehrmals „tophos coralloides ramososque" gefunden, „ac si interior ductuum substantia tophacea facta esset". Glisson (1. c. p. 104) meldet von Rinds- und Menschen- lebern, dass „plerumque in ramuli parte aliqua occurrit lapidea quae- dam substantia perforata fistulae instar", also röhrenförmig, hohl! Morgagni (1. c. § 12) bestätigt dies und meint, die bis- weilen gefundnen cylindrischen Lebergangsteine seien „e canalicu- latis accrescente usque et usque simili materie solidi facti." Beim Menschen hat Liebermeister einmal (372) einfach cylindrische, Fauconneau corallenartig verästelte Concremente der Hepaticus- zweige (360) beschrieben. Beispiele von hohlen zusammenhängenden Incrustationen der Lebergänge finden sich bei Cruveilhier (348), Grau wen (362), Eeverhorst (379 mit einer für jene Zeit vor- trefflichen Abbildung). Heim (1. c. p. 328) hat 3 Mal röhrenförmige Concremente auf 900 Gallensteine gefunden (365. 366. 367).

Es folgen jetzt 22 Fälle, wo eine geringe oder bedeutende Mehrzahl von Calculi in Stamm oder Hauptästen des Hepaticus sich fanden. Auch hier (vielleicht mit Ausnahme der 2 Fälle 388 und 1769, wo vom Verhalten der übrigen Gallengänge geschwiegen wird) fehlten niemals Gallensteine oder Spuren ihrer früheren Anwesenheit in andern Abschnitten des Systems! Sitz der Steine war 2 Mal (1342. 1417) nur der rechte Hauptast, 4 Mal (469. 512. 525. 530) der Stamm mit beiden Aesten, sonst immer nur der Truncus.

Die Zahl der Steine war meist 2 bis „mehrere"; 2 Mal bestand eine Anhäufung von Gries und kleinen Bröckeln (511. 512); einmal ein voluminöses Conglomerat vieler durch Schleim verkitteter Stein- chen (380) ; 5 Mal eine eigentliche Vollstopfung mit zahlreichen grös- seren Concrementen (222. 382. 794. 1342. 1769). In dem merkwürdigen Fall von Thornton (1762) sind aus einer von grossen Hepaticus- ästen gebildeten sinuösen Höhle mittelst Leberdurchschneidung 412 Steine extrahirt worden!

In weiteren 10 Fällen war nur ein einziger Calculus vor- handen, entweder in einem Hauptast (1335), oder im Hepaticusstamm (9 übrige Fälle). Stets war dessen Sitz in den letzteren Fällen die Vereinigung von Hepaticus und Cysticus, wo er meist eingekeilt war. Seine Form ist öfters als oval (169. 369. 387.

38 Casiiistisch-statistisclie Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

391. 473), einmal als sphärisch (346) bezeichnet; einmal Hess das facettirte peripherische Ende auf die frühere Anwesenheit eines zwei- ten Steins schliessen (391). Die Grösse war meist bedeutend, z. B. diejenige einer Haselnuss (391), einer Muscatnuss (387), einer klei- nern oder grössern Nuss (160. 346. 369. 473. 540j; 2 Mal heisst sie nur gross, voluminös (356. 792).

Neben all den bisher besprochenen Fällen steht endlich einer einzig in seiner Art da, ein Fall (347), wo jeder Hepaticus- Hauptast für sich durch einen grossen Calculus v&rlegt war. Aus gewissen Merkmalen musste auch hier auf frühere An- wesenheit eines verstopfenden Choledochussteins geschlossen werden. Vielleicht gehört noch hieher ein Fall (361 j, wo Cysticus und Choledochus stricturirt waren, eitrige Entzündung des Hepaticus be- stand und letzterer, soweit man aus der dürftigen Beschreibung fol- gern kann, in einen eigrossen Abscess der Leberpforte mündete, in welchem 2 ästige Gallensteine lagen.

Die Entstehung der Hepaticussteine darf wohl in den die grosse Mehrzahl bildenden Fällen, in welchen die übrigen Ab- schnitte des Systems analog befallen sind, auf eine allgemeine Disposi- tion des letztern zurückgeführt werden. Nun hat 1859 Thudichum (1. c. p. 420) eine eigenthümliche Beobachtung gemacht, welche seit- her meines Wissens von Niemand bestätigt worden ist, auf Grund deren er aber glaubt behaupten zu dürfen, dass die Gallenblasen- steine gewöhnlich in der Leber gebildet würden. Die Kerne von 16 vesiculären Concrementen einer Gallenblase erwiesen sich mikro- skopisch als aus fadenförmigen Fasern verschiedner Durchmesser bestehend, welche Thudichum für Abgüsse der feinen Lebergänge erklärt. Er meint, solche Abgüsse aus eingedickten Gallebestand- theilen bildeten sich wol häufig, gingen aber meist durch den Choledochus ab; zuweilen jedoch geriethen sie in die Gallenblase, wo sie weiter zu Gallensteinen heranwüchsen. Trotzdem nun, wie gesagt, diese Mittheilung von Thudichum bis heut alleinsteht, nimmt neuerdings L. Tait dessen Theorie auf und betrachtet es (Edinbgh. med. Jnal. 1S89. 1. c.) als ausgemacht, dass überhaupt Gallenblasensteine in der Leber entstehen und erst von dorther in die Blase gelangen, dass in letzterer überhaupt keine Concremente primär sich bilden. Von welcher Tragweite diese Ansicht für die Gallenblasenchirurgie, speciell für die Frage nach der Zulässigkeit der Cholecjstectomie werden kann, soll später erörtert werden.

Auch J. A. Hein (1. c. p. 308 u. s. w.) glaubt, dass die Gallen-

Concremente und Obstructionen des Ductus bepaticus. 39

blasensteine ursprünglich Lebersteine seien. Dafür spreche die Fa- cettirung der in der Gallenblase zu treffenden multipeln Calculi. Die Facetten seien nicht durch Druck der erst im Entstehen begrif- fenen, sondern durch Abschleifimg der Kugelform bereits fertiger Steine entstanden. Denn die Facetten würden durch die Ablage- rungslamellen unterbrochen. Wären die Steine ursprünglich in der Mehrzahl und unter gegenseitiger Berührung in der Gallenblase vor- handen gewesen, so müsste die Schichtung derselben den Facetten parallel laufen. Es sei also anzunehmen, dass die Steine kuglig aus der Leber in die Gallenblase gelangt und hier erst polyedrisch ge- worden seien. „Nur Gallensteine mit grossem, deutlich crystallini- schem Kern wird man mit aller Wahrscheinlichkeit für wahre Gallen- blasensteine beanspruchen. Dass nicht alle in der Leber gebildeten Steine dieselbe verlassen, ist bekannt." Gegenüber Hein hat aber 0. Wyss (Betz Memorabil. 1872) bewiesen, dass eben doch sehr viele Facetten mit der Schichtung parallel laufen.

Uebrigens kann man T hu dich um, Tait und Hein denn doch die Thatsache entgegenhalten, dass Hepaticussteine im Vergleich mit Gallenblasensteinen viel zu selten vorkommen, als dass man erstere für die Anfänge der letztern halten könnte!

Nun scheint es mir, es sei bis jetzt ein mechanisches Moment viel zu wenig bei der Frage nach der Bildung der Hepaticussteine berücksichtigt worden. Es lässt sich zeigen, dass auf 59 Fälle der letztern nicht weniger als 56 Mal ein Zusammen- treffen mit Concrementen in den übrigen Gallenwegen besteht! Aber das ist noch nicht Alles! Auf 51 Fälle von Hepaticussteinen, in welchen das Verhalten des Choledochus genauer angegeben ist, findeich nicht weniger als 45Mal Ver- engungen und Verlegungen des letztern angeführt, oder Zustände, welche auf eine frühere Obstruction deuteten. Am häufig- sten fanden sich (24 auf 45Mal) Steine im Choledochus oder Dilatationen, welche von früher eingekeilten Steinen herrührten (13Mal); 6Mal waren enge Stricturen vorhanden; 2Mal Com- pressionen durch eine Hydatide und ein krebsiges Pankreas.

Es erscheint also nicht allzu gewagt, wenn ich der in der grossen Mehrzahl der Fälle gleichzeitig mit Hepaticussteinen bestehenden Obstruction des Ductus communis eine gewisse Bedeutung in der Aetiologie jener Steine zuschreibe. Es liegt natürlich sehr nahe, zu vermuthen, dass eine Behinderung der Gallenabfuhr die Disposition zur Cholelithiasis im Hepaticusbaum stei- gere. Dieser Gedanke ist keineswegs neu. Schon Caspar Meyer

■40 Casuistiscli-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

1580 (1. c.) spricht ihn aus: „Bilis retenta . . . propter meatus chole- dochus obstructos . . . aut in carnem hepatis redundens in amplam molem distendit eam, . . . aut in arenulas et calculos concrescit.''

Sind diese Voraussetzungen richtig, dann würde für die Praxis die doppelt wichtige Aufgabe erwachsen, mit allen Mitteln einen allfälligen Choledochusver- schluss früh zu beseitigen, damit nicht die Gefahr der hepatischen Cholelithiasis entstehe!

Soll nun ein Versuch gemacht werden, die Symptomatologie der Hepaticussteine darzustellen, so lassen sich hierzu von den 87 Fällen meiner Casuistik 52 mehr oder weniger gut verwerthen. Zunächst sind unter den letztern 4 typische mit einer grossen Zahl von Concrementen, welche während des Lebens nie Erscheinungen gemacht haben (222. 355. 364. 530). Aehnlich verhielt es sich mit 3 ferneren, weniger grossartigen Fällen (357 364. 372). In meinem oben erwähnten classischen Fall (353) hatte die Patientin vor Jahren ab und zu leichte Koliken gehabt. Aber sonst Hess nichts die voll- ständige Anfüllung der Leber mit Concrementen ahnen. Aber auch nach Durchsicht der übrigen Krankengeschichten hält es schwer, ja ich muss es fast als unmöglich bezeichnen, ein Krankheitsbild zu entwerfen, welches für hepatische Cholelithiasis charakteristisch wäre. In 22 Fällen waren wol Schmerzen vorhanden, aber ohne bestimmten Typus bald dumpf und anhaltend, bald sehr heftig und in Anfällen auftretend, wie sie überhaupt bei Gallensteinleiden be- kannt sind. Verdauungsstörungen aller Art und besonders Erbrechen waren häufig, zumal gleichzeitig mit den Schmerz- anfällen.— Lebertumor, hie und da direct druckempfindlich, ist 26 Mal erwähnt. In 8 Fällen wurde im Gegentheil die Leber bei der Section normal, 3 Mal sogar atrophisch gefunden. Ueber Icterus ist oft Nichts bemerkt; 6 Mal fehlte er sicher, 35 Mal war er mehr oder weniger stark ausgesprochen; aber in 17 dieser 35 Fälle bestand zugleich Obstruction des Choledochus; und nur 9 Mal fehlte eine solche sicher gänzlich. Fieber, zum Theil mit intermitti- rendem Charakter („fievre hepatique intermittente " Charcot's) com- plicirte 19 Fälle. Die Section enthüllte in 15 dieser Fälle eine eitrige Cholangitis, resp. Hepatitis; 4 Mal scheint eine solche Suppuration gefehlt zu haben. Andrerseits meldet in 6 weitern Fällen, wo solche Eiterung vorlag, die Krankengeschichte Nichts von jenem Fieber. (Uebrigens ist jenes Fieber eben so häufig bei Choledochus-Obstruc- tion, vgl. unten Cap. IVj.

Concremente und Obstructionen des Ductus hepaticus. 41

So ei'giebt sich denn in der That, dass die Diagnose der hepa- tischen Cholelithiasis fast immer mit den grösten Schwierigkeiten zu kämpfen haben wird. Dieselbe wird zufällig bei der Obduction gefunden, beinahe nie im Leben erkannt. Ganz unmöglich ist jedoch ihre Erkenntnis nicht. Nur gehören dazu besonders günstige Bedingungen. Solche waren bei dem von mir beobachteten, in den bisher zu Grunde gelegten 87 Krankengeschichten nicht enthaltenen Fall (1658) erfüllt, über welchen die Operationstabellen der natür- lichen Cystostomie (Nr. 100), der Cholecysto-Enterostomie (Nr. 7), sowie die Beschreibung der Choledochus- Operationen genügend be- richten.

lieber chirurgische Behandlung der Hepaticussteine zu schreiben, könnte fast als Vermessenheit erscheinen. Immerhin sind schon einige interessante Fälle publicirt, in welchen für diesen Zustand operative Hilfe mit Erfolg geleistet worden ist. Ich ver- weise auf das im zweiten Theil hierüber Mitgetheilte.

B. Weitere Obstructionen der Lebergallengänge.

Unter den nicht calculösen Obstructionen des Hepaticus ist zu- nächst ein Fall von anscheinend primärem Carcinom im Stamm desselben mit secundärer Bindegewebswucherung zu nennen, welche längs der Aeste weiter schritt (393). Ferner ein solcher von secun- därem Sarcom bei primärer Erkrankung des Uterus und Metastasen in verschiedenen Bauchorganen (394).

Obliterationen des Hepaticus durch meist ätiologisch nicht ganz klare bindegewebige Wandverdickung kenne ich 5. In 4 dieser Fälle waren schwere Verdauungsstörungen mit Icterus aufgetreten und unter allmäliger Abschwächung (Cholämie) der Tod erfolgt (402 bis 405). Die Patienten waren 3 Männer von 32, 50 und 60 Jahren, eine Gravida unbekannten Alters.

Eine besondre Stellung nehmen auch hier wieder 15 Fälle con- genitaler Obliteration(zum Theil jedenfalls luetiscten Ursprungs) ein. Dieselbe war zuweilen auf einen Hauptast und sein Gebiet be- schränkt (395. 400. 401. 597), gewöhnlich aber über alle Aeste gleich- massig verbreitet. In 8 Fällen war auch der Choledochus mit obli- terirt (587 bis 589. 591. 596. 597. 600. 603).

Compression des Hepaticus allein durch Tumoren ist 2 Mal beobachtet; IMal durch Carcinom (406), das andre Mal durch Bindegewebsmassen (407).

Verstopfung durch Echinococcusblasen wird 3Mal be-

42 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

schrieben (40S bis 410) bei Männern von 46 bis 54 Jahren, welche unter Symptomen eines Icterus gravis an Entkräftung gestorben waren. Bei allen fanden sich die Blasen im Truncus oder in den Hauptästen des Canals eingekeilt, in welchem sie 1 Mal (410) primär entstanden waren, während sie in den 2 andern Fällen von der Leber her in denselben perforirt waren.

Obstruction durch Ascariden figurirt in meiner Casuistik 34 Mal. Aber nur 24 von diesen Fällen sind ordentlich verwerthbar. Diese letztern betreffen 7 Männer, 7 Frauen und 10 Kinder.. Es fanden sich die Spulwürmer 8 Mal einzeln entweder im Stamm oder in einem Hauptast des Hepaticus, 3 Mal zugleich im Choledochus; 4Mal tiefer im Leberparenchym. 12 Mal waren mehrere oder selbst viele (bis zu 30) Würmer in Stamm, Aesten und Zweigen bis tief in die Leber hinein vorhanden. In 9 dieser Fälle enthielten auch Choledochus oder Cysticus Würmer.

Das Verhalten der Eindringlinge war ein ziemlich wechselndes. Bisweilen hatten sie die Canäle beträchtlich erweitert und sich bis unter die Leberserosa durchgearbeitet (413. 432. 435. 440. 441). Ge- legentlich lagen sie aufgerollt in circumscripten Ausbucht- ungen der Hauptgänge (414. 432). Nicht selten war ihre Herberge ein Abscess (420. 426. 427. 433. 436. 438), IMal ein Echino- coccensack im Leberinnern (434). 2 Mal soll die Höhle (41S), der Abscess (438), worin die Ascaris lag, mit den Lebergängen in keinerlei Verbindung gestanden haben. Im letztern Fall vermuthet deshalb Tonnele, der Wurm sei „en germe" ins Leberparenchym gelangt und habe sich erst dort weiter entwickelt! 3 Mal sind Perforationen nach verschiedenen Richtungen durch Ascariden ver- ursacht worden: durch den Hepaticusstamm in die Bauchhöhle (423), durch das Zwerchfell in die Lungen (427. 431). Incrustirte Lumbrici im Hepaticus beobachtete Themelius (3S3): Neben Gallensteinen in Blase und Cysticus fanden sich mehrere solche in verschiednen Lebergängen, im Hepaticusstamm aber ein frischer und 2 mit kreidiger Masse überzogene Spulwürmer. (Dieser Fall er- innert lebhaft an den neueren von Lebert 429, wo der Choledochus ein Concrement mit einer Ascaris als Kern barg).

Wider alles Erwarten lauten nun die Berichte über die von den Spulwürmern während des Lebens verursachten Symptome im Ganzen ziemlich unbestimmt. In wie vielen von denjenigen Beobachtungen, in welchen von den Erscheinungen ge- schwiegen wird, solche doch bestanden haben mögen, ist nicht zu sagen. Sicher ist aber, dass unter den 16 Fällen mit genügenden

Concremente und Obstructionen des Ductus clioledochus. 43

Krankengescliicliten nur 2 (415. 439) durch Icterus, alle übrigen bloss durch Bauchschmerzen, Erbrechen, Diarrhoe, Fieber, also durch lauter unbestimmte Symptome gekennzeichnet sind. Also nur in jenen 2 Fällen musste überhaupt an Obstruction der Gallenausführungs- gänge gedacht werden!

VIERTES CAPITEL.

Concremente und Obstructionen des Ductus choledoelius.

A. Concremente im Ductus choledochus.

Im gemeinschaftlichen Gallengang trifft man Concremente bei Sectionen nicht selten. Leider existiren auch hierüber fast keine statistischen Mittheilungen. Fiedler (1. c.) constatirte unter 800 bis 900 Sectionen Gallensteinkranker (unter ca. 10000 Todesfällen über- haupt) nur 2 Mal dieses Vorkommnis! Schloth dagegen fand für Erlangen (1. c.) auf 343 Cholelithiasisfälle (unter 4313 Sectionen) 9 Mal Stein im Choledochus, also bei 0,2o/o aller Sectionen, bei 2,6^/o aller Gallensteinfälle. Viel stärker sind die Proportionen im Basler patholog. Institut: auf 2520 Obductionen und 255 Gallensteinfälle lOMal Choledochusstein, also 0,4, resp. 3,9o/o!

Für die Entstehung der Choledochussteine sind 3 Möglichkeiten denkbar: Entstehung in der Gallenblase, solche im Hepaticusgebiet und solche im Choledochus selber.

Ich kenne 175 Fälle von Concrementen des Ganges. Von diesen sehliesse ich vorläufig 25 von der Besprechung aus, entweder weil es sich dabei nicht um wirkliche Steine, sondern nur um eingedickte Galle, oder weil es sich nicht um noch vorhandene Steine, sondern nur um die Spuren ihrer frühern Anwesenheit handelte, oder weil die Diagnose nur am Lebenden gestellt worden ist.

Es bleiben also 150 Fälle übrig, welche aber eine bunte Mischung zeigen. Unter denselben sind nämlich nicht weniger als 88, in wel- chen gleichzeitig Calculi in andern Gallenwegen angegeben sind:

in der Gallenblase 42 Mal

im Cysticus 7 =

im Hepaticus 8 =

in Gallenblase und Cysticus . . . . 11 =

in = = Hepaticus .... 8 =

in Cysticus und Hepaticus 5 =

in Gallenblase, Cysticus und Hepaticus . 7 =

88 Mal

44 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der GaUenwege.

In 29 weiteren Fällen finden sich sodann, wenn aucli nicht Steine, so doch Spuren ihrer frühern Anwesenheit in andern Gallenwegen, z. B. Schrumpfung der Gallenblase (24 Mal), Perforationen und Fisteln der letztern gegen benachbarte Hohlorgane oder die Bauchhöhle (5 Mal). Unter solchen Umständen kann natürlich das Vorhanden- sein eines Steins im gemeinschaftlichen Gang durchaus nicht als Be- weis dafür gelten, dass er in diesem entstanden sei. Die übrigen 32 Fälle jedoch sind nicht immer so beschrieben, dass man in die betreffenden Verbältnisse klaren Einblick gewinnt. Nur auf Um- wegen und durch Ausschliessung gewisser Möglichkeiten wird man dazu gelangen können, für einzelne Concremente festzustellen, dass sie im Choledochus sich gebildet, für andre, dass sie in ihm wenig- stens sich vergrössert haben.

Hier mögen zuerst einige Angaben folgen über die physikalischen Eigenschaften der betreffenden Cholelithen ; so über deren Grösse, welche 11 2 Mal notirt ist:

Sand, Gries 2Mal

Erbsengrösse 15 =

Bohnen-, Kirschkerngrösse 6 =

Haselnuss-, Kirschengrösse 30 =

Fingerdicke 5 =

Etwas grösser 9 =

Nuss-, Taubeneigrösse 16 =

Hühnerei-, Pflaumengrösse 3 =

noch grösser 8 =

„gross, sehr gross" - ^^ =

112 Mal

Es zeigt sich, dass dasjenige Caliber, welches für die Gallen- blasensteine als ein mittleres gelten darf, nämlich die Haselnuss- grösse, bei den Choledochussteinen nur in etwas mehr als einem Viertel der Fälle vertreten ist, kleinere Caliber sogar nur in einem Fünftel der Fälle; dass dagegen etwas mehr als die Hälfte zu den eigentlich grossen gehören. Die 8 wichtigsten Beob- achtungen solcher Riesensteine sind: 444. Zwillingsstein aus 2 gleich grossen, zusammen hühnereigrossen Hälften,

in Cysticus hineinragend. 491. Mächtiger Stein in Choledochus und Cysticus, in Gallenblase hin- einragend. 505. Choledochus ganz von pfirsichkernförmigem Stein ausgefüllt. 507. Berühmter Fall! Choledochus eingenommen von 7 1/4 Loth schwerem, 12—13 cm langem, 5 cm breitem, ganz aus Pigment bestehendem Stein. 518. Cysticus, Hepaticus und Choledochus alle undurchgängig von zu- sammenhängender, Succus Liquiritiae ähnlicher, steinharter Masse.

Concremente und Obstructionen des Ductus clioledochus. 45

530. Choledochiis enorm erweitert durch birnförmiges Concrement, dessen Spitze gegen Duodenum schaut, Gallenblase atrophisch , Cysticus obliterirt. 1643. Bei Cholecystotomie wird pflaumengrosser Choledochus und Cysticus einnehmender Stein entfernt.

In mehreren dieser, sowie bei einer Anzahl andrer Fälle (zu- sammen in 17) contrastirte übrigens das enorme Volum der Chole- dochussteine seltsam mit dem viel kleineren solcher, welche gleich- zeitig in andern Gallenwegen gefunden wurden.

Die Zahl der Concremente ist 149 Mal genannt:

1 95 Mal

2—6 ........ 36 =

12 2 =

20 1 =

viele " 4 =

Gries in Menge 2 =

Gang vollgestopft von vielen 9 =

149 Mal Es verhalten sich also die Fälle von Multiplicität zu denjenigen mit nur einem Stein etwa wie 1 : 2.

In mehreren Fällen mit scheinbar solitärem Concrement erwies sich übrigens dieses aus mehreren, durch eine Klebemasse zusammen- gebackenen Steinchen bestehend (355. 481. 554).

In Fällen mit ausgesprochener Mehrzahl waren die Calculi häufig noch sehr gross, d. h. haselnuss- bis taubeneigross (483. 504. 510. 514. 524. 525. 539. 820. 1342. 1693), ein umgekehrtes Verhält- nis, als wie es sich bei der Gallenblase findet.

Die Form der Choledochussteine ist selten notirt:

rund, kuglig 5 Mal

birnförmig 3 =

eiförmig 9 =

länglich, cylindrisch . . . 17 =

eckig, facettirt 7 =

41 Mal Die Zahl der Fälle ist zu klein, als dass man daraus besondere Folgerungen ziehen könnte. Die Birnform spricht jedenfalls am ehesten für Concremente, welche ursprünglich aus der Gallenblase stammen. Zuweilen bestand ein auffallender Gegensatz in der Form zwischen den mehr kugligen oder eckigen Steinen, die etwa gleichzeitig Gallenblase und Hepaticus und denjenigen, welche den Choledochus einnahmen (469. 496. 507. 530. 1728}. -

Die chemische Beschaffenheit der Choledochus- steine wird noch seltener berührt. 2 Mal bestand ein deutlicher

46 Casuistiscb-statistisclie Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Unterschied zwischen diesen und den gleichzeitig vorhandnen Gallen- blasensteinen. In einem Fall (465) war ein taubeneigrosser in der Blase weiss, ein haselnussgrosser im Choledochus braun. In R i c h t e r 's berühmtem Fall (507), wo der colossale Pigmentausguss im Gang steckte, enthielt die Blase 32 echte Gallenconcremente.

Wie übrigens in diesem letzteren Fall , so lässt sich auch in andern kaum etwas Andres annehmen, als dass Concremente ge- legentlich in der That im Choledochus selber durch directe Eindickung von Galle sich bilden. So in den Fällen 518 und 1268, wo verhärteter Gallenfarbstoff den Gang und zum Theil Cysticus und Hepaticus füllte. Ebenso in 5 Fällen (476. 485. 486. 493. 517), in welchen es sich um noch nicht verhärtete, aber doch sehr condensirte, den Choledochus verlegende Galle handelte, wie dies Ettmüller in seinem Fall (476) so anschaulich schildert: „Dissectione facta, adverterunt fellis vesiculam grandem et confertissi- mam, infimumque porum viscida pituita penitus obstructum, adeo ut post abscissionem huius ductus bilarii ne gutta quidam bilis proflueret, quia bilis ibi contenta crassissima atque tenacissima erat."

Als ein Unicum sei hier endlich noch das von Lobstein (429) beobachtete Choledochusconcrement erwähnt, welches einen Spulwurm als Kern hatte.

Der Sitz der Choledochussteine ist in 123 Fällen ange- geben :

Anfaagstheil 17 Mal

Mitte . 19 =

nahe am Duodenum ... 20 =

Ostium, Papille 41 =

ganzer Gang vollgestopft . . 26 =

123 Mal

Lasse ich die 26 letzten Fälle ausser Betracht, so ergiebt sich als zweifellos häufigster Sitz das Duodenalende (61:97 Mal), dessen eigentliche Ausmündung allein 41Mal betroffen ist. An- fangstheil und Mitte werden gleich oft, aber zusammen noch nicht so oft wie die Papille allein betroffen. Die Erklärung hiefür ist leicht. Der Duodenaltheil und speciell das Ostium ist eben der engste Theil des Gangs und hält darum Hindernisse besonders auf.

Sämmtliche bisher besprochene Eigenthümlichkeiten der im Duc- tus communis getroffenen Concremente lassen übrigens den Schluss, dass der Canal auch die wirkliche Bildungsstätte der letzteren sei, nur für die seltenen Fälle der eben besprochenen Galleneindickungen zu. Für die noch selteneren Fälle, wo mehrere Steinchen zu einem grossen vereinigt sind, genügt die Annahme, dass diese Vereini-

Folgen der Choledochussteine. 47

gung innerhalb des Choledoclius erst zu Stande gekommen sei durch weitere Apposition von Gallenniederschlägen auf und zwischen ihnen.

Für die meisten übrigen Fälle muss man unbedingt annehmen, dass die Steine von den übrigen Gallenwegen her in den Choledochus gelangt seien. Da aber unzweifelhaft die Gallen- blase der weitaus häufigste Bildungsort derselben ist, so wird auch der Schluss berechtigt sein, dass von ihr her die Einwanderung in den Choledochus in erster Linie, ja fast ausschliesslich erfolgen wird. In den 88 Fällen, wo überhaupt bei der Beschreibung von Chole- dochussteinen die gleichzeitige Anwesenheit von Calculi im übrigen System erwähnt wird (s. p. 43), zeigten sich ja Gallenblase und Cysti- cus 80 Mal, der Hepaticus nur 23 Mal mitbetroffen. Und zudem ist ja oben (p. 39 und 40) gezeigt worden, dass Steine im Hepaticus ganz gewöhnlich erst bei Behinderung des Gallenabflusses im Chole- dochus entstehen. . So dürfte denn als Regel angenommen werden, dass bei gleichzeitigen Hepaticus- und Choledochussteinen letztere das Primäre, erstere das Secundäre sind. Ganz direct für die Wanderung der Cholelithen aus der Gallenblase durch den Cysticus in den Choledochus spricht aber noch die Häufigkeit, in welcher an ersterer und dem Blasengang unzweideutige Spuren eines lang an- haltenden Reizes sich nachweisen lassen; nämlich:

Narbige Schrumpfung der Gallenblase . 54 Mal

Alte ülcerationen = =

Verkalkung = =

Obliteration des Cysticus

Beträchtliche Dilatation des Cysticus

Verkürzung des Cysticus . . .

Rigidität - = . . . .

Perforation = = . . . .

Steine im Cysticus . . . . . .

108 Mal Alles das stimmt vortrefflich zu der Auffassung, dass die Her- kunft der Choledochussteine vor Allem in der Gallenblase, in dem Canal selber aber höchstens deren Vergrösserung durch weitere Appo- sition aus gestauter Galle zu suchen sei.

Folgen der Choledochussteine.

Die Folgen der Concremente im Choledochus können theils ört- lich an diesem selbst, theils in Form von Fernwirkungen an den hinter dem Hindernis liegenden Gallenwegen sich geltend machen.

1 =

15 =

14 =

3 =

2 = 1 =

12 =

48 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Die örtlichen Folgen bestehen zum Beispiel in einfacher Ver- änderung des Gangs durch entsprechende Auftreibung, welche meist spindelförmig, selten sackartig (444. 520. 689. 1664), bei multipeln Steinen aber mehr oder weniger cylindrisch ist und bis zum Lumen einer Pfortader (445), eines Darms (521. 1669) gedeihen kann, [lieber Fall 521 ist zu bemerken, dass derselbe schon von Schenck (1. c.) und von allen Späteren unrichtig dargestellt wird. Im Originaltext hat der Autor Traffelmann laut Murchison (I.e. p. 546) den sehr von Steinen dilatirten Gang mit einem „utriculus", Schlauch verglichen. Schenck etc. blähen denselben zu einem „ventriculus" auf.] Sind Steine im Ostium eingekeilt, so springt gewöhnlich die Papille conisch bis 2 cm weit ins Duodenum vor, wobei ihre Oeff- nung weit klaffen kann (21 Fälle). In den seltenen Fällen, wo muthmasslich oder nachweislich ganz grosse Steine den ganzen Canal passirt haben (995. 1011. 1024. 1032. 1046. 1062. 1092), hat letzterer natürlich successiv von einem Ende zum^ndern die gleiche Erweiterung erfahren, die entweder für alle Zeit bleiben, oder später wieder verschwinden kajin.

Innerhalb seiner Nische kann der Calculus zuweilen nach bei- den Richtungen beweglich (446. 478. 501. 932. 1693) oder von seinem Behälter so locker umschlossen sein (355. 368. 377. 457. 463. 475. 1383), dass er den Gallenabfluss nicht hindert. Letz- terer wurde in einem Fall gesichert durch eine Längsrinne an dem Riesenstein (505). Meist umklammert aber die Gangwand die Con- cremente so fest, dass die Galle nicht mehr durchkann.

Die Canalwand reagirt auf den Reiz der Steine verschieden, bald durch eine ca tar r hal i s ch e Entzündung, bald durch Hypertrophie. Hie und da fand man strahlige Narben (449. 534), 1 Mal narbige Verengerungen an vielen Stellen (392), 3 Mal diffuse Umwandlung des Gangs in einen festen fibroiden Strang, der den Stein einkapselte (536. 929. 1680).

Excoriationen und ülcerationen am Sitz des Concrements, speciell im Ostium (6 Fälle), doch auch mehr gegen den Hepaticus hin (3 Fälle) fanden sich ab und zu. 14 Mal (also in 9 o/o aller ana- tomisch nachgewiesenen 154 Fälle) war es zu ulcerativer Perfo- ration des Gangs gekommen, nämlich 6 Mal ins Duodenum, 8 Mal gegen die Bauchhöhle, bald direct, bald in einen abgekapselten Abscess.

2 Mal haben vielleicht auch Concremente durch ihre Reizung Anlass gegeben zu krebsiger Neubildung an ihrem Sitz im Choledochus (552. 554). .

Folgen der Choledochussteine. 49

Die Fernwirklingen der Choledochussteine auf die rückwärts liegenden Gänge und auf die Leber, ja schliesslich auf den ganzen Organismus lassen sich in das Wort „Obstruction" zusammenfassen. Denn was immer die letzte Folge sein mag, den Anstoss zu allen Complicationen giebt die Verlegung des Lumens. Ich kenne nur 4 Fälle (unter denjenigen, wo überhaupt von diesen Dingen die Kede ist), in welchen offenbar alle die sonst zu beobach- tenden Fernwirkungen dauernd ausgeblieben sind (79. 355. 446. 459).

Uebrigens gedenke ich diese Fernwirkungen erst eingehend zu schildern, wenn ich die anderweitigen Formen der Choledochus- Occlusion werde beschrieben haben. Denn diese andern Formen spielen eine mindestens eben so wichtige Rolle, wie die Steinver- stopfung. Die Störungen aber sind in vielen Punkten die gleichen.

B. Neubildungen im Choledochus.

Jede geschwulstartige Neubildung, welche von der Wand des Choledochus ausgehend dessen Lumen verlegt, wird genau die glei- chen Folgen haben , wie wenn an ihrer Stelle ein Concrement festsässe. Von solchen Geschwülsten wird schon früh gesprocheu. So von Alexander Benedictus (Opera medica. Basil. 1508. Lib. 14. Cap. 38. p. 558) in dem kurzen Satze: „At si in viis (bila- riis) innata intus caruncula fuerit, aut Verruca, irremediabile malum est. " Und ähnlich von Marcellus Donatus (De medica historia mirabili. Venet. 1588. Lib. 5. Cap. 3. p. 276) wenn er sagt: „Pariter confirmat Nicolus, in meatu vesicae fellis oriri carneam excrescentiam, quae illum obturando insanibilis Ictericiae est causa." Es sind das freilich sehr unbestimmte Aeusserungen, welche höch- stens beweisen, dass die angeführten Autoren irgend einen Auswuchs im ableitenden Gallengang gesehen haben. Brauchbare Beschreib- ungen einschlägiger Fälle finden sich erst etwa von Mitte unseres Jahrhunderts an. Ich kenne deren 21.

Von denselben ist einer allerdings nur im Leben beobachtet, die Diagnose deshalb nicht über jeden Zweifel erhaben:

558. (Pozzi) Schwerer Icterus 12 Wochen dauernd. Rückbildung aller Erscheinungen, nachdem ein 6 gm schwerer Polyp auf ein Drasticum im Stuhl abgegangen war. Es wurde angenommen, dass der Tumor den Choledochus obstruirt gehalten habe. Von 3 andren Fällen liegen nur kurze Notizen vor:

542. Albers beschreibt und illustrirt in Lebensgrösse einen von Ehr- mann beobachteten Fall, wo eine die Mitte des Choledochus ein- nehmende circumscripte Fibroidgeschwulst eine ganz enorme cystoide Erweiterung aller hinter ihr liegenden Gänge bewirkt hatte.

Courvoisier, GaUenwege. 4

50 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

543. Birch-Hirscbfeld sah 2mal primären Krebs des Choledochus. und Ein Mal sass derselbe in Form einer weichen Geschwulst mit zottiger

544. Oberfläche im untersten Theil des Gangs bei einer 46 jähr. Frau. Das andre Mal befand sich eine ähnliche Geschwulst weiter oben.

In den übrigen 17 Fällen sind die Krankengeschichten, wie die Sectionsberichte sehr ausführlich. Die Neubildungen waren:

Krebse 15

„Fettige Tumoren" 2

17 Von den Krebsen waren 2 secundär, das eine Mal (549) bei primärem Pyloruscarcinom, das andre Mal (555) bei primärem (?) Lebermark- schwamm. Aber beide Mal war der im Choledochus sitzende Knoten ganz isolirt. In allen übrigen 13 Fällen waren die Geschwülste offenbar durchaus primäre. Die histologische Form des Krebses ist 6 Mal nicht notirt (549. 550. 554. 556. 560. 561), je 1 Mal als ence- phaloid (546), encephalo-scirrhös (547), alveolär (548), scirrhös (552), scirrhöses Adeno-Carcinom (551), Epithelioma (557), Cylinderzellen cancroid (559), 2 Mal als Zottenkrebs (553. 555) bezeichnet. Es scheinen also sehr verschiedene Formen vorzukommen, wie dies auch von Bamberger und Frerichs angegeben wird; während z. B. Rokitansky und Klebs sich hierüber gar nicht aussprechen; Förster Markschwamm als das Gewöhnliche angiebt; Cornil in der Discussion der Sociötö anatomique de Paris über den Fall von Chouppe (548) den „colloiden Cylinderepithelzellenkrebs" als Regel hinstellt. Der neueste Schriftsteller auf diesem Gebiet, Dieck- mann, welcher mit Inbegriff eines eignen Falls 6 derartige Beobacht- ungen zusammengestellt hat (543.544.551.552.559.560; die 2 andern gehen den Choledochus nichts an, vielmehr den Hepaticus : 393. 394), sieht das scirrhöse Adeno-Carcinom als das häufigste an. Es besteht also keine Einigkeit unter den Autoren, und es wird noch mehr Material behufs einer Entscheidung zu sammeln sein.

Die 15 Carcinome vertheilen sich auf 8 Männer und 7 Frauen. Bei erstem ist das Alter 1 Mal nicht genannt. Sonst betrug es:

Männl.

Weibl.

Total

32

Jahre . .

.

1

1

40—50

=

2

2

50—60

= . .

3

2

5

60—70

. .

1

2

3

70—80

=

1

1

2

81

= . .

.

1

1

14

Folgen der Choledochussteine. 51

Es stimmt dies nicht mit der Angabe verschiedner Autoren, wo- nach diese Erkrankung im hohen Alter und bei Frauen am häufigsten vorkommen soll.

Was die 2 „fettigen Tumoren" betrifft, so wurde der eine bei einem 3jähr. Mädchen (562), der andre bei einem 64jähr. Mann (545) gefunden. Es ist schwer zu sagen, welcher Gruppe von Neo- plasmen dieselben angehört haben mögen. Lipome dürften es kaum gewesen sein. Vermuthlich waren es einfach „verfettete", fettig degenerirte Geschwülste.

Der Sitz der verschiednen Neubildungen ist 19 Mal angegeben: 9 Mal ist der Anfangstheil des Gangs, nahe an der Vereinigung von Cysticus und Hepaticus (545. 546. 548. 550. 551. 557. 560. 561. 562), 3 Mal die Mitte (542. 544. 549), 7 Mal die Pars intestinalis, resp. das Ostium (543. 547. 552. 553. 554. 555. 559) genannt.

Die Form des Fibroids (542) und des „fettigen" Tumors des kleinen Mädchens (562) ist als rundlich bezeichnet. Die Carci- nome traten theils als Ulcus rodens (547), theils als mehr odeL weniger diffuse Infiltration und Verdickung der Wand (550. 551. 559. 560), theils aber als gestielte, pilzartige Geschwulst (546. 549. 552. 555) auf.

Die Grösse des Fibroids war diejenige einer Haselnuss. Von gleichem Volum oder von demjenigen einer Kirsche waren auch mehrere Carcinome (548. 549. 559. 560). Eines der letztern aber war nussgross (552). Der „fettige" Tumor (562) war pferdebohnen- gross.

Von ätiologischen Momenten ist in den wenigsten Fällen etwas zu erfahren. Bei den 18 Carcinomen wird z. B, nur 4 Mal von Gallensteinen gesprochen. Solche fanden sich 3 Mal (548. 550. 552) noch in der Gallenblase, in dem letzten dieser Fälle, so- wie in einem fernem (554) einzeln im Choledochus an der Stelle der Neubildung. Es liegt in diesen letztgenannten Fällen nahe, an den Reiz der Concremente als an den ursächlich wichtigen Factor zu denken. In wie fern etwa Cholelithen auch bei den übrigen Tu- moren, speciell bei denjenigen des Ostium, als des häufigsten Sitzes von Steineinklemmungen, eine Rolle gespielt haben mögen, entzieht sich der Beurtheilung. Es wäre das eine Analogie zu dem Verhalten der Gallenblase, bei welcher die Coincidenz von primärem Carcinom mit Concrementen eine fast ausnahmslose ist. Vielleicht würde sich aus einem reichlicheren casuistischen Material hierüber mit mehr Sicherheit urtheilen lassen.

52 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

C. Fremdkörper im Choledochus.

An die Verlegungen des Ductus communis durch Concremente und durch Tumoren schliessen sich ungezwungen an die Occlusionen durch Fremdkörper. Unter diesen erwähne ich zuerst Echinococcen (563 bis 574), In 11 von den 12 Fällen hat die Section den Beweis geliefert für das Vorhandensein von Hydatidenblasen im Choledochus. In einem Fall (563) musste aus allen Erscheinungen auf ein eben- solches Verhältniss geschlossen werden. Eine Obduction wurde aber nicht gemacht. Entstehungsort der Parasiten war jedes Mal die Leber, von welcher aus sie dann in die Gänge perforirten. Die betreffenden Individuen waren 5 Männer, 6 weibliche Erwachsene. In einem Fall (569) ist Geschlecht und Alter nicht genannt.

Ascarideu haben nicht ganz selten den Choledochus verstopft. Bereits war bei den Obstructionen des Hepaticus davon die Rede, dass bisweilen ein und derselbe Spulwurm Hepaticus und Chole- dochus zugleich einnahm (412. 420. 439), oder dass beide Canäle gleichzeitig mit verschiednen Exemplaren solcher Würmer bevölkert waren (281. 413. 415. 424. 427. 429. 436. 440. 443). Abgesehen von diesen Fällen ist aber noch 12 Mal das Eindringen von Ascariden in den Choledochus allein constatirt worden (575 bis 585. 814). Im Ganzen liegen also 24 hierher gehörige Fälle vor. Dieselben betrafen 7 Männer, 7 Weiber, 7 Kinder. 3 Mal (579. 580. 583) ist über die Patienten nichts Genaueres zu erfahren.

Von anderweitigen Fremdkörpern wird nur ein Mal gespro- chen. Saunders (586) sagt: „Es giebt einen Fall, da die Gelb- sucht daher rührte, dass sich Stachelbeerenkerne am Ende des ge- meinschaftlichen Gangs, wo derselbe in den Zwölffingerdarm tritt, fanden."

Ein solches Eindringen aber dürfte wohl, eben so wie dasjenige von Ascariden, nur ermöglicht werden durch vorherige Erweiterung des Ostium choledochi, wie sie namentlich die Folge des Durchgangs von Gallensteinen zu sein pflegt. Doch liefern die soeben citirten Fälle kein Material zur sichern Entscheidung dieser Frage,

D. Obliteration des Choledochus.

Meine Casuistik enthält 62 Fälle von Obliteration des Chole- dochus. Darunter sind 17 congenitale, die wohl eben so, wie die analogen Veränderungen, die vom Cysticus und Hepaticus oben (p. 25 und 41) beschrieben worden sind, Folgen fötaler Entzündung, viel- leicht syphilitischer Natur waren. Von den 17 Fällen sind übrigens

Folgen der Choledochussteine. 53

8 schon bei der Hepaticus-Obliteration erwähnt worden. Die meist genauen Krankengeschichten lehren, dass es sich gewöhnlich um durchgehende Verwachsung des Canals handelte.

Unter den nach der Geburt einwirkenden Ursachen steht obenan die Cholelithiasis. Sie ist in 23 Fällen zu beschuldigen, in welchen entweder Gallensteine noch in verschiednen Abschnitten des Systems wirklich vorhanden waren oder doch ihre Spuren in Ge- stalt von allerlei Entzündungszuständen , Perforationen und Fisteln der hinter dem Choledochus liegenden Gallenwege, auch an letz- terem in Gestalt von Narben im Ostium (622. 623. 627. 893) oder im Verlauf (617), oder endlich in Form einer Choledocho-Duodenal- fistel (623) hinterlassen hatten.

In 3 Fällen war offenbar die Verlöthung bedingt durch eine vom Darm hergeleitete Entzündung bei Typhus (849), gut- artiger Pylorusstenose (626) und chronischem Dünndarmcatarrh (1572). In 3 Fällen gab vielleicht chronische Peritonitis nach Trauma (608. 621) und im Puerperium (620) den Anstoss.

In allen übrigen Fällen bleibt theils wegen ungenügender Be- schreibung, theils weil nur am Lebenden beobachtet wurde, theils, weil auch die sorgfältige Obduction keinen Aufschluss darüber gab, die Aetiologie ziemlich dunkel. Der Gedanke an eine Reizung des Canals durch Gallensteine liegt hier immer noch am nächsten, ob- wohl nichts zu beweisen ist.

E. Gompression des Choledochus.'

Allerlei Tumoren, welche den Choledochus comprimiren können, sind längst Gegenstand der Aufmerksamkeit Derer, welche sich mit dem Stauungsicterus beschäftigt haben, gewesen. Für die moderne Chirurgie der Gallenwege haben sie nicht nur in differentiell-dia- gnostischem Sinne, sondern auch dadurch Bedeutung gewonnen, dass sie bisweilen die Indication abgeben für die Anlegung einer Gallen- blasen-Darmfistel. Dies die Gründe, weshalb ich es mir habe an- gelegen sein lassen, eine gewisse Zahl solcher Fälle im Original zu Studiren. Eine Fülle von Material, speciell von Fällen, in welchen Pankreastumoren zu bleibender Choledochus - Compression geführt haben, ist zwar aufgehäuft in den Arbeiten, welche mein Literatur- verzeichniss anführt. Leider aber ist die Beschreibung mancher dieser Fälle, namentlich aus älterer Zeit, zu lückenhaft, als dass daraus für die Symptomatologie viel zu lernen wäre. Ich habe des- halb bald auf eine möglichst grosse Sammlung solcher Beobachtungen verzichtet und mehr auf zuverlässige Schilderung geachtet. So ist

54

Casuistiscli-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

denn gerade hier mein Material ein ich darf wohl sagen aus- erlesenes. Es besteht aus folgenden 117 Fällen:

Hydatiden

1. Tumoren der Leberpforte

Aneurysmen . . . Geschwollene Drüsen Perihepatit. Stränge Carcinome . . .

2 5 4 3

20

2. Tumoren des Pankreas

3. Tumoren des Duodenum

84

Induration -2

Abscess . 1

Concrement 1

Cysten 7

Carcinome 55

•{

Bindegewebs-Wucherung . Carcinome

66

1 16

17

Es sind das natürlich nur Fälle, in welchen der Verschluss des Choledochus bis zur Ausbildung einer ausgeprägten Gallenstauuug gediehen war. Wer sich dafür interessirt, wie oft etwa bei dieser oder jener Tumorart etc. es zu bleibender Impermeabilität des Gangs durch Druck komme, der findet bei den hier zu citirenden Autoren keine ausgiebigen und auch keine übereinstimmenden Mit- theilungen. Bigsby (1. c. p. 94) bezeichnet diese Complication bei Pankreaskrebs als eine gewöhnliche. Da Costa fand sie auf 26 solche Fälle 6 Mal leicht, 9 Mal hochgradig. Janicke verzeichnet in seiner Tabelle auf 63 solche Fälle 47 mit Choledochusverschluss. Nach Boldt käme Icterus nie vor bei einfacher Hypertrophie (1. c. p. 8), oder acuter Entzündung (p. 11), selten bei chronischer Ent- zündung (p. 14), ziemlich häufig bei Cysten (p. 20), häufig, nämlich in mindestens V3 aller Fälle bei Carcinom, Sarcom und Tuberculose der Bauchspeicheldrüse (p. 16). 0. Wyss hat bei 22 auf diese Verhältnisse untersuchten Leichen 5 Mal den Choledochus durch den Pankreaskopf hindurch (17 Mal daran vorbei) gehen sehen und er- klärt daraus die relativ häufige Compression des Canals durch Tu- moren dieses Organs.

Nicht leicht ist es zu einem bestimmten Kesultat zu gelangen hinsichtlich der Häufigkeit der Choledochusobstruction durch Steine gegenüber derjenigen durch Tumorendruck. Und wenn z. B. Tait 1S85 auf Grund von Beobachtungen an seinen 17 Operationsfällen sich dahin ausspricht, Gallensteine verlegten den Gang selten bis zur absoluten Gallenstauung, und der einzige Fall, in welchem er

Folgen der Choledochus-Obstructionen. 55

bei einem seiner Operirten einen permanenten Icterus gesehen habe, sei ein solcher von Carcinom gewesen, so urtheilt er eben auf Grund viel zu kleiner Zahlen. Ich habe auf 16 Operirte 5 mit chronischem Icterus und immer durch Steine gehabt. Viel mehr Werth hat es, wenn Hilton Fagge (1. c. p. 168) nach langjährigen Er- fahrungen äussert, bleibende Gallenstauung mit allen ihren Folgen werde gerade 2 Mal so oft durch comprimirende Krebse, als durch Cholelithen bewirkt.

Ueber die verschiednen vorhin aufgezählten Categorien von Tu- moren ist wenig Besondres zu bemerken: Ob dieselben an dieser oder jener Stelle, näher der Leber oder näher dem Darm, den Canal comprimiren, ist an und für sich gleichgültig und klinisch wohl nicht zu entscheiden. Viel wichtiger ist das Verhältnis, in welchem die Geschwulst zu letzterem steht. Einer bloss seitlich anliegenden Neu- bildung u. dergl. wird der Choledochus eine Zeit lang ausweichen können, von einer ihn umlagernden dagegen wird er, wie Mead (698) sich treffend ausdrückt: „vinculo quasi injecto" erwürgt. Am schlimmsten aber gebt es jedenfalls-, wenn ein malignes Neoplasma- ihn eben so wohl comprimirt, wie infiltrirt und so durch Wandver- dickung sein Lumen noch mehr verengt. Unter den oben genannten Geschwülsten figuriren als relativ unschuldige die Cysten, Aneurys- men und Drüsenschwellungen der Porta und des Pankreas. Schon gefährlicher sind perihepatitische Schwielen und Pankreasindura- tionen. Am schlimmsten sind gewiss Carcinome der Glissonkapsel, des Pankreaskopfs und des Duodenalostium des Choledochus. Hie- her würden auch zählen die krebsigen Infiltrationen der Gallengänge, wie sie von Carcinomen der Gallenblase aus secundär zu entstehen pflegen.

Folgen der Choledoclius - OTbstructionen.

Hier beabsichtige ich nur diejenigen Folgen zu erörtern, welche für den Chirurgen mehr oder weniger bei der differeutiellen Diagnose und im Hinblick auf die Einleitung operativer Behandlung in Be- tracht kommen. Für diese Darstellung benütze ich circa 200 gut brauchbare Krankengeschichten verschiedener Choledochus-Obstruc- tionen.

Jede Behinderung des freien Gallenabflusses ruft natürlich schon am Choledochus, so fern das Hinderniss nicht ganz an seinem An- fang steckt, eine Dilatation hervor. Je näher es dem Duodenum sitzt, um so eher wird der ganze übrige Gang an der Erweiterung

56 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

theilnehmen. Er kann dann gelegentlicli mehr oder weniger cylin- drisch zur Weite eines Daumens (12 Fälle), eines Darms (6 Fälle), ja bis auf 1, 1^2 und selbst 2 Zoll (8 Fälle) ausgedehnt werden. Zuweilen aber wird er hinter einer Strictur, einem Stein in Form einer mächtigen Ampulle oder Cyste aufgetrieben (14 Fälle), welche faustgross (490. 666), 12 cm im Durchmesser (457), 8 Zoll lang und 5 Zoll breit (616) werden, 1 Liter fassen (730) und sogar noch bedeutenderes Volum erreichen kann. In letzterem Fall nehmen an der cystösen Dilatation öfters Cysticus und Hepaticusstamm Theil (9 Fälle). Ja es kann der Sack unter der Leber hervortretend eine eigne, durch die Bauchdecken fühlbare Geschwulst bilden. In 2 sol- chen Fällen haben auch schon Operationen stattgefunden (1759. 1760).

Vom Choledochus rückwärts dilatirt die gestaute Galle den Hepaticus und seine Aeste. Dies war 58 Mal in hervorragen- der Weise der Fall. Die Gänge konnten dadurch l 2 Finger breit (8 Fälle), 1— 17-2 Zoll weit (5 Fälle), vom Caliber eines Darms (561. 697) werden. 2 Mal bildete der Truncus für sich unter der Leber eine cystoide Blase (640. 1761). In letzterem Fall (von Kocher) ist dieselbe für die Gallenblase gehalten und incidirt worden. Erst die Section deckte den Irrtum auf. Aber auch die eigentlich intrahepatischen Zweige erfahren zuweilen enorme Erweiter- ungen : 3 4 Mal so weit als normal (456. 693) , weiter als sonst die grossen Gänge (633), 9 mm weit (549), fingerweit (473. 488. 626. 690). Und von ihren feinsten Wurzeln heisst es ab und zu, dass sie von Auge sichtbar (606), deutlich über die Leberfläche vor- springend (488. 624. 897), gänsekielweit (456. 613), enorm dilatirt (479. 552) gewesen seien. Nicht selten kam es zu spindel- förmigen oder ampullären Dilatationen, in Folge deren das Lebergewebe im Innern cystoid aussah (348. 471. 498. 639). Oder die oberflächlichen Zweigchen wurden varicös (561), oder deren Endigungen zu kleinen Cysten (474. 540. 623. 700), welche bis kirschengross über die Leberconvexität vorsprangen.

Bei den höchsten Graden der Stauung fluctuirte die Leber geradezu (638. 639. 679), zeigte sich innerlich wie ausgehöhlt (478), voller Gallencavernen (509), ja von eigentlich „cavernösem Bau (730). In diesem Zustand bei der Section angestochen, entleerte sie öfters in langanhaltendem Strome colossale Gallenmengen (638. 679. 730), 1 Mal sogar 18—20 Unzen (714).

Ist es aber so weit gekommen, dann hängt eine weitere Com- plication fast nur noch vom Zufall, z. B. von leichter Contusion des Hypochondrium ab: die Ruptur der auf's Aeuss erste dila-

Folgen der Choleclochus-Obstructionen. 57

tirten Lebergänge. Die Literatur kennt mehrere Fälle, wo diese Eventualität sieh verwirklicht hat; allerdings nur einen (627), wo sicher der Druck der gestauten Galle allein die Zerreissung bewirkt hat; dagegen mehrere, wo zugleich Eiterung der Gallengänge oder Leberabscess mit im Spiele war (353. 481. 492. 821. 1761). Ge- wöhnlich kam es dann zu diffuser eitriger Peritonitis, seltener (492) nur zu einem circumscripten Eiterherd unter der Leber.

Aber auch in der Richtung gegen Cysticus und Gallen- blase hin muss die gestaute Galle wirken. Der Cysticus partici- pirt oft auffallend an den Ausdehnungen des Choledochus, kann aber auch für sich allein zu einer dünnen Blase aufgetrieben sein (581), Die Gallenblase erweitert sich ebenfalls. Aber sie verhält sich in dieser Hinsicht bei verschiedenen Obstructionen wesentlich verschieden. Unter 109 gut beschriebnen Fällen solcher Gallenblasenectasie betreffen nur 17 Steinverlegung, alle übrigen andre Occlusionen des Choledochus (10 Tu- moren im Innern, 8 Obliterationen, 74 Compression von aussen). So- dann erreichten ihre Ectasien bei Steinverscliluss' meist nur einen massigen Grad. Nur in 2 solchen Fällen ist das Organ als enorm ausgedehnt bezeichnet (479, 493). Umgekehrt waren die durch anderweitige Verlegung bewirkten Dilatationen oft (35 Mal) sehr beträchtlich und bildeten zum Theil colossale Tumoren (9 Fälle), welche das von Fr er ich s angenommene Maximum von 16 Unzen (480 ccm) Capacität weit überschritten und den grössten hydropischen Ectasien der Gallenblase gleichkamen. Auch Diver- tikel als Folge der allgemeinen Gallenstauung finden wir nie bei calculöser, stets nur bei anderweitiger Occlusion angegeben (545. 553. 679. 971).

Den Gegensatz zu diesen Ectasien bilden 78 Fälle, in welchen trotz Choledochus verschluss und bei offenem Cysticus die Gallen- blase nicht vergrössert, sondern atrophisch war. Allein diese 78 Fälle vertheilen sich in eigenthümlicher Weise auf ver- schiedene Obstructionen: 70 derselben (90^/0) betreffen Stein- einkeilungen im Choledochus, nur 8 (lO^/o) andre Ver- schlüsse! Ueberdies sind unter den 8 letztern Fällen 5, wo die Gallenblase Steine enthielt und offenbar direct durch diese zur Schrumpfung gebracht war.

Theile ich sämmtliche für diese Untersuchung verwendbaren 187 Fälle in 2 Hauptgruppen, so erhalte ich 87 Steinobstructionen, 100 andre Obstructionen. Wegen ihrer annähernd gleichen numeri- schen Stärke lassen sich beide gut vergleichen! Nun collidiren mit

58 Casuistisch- statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

den Steinobstructionen weitaus am häufigsten die Gallenblasenatro- phien (70:87 Fällen = 80,4 '^/o), viel seltener die Ectasien (17:87 = 19, 6 o/o). Die andern Verschlüsse dagegen treffen viel seltener mit Atrophie (8: 100), viel häufiger mit Ectasie (92: 100) zusammen. Oder anders ausgedrückt: Bei Steinobstruction des Chole- dochus ist Ectasie der Gallenblase selten; das Organ ist vorher schon gewöhnlich geschrumpft. Bei Obstruc- tion andrer Art ist dagegen Ectasie das Gewöhnliche; Atrophie besteht nur in V12 dieser Fälle.

Dieses Ergebnis der Untersuchung ist mir überraschend genug gewesen. Gewöhnlich wird in den Hand- und Lehrbüchern ange- geben, Steinobstruction des Choledochus führe durch Gallenstauung zu Gallenblasenerweiterung. Ich finde das gerade Gegentheil und muss das Fehlen einer Ectasie bei Verlegung des Gangs geradezu als charakteristisch für Stein, ihr Vorhandensein als bezeichnend für sonstige Occlusion betrachten. Wenn sich das noch weiter bestätigen sollte, so wäre damit ein wichtiger Anhaltspunkt für die differentielle Diagnostik gewonnen!

Ich habe übrigens noch auf eine andre Art versucht zu eruiren, ob die eben erörterte Differenz im Verhalten der Gallenblase wirk- lich bestehe und in praxi sich zu erkennen gebe. Unter den in meinen Tabellen aufgezählten Operationsfällen finde ich 35 mit Chole- dochusobstructionen, darunter 17 durch Steine, 18 durch Stricturen, Druck von Tumoren u. s. w. Nun fallen auf jene 17 nur 4, auf jene 18 aber 16 mit Ectasie, auf jene 17 dagegen 13, auf diese 18 nur 2 ohne Vergrösserung der Gallenblase. Von den 20 Ectasien betreffen nur 4 Steinobstructionen, 16 andre Verschlüsse. Dies ist also ein noch schärferer Unterschied, als ich ihn bei der ersten Untersuchung constatirt hatte.

Uebrigens ist die Erklärung für diesen Unterschied nicht schwierig. Laut früherer Darstellung (p. 47) stammen die Choledochussteine in der Regel aus der Gallenblase. Auf ihrem Weg aber haben sie, wie eben dort gezeigt worden ist, den Cysticus und zum Theil die Blase gereizt und in beiden deutliche Spuren eines erzwungenen Durchtritts in Form einer chronischen Entzündung der Wandung hinterlassen, welche häufig zuletzt zur Schrumpfung jener Behälter führt. Ist nun die Gallenblase so verändert, so wird auch die stärkste Gallenstauung sie nicht mehr ausdehnen können. Bei den meisten andern Obstructionen, speciell bei denjenigen durch drückende Ge- schwülste, findet die andringende Galle eine normale, nachgiebige Blase vor!

Folgen der Choledochus-Obstructionen. 59

[Welche Rolle übrigens der Zufall spielen kann, beweisen die diagnostiscli wichtigen Fälle, wo gleichzeitig Ectasie der Gallenblase mit Hydrops oder Empyem durch Stein im Cysticus (218. 739. 1600. 1709) oder Obliteration dieses Gangs (548. 562. 604. 605. 608. 653. 720. 743) neben dem Choledochusverschluss bestand.]

Der Inhalt der beim Verschluss des Ductus communis prall gefüllten Gallenwege war gewöhnlich Galle, die aber in Farbe, Consistenz und Transparenz sehr verschieden, häufig sehr dunkel und dick, zähe, schleimig, gallertig (561. 623), syrupartig (622), breiig (546), pechartig (673) war und so gleichsam den Uebergang bildete zu jenen oben beschriebenen Gallengerinnseln und Pigment- concrementen (p. 46), welche gelegentlich an sich schon Obstruction machen können. Hier und da enthielt die retinirte Flüssigkeit reich- lich ausgeschiedenes Cholestearin (613. 632. 714).

Eiter in verschiedner Menge wurde zuweilen in den dilatirten Gängen getroffen, entweder bei offenem Cysticus in der Gallenblase allein in Form des Empyems (8 Fälle), oder in den Gängen allein in Form einer Cholangitis suppurativa (5 Fälle) oder an beiden Orten (5 Fälle).

Das Eigenthümlichste jedoch, was beobachtet worden ist, das ist eine Art von Hydrops der Gallengänge, eine Anfüllung mit wässerigem, farblosem oder leicht schleimigem Liquor ohne alle Merkmale, der Galle. Ich meine hier nicht jene zweifelhaften Fälle, wo bei offenem Cysticus die Blase hydro- pische Flüssigkeit, die Gänge dagegen Galle enthalten haben sollen (607. 704). Hier liegen gewiss Beobachtungsfehler vor. Die conti- nuirliche Flüssigkeitssäule des Systems kann doch nicht in der Blase plötzlich eine so ganz verschiedne Beschaffenheit haben! Hin- gegen sind 10 Fälle beschrieben, wo sicher das ganze System oder bei Absperrung der Blase wenigstens die übrigen Gallenwege mit einem hydropischen Stoff der oben angegebenen Art gefüllt waren. Dieser Zustand ist im vollen Sinn des Worts als Acholie zu be- zeichnen. — Unter den 10 Fällen ist kein einziger von Steinver- legung; dagegen sind darunter 2 von Tumor im Lumen (546. 550), einer von Obliteration (626), 6 von Compression des Canals durch Geschwülste (639. 651. 675. 681. 701. 1401). Der letzte Fall ist un- klar in seiner Aetiologie der Obstruction. Es handelte sich um eine Pyämie, in deren Verlauf sich der Zustand entwickelte (728). Es waren also die Fälle unter sich ungleichartig, nur im Ausgang gleich- artig, aber klinisch meist in nichts verschieden von so vielen andern, in welchen trotz eben so intensiver Obstruction und eben so langer

60 Casiüstisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Dauer derselben bei der Section doch noch richtige Galle die Gänge füllte. Moxon nimmt bei seinem Pyämischen (728) eine primäre Sistirung der Gallensecretion an, wie er sie auch bei 3 andern Fällen (Verbrennung mit Pneumonie, Phthisis mit Fettleber, Cholera mit Pyämie nach subcutaner Injection) beobachtet habe. In den übrigen 9 Fällen ist wol eher einfach an eine durch individuelle Verhältnisse begünstigte secundäre Stillstellung der Gallen- absonderung in Folge des hohen Stauungsdrucks auf die Leberzellen zu denken. Warum aber in so vielen andern Fällen nicht gleiche Folgen entstehen, ist schwer zu sagen!

Die Beschaffenheit der hydropischen Flüssigkeit, welche stets sehr reichlich vorhanden war, wird folgendermassen beschrieben: sie war meist klar, nur ein Mal leicht getrübt, 3 Mal dünn, sonst immer dicklich, schleimig, klebrig, ein Mal wie Gummilösung (546) ; die Farbe weisslich oder graulich. Nur ein Mal (639). schwammen in ihr noch spärliche braune Flöckchen, Reste von Gallenpigment. Ueber die Reaction verlautet ein Mal, dass sie alkalisch gewesen* sei (688). Ein Mal wurde geringer Zuckergehalt gefunden (546).

Im Anschluss an die beschriebnen Alterationen sei auch noch der bei Choledochusobstruction auftretenden Leberabscesse ge- dacht! Wie oft diese auf embolischem Wege, wie oft sie durch directe Fortleitung einer Eiterung im Innern der entzündeten Gänge entstanden sein mögen, entzieht sich wegen der Dürftigkeit mancher Krankengeschichten jeder Beurtheilung. Mir sind 27 derartige Fälle bekannt, darunter nur 5, wo nicht calculöse Obstruction bestand (559: Tumor im Lumen; 743: Obliteration ; 706. 709. 721 Tumoren- druck). Leberabscesse sind also bei Steinverschluss mehr zu erwarten, als bei jeder andern Occlusion (vgl. unten: eitrige Cholangitis und Hepatitis.

Endlich ist zu erwähnen, dass es bei Choledochusverschluss nicht selten zu ulcerativer Perforation der Gallenwege gekommen ist. Ich zähle 50 solche Fälle. Dieselben betreffen 22 Durchbrüche in die Bauchhöhle ; ferner folgende Fisteln : 2 zwischen Gallenblase und Choledochus (349. 780), 2 zwischen Leber und Ma- gen (465. 897), 1 zwischen Gallenblase und Magen (893), 7 zwischen Gallenblase und Duodenum, 4 zwischen Choledochus und Duodenum, 9 zwischen Gallenblase und Colon, 3 zwischen Gallenblase und Bauch- decken. Von diesen 50 Perforationen fallen 48 sicher oder muthmasslich mit Steinobstruction zusammen. Nur in 2 Fällen (1177. 1600) ist dieser Beweis nicht zu leisten!

Symptomatologie des Choledochusverschlusses. 61

Symptomatologie des CholedochusTersehlusses.

Die klinischen Erscheinungen des Choledochusverschlusses sind bekannt genug. Eine derselben, nämlich der Gallenblasentumor durch Gallenstauung, ist soeben eingehend besprochen worden. Es hat sich ergeben, dass derselbe bei Steinobstruction selten , bei an- dern Occlusionen sehr häufig ist. Es wäre wichtig genug, auch von den übrigen Symptomen constatiren zu können, dass sie bei verschiedenen Verlegungen variiren.

Cardinalsymptom ist hier natürlich der Icterus als Ausdruck einer Behinderung des Gallenabflusses. Das Hinderniss selber kommt dabei wenig in Betracht, ist aber doch nicht ganz gleichgültig. Ein Cholelith z. B. mit seiner unveränderlichen Form wird unter Um- ständen die Canallichtung nicht so völlig dicht versperren, wie etwa eine gestielte, relativ weiche Geschwulst (546. 549. 552. 555), welche durch den Druck der gestauten Galle in die Oeffnung hineingepresst, sich nach dieser formt und sie deshalb viel genauer ausfüllt. Ja. sogar bei Vollstopfung aller Gänge mit Calculis kann gelegentlich Jahre und Jahrzehnte lang jede Spur von Gallenretention ausbleiben, weil zwischen den einzelnen Stücken hindurch wie durch ein Sand- oder Kiesfilter die Galle ins Duodenum abfliessen kann (79. 353. 355. 475).

In Folge besondrer Verhältnisse ist zuweilen der Icterus in- termittirend. Das war in 12 anatomisch untersuchten Fällen beobachtet, von denen 9 Steinobstructionen , 3 Tumoren im Canal selber betreffen. Diese Intermittenz bestand darin, dass die Sym- ptome der ununterbrochen fortdauernden Occlusion nicht immer gleiche Intensität zeigten, vielmehr speciell die Gelbsucht schwächer und stärker war und zeitweise sogar ganz verschwand. Cruveilhier hat zuerst ein solches Verhältnis beschrieben (470) und folgender- massen erklärt:

Hinter einem im Choledochus eingekeilten Stein, der vorläufig dessen Lichtung ganz verlegt, findet Gallenstauung statt. Diese dehnt endlich den Gang so weit aus, dass der Stein sich lockert. Jetzt fliesst eine Zeit lang Galle frei in den Darm. Der Icterus vermin- dert sich. Allmälig legen sich die Canalwände wieder dichter an den Stein. Die Gallenstauung beginnt von Neuem etc. Diese sehr plausible Erklärung dürfte für alle übrigen derartigen Fälle auch gelten (490. 496. 498. 922. 949. 1625), namentlich für 2 eigener Beobachtung (1693. 1758). Gewöhnlich waren hier die Steine solitär und gross, 2 Mal zu zweien (949. 1625), 1 Mal zu 5(1693), iMal zu

62 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

vielen (922). Anders entsteht die wechselnde Gelbsucht in Fällen, wo der Gang durch eine Neubildung seines Innern verstopft ist. Haarmann glaubt (553) ein temporäres Verschwinden des Icterus durch Zerfall und dessen Wiederkehr durch erneute Wucherung der in seinem Fall am Ostium sitzenden weichen Geschwulst erklären zu können. Aehnliches ist wohl in den 2 andern analogen Fällen (546. 547) anzunehmen.

Etwas ganz Andres, als die eben dargestellte Intermittenz ist jenes oft durch lange Jahre wiederholte Auftreten eines meist kurzdauernden Icterus, welcher durch öfteres Durch- gehen von Steinen ins Duodenum verursacht wird und, zumal wenn er mit Koliken verbunden ist, resp. unmittelbar an solche sich an- schliesst, eines der sichersten Merkmale für Cholelithiasis bildet. Der Satz von Baglivus (1. c): „Si Icterus semel curatus denuo ac saepius recidivet, Signum est infallibile oriri e calculo (vesicae felleae)" kann heut noch unterschrieben werden. Frühere Gelbsuchten finde ich nun auf 80 Fälle anatomisch nachgewiesener Steinobstruction 26Mal notirt, darunter 22Mal neben typischen Hepatalgien; viel seltener, nämlich auf 74 Fälle nur 4Mal, bei sämmtlichen übrigen Choledochus- verschlüssen. In 2 dieser letzteren Fälle rührte wahrscheinlich der Icterus her von damaligem Durchgang von Concrementen (546. 1177). In den 2 andern (549. 1650) hatte die Gelbsucht den Cha- racter einer catarrhalischen von mehrwöchentlicher Dauer gehabt. Es ergiebt sich also in der That, dass frühere, wenn auch vor Jahren überstandene Icterusanfälle in der Anamnese de r Gallensteinocclusion eine wichtige Rolle spielen und von hoher pathognomonischer Bedeutung sind!!

Noch ein diagnostisch werthvoller Unterschied in der Entwick- lung der Gelbsucht ergiebt sich bei Steinobstruction gegenüber an- dern Verschlüssen. Ein über mehrere Jahre ausgedehnter Icterus spricht im Allgemeinen viel mehr für Stein, als für ein anders Hindernis. Ich kenne 6 anatomisch unter- suchte Fälle von Icterus mit 2 5jähriger Dauer (490. 507. 964. 1668. 1692. 1693). Immer war ein Stein vorhanden. [Leider sind 4 wichtige Fälle mit 4 jähriger (Budd, 1. c. p. 205), 6 jähriger (497. 612) und sogar angeblich 20 jähriger Dauer (1147) nicht zur Section gelangt, die Ursachen also hier nicht sichergestellt]. Der Grund, weshalb andre Occlusionen, z. B. comprimirende Tumoren, unter welchen die Pankreaskrebse die wichtigsten sind, keine so langdauernde Gelbsucht herbeiführen, ist einfach der, dass eben diese

Symptomatologie des Choledochusverschlusses. 63

Grundkrankheiten relativ früh durch anderweitige Störungen den Tod bewirken. [Hier befinde ich mich in unlösbarem Widerspruch mit L. Tait, welcher (Brit. med. Journ. 1886) sich äussert: ein Jahre lang bestehender intensiver Icterus spreche nicht für Gallenstein, sondern eher für ein tiefes Leberleiden, meist für Tumor. Ich weiss nicht, auf welche und wie viel Fälle sich diese Aussage stützt.]

Unter den Symptomen, welche diagnostisch wichtig werden können, sind weiterhin die Koliken zu nennen. Diese gelten recht eigentlich als eine Haupterscheinung der Cholelithiasis. Sie figu- riren in den mir vorliegenden Anamnesen von 80 kli- nisch und anatomisch gut beobachteten Fällen von Choledochussteinen 51Mal! 10 Mal wird ihr Fehlen in früherer Zeit ausdrücklich bemerkt. In den übrigen 19 Fällen wird davon geschwiegen! Im Gegensatz hierzu ist unter 74 Fällen von anderweitigen Obstructionen nur 9Mal früheres Vor- kommen von typischen Koliken notirt. Es besteht also auch hier ein bedeutender Unterschied. Und es ist wohl richtig, dass„ früher durchgemachte Koliken schwer in die Wagschale der Steinverlegung des Choledochus fallen.

Ich füge noch bei, dass in 5 Fällen, welche aber stets Concre- mentobstruction betrafen, ein früherer Abgang von Steinchen im Stuhl bemerkt ist (79. 528. 1024. 1680. 1758).

Schliesslich sei einer Erscheinung gedacht, welche in einschlä- gigen Fällen zuweilen auftritt, nämlich febriler Temperaturen, wie sie bei Choledochusverschluss nicht selten sind. Charcot hat zuerst ein von ihm genau beschriebenes mehr oder weniger remit- tirendes oder intermittirendes Fieber als direct von der Behinderung der Gallenabfuhr, resp. von der Resorption der gestauten Galle ab- hängig aufgefasst und als „Fievre intermittente hepatique" bezeichnet. Schüppel dagegen (1. c. p. 109) möchte dasselbe eher als Folge entzündlicher Vorgänge betrachtet wissen. Ziehe ich nun mein Material zu ßathe, so finde ich:

Auf 80 Steinverschlüsse kommen 19 (also etwa V4), auf 74 andre Obstructionen 7 (also etwa Vio) mit Fieber. In einem jener 19 Fälle war allerdings die Temperatursteigerung nur leicht und nicht mit Frösten verbunden (494). Ich lasse denselben ausser Betracht. In den übrigen 25 Fällen war das Fieber ver- schieden ; bald längere Zeit massig und erst kurz vor dem Tod mit einem Frost endend (492. 507), bald umgekehrt mit Frost beginnend und dann anhaltend (484. 559. 720) ; gelegentlich wochenlang ohne Fröste hochstehend (470. 706). Meist jedoch wiederholten sich durch

64 Casuistisch-statistisclie Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

längere Zeit Fröste mit springenden Temperaturen (12 Fälle) unter dem Bilde der Pyämie. Nicht ganz selten bestand dabei ein ziem- lieh regelmässiger Typus (6 Fälle), z. B. mit Stägigen (1728), 2 bis Stägigen (1758), oder selbst genau 24 Stunden betragenden Pausen (450. 482. 1706) durch Wochen hindurch.

Die Ursachen dieser febrilen Schwankungen aber waren zu suchen: 4Mal in Ulceration des Choledochus (470. 482) bis zur Perforation ins Duodenum (450. 490J; 1 Mal in Diph- therie der Gallenblase (498); 4Mal in Empyem derselben (720. 743. 1533. 1706); 2Mal in ihrer Perforation gegen das Duodenum (949) oder durch die Bauchdecken mit Gangrän der letztern (1177), IMal in eitriger Cholangitis (484), 7Mal in Leberabscessen (474. 492. 524. 559. 706), zum Theil mit Durchbruch in die Bauch- höhle (1268), oder mit eitriger Pylephlebitis (922); endlich IMal in Peritonitis unklarer Entstehung (701). 2Mal war scheinbar ohne Ulceration etc. eine Endocarditis ulcerosa mit Metastasen in Innern Organen zu Stand gekommen (513. 514). In den 3 letzten von den 25 Fällen ist entweder keine Section gemacht (1758), oder der Sectionsbericht erwähnt nichts von Eiterung etc. (507. 1729).

Nach diesen Befunden bin ich sehr geneigt, mitSchüppel im Gegensatze zu Charcot das int er m i 1 1 ir en d e hepatische Fieber als ein entzündliches, septisches und nicht als ein durch einfache Gallenresorption bedingtes aufzufassen. Zu- gleich sei nochmals Gewicht darauf gelegt, dass dieses Fieber un- gleich häufiger bei calculöser, als bei sonstiger Choledochusverlegung auftritt !

Für den Chirurgen ist es nun besonders wichtig, mit einiger Sicherheit erkennen zu können, ob eine Occlusion des Choledochus durch ein Concrement, oder durch eine andre Ursache bewirkt sei. Je nach der Diagnose wird er in dem einen Fall eine ganz andre Behandlung einschlagen müssen als im andern (wie noch zu zeigen sein wird). Ich fasse deshalb in Kürze nochmals die entscheidenden Symptome hier zusammen: Für Steinobs truction sprechen:

1. frühere (kurzdauernde) Gelbsuchten.

2. anhaltende, aber in ihrer Intensität wechselnde Gelbsucht.

3. Jahre lang anhaltende Gelbsucht.

4. frühere typische Koliken, besonders wenn sie mit Gelbsucht verbunden waren.

5. fi'üherer Abgang von Gallensteinen.

6. fehlender oder unbedeutender Gallenblasentumor.

7. Fieber mit mehr oder weniger intermittirendem Character,

Symptomatologie äes Choledochusverscblusses. 65

Für anderweitige Obstruction spricht dagegen das Fehlen der aufgezählten Merkmale und ganz besonders das Vorhandensein und namentlich bedeutende Grösse einer Gallenblasenschwellung.

Die nicht- calculösen Verschlüsse noch speciell zu diagnosticiren, dürfte in der Regel fast unmöglich sein. Mir hat es wenigstens nicht gelingen wollen, Symptome ausfindig zu machen, welche mit Sicher- heit diese oder jene Form des Verschlusses würden erkennen lassen. Beispielsweise ist unter 21 Fällen von Tumoren im Innern des Choledochus nur ein Mal der Symptomencomplex der Art ge- wesen, dass dieses Verhältnis erkannt werden konnte. Es war in dem schon (p. 49) beschriebnen Fall Pozzi's (558), wo ein Icterus von 87tägiger Dauer nach dem unerwarteten Abgang eines hasel- nussgrossen Polypen im Stuhlgang rasch verschwand. Unter den 24 brauchbaren Krankengeschichten von acquirirter Oblitera- tion ist nicht eine, welche von einer bestimmten Diagnose oder von Erscheinungen spricht, die eine solche hätten stellen lassen. Besser steht es mit der Obstruction durch Druck von Tumoren der Porta, durch Hydatiden, Bindegewebsstränge , Aneurysmen, ge- schwollene Drüsen, diverse Krebse. Von solchen liegen mir 18 aus- führliche Beschreibungen vor. Es zeigt sich nun, dass hier am ehe- sten Sitz und Natur des Tumors erkannt werden kann und zwar daraus, dass unter solchen Umständen neben dem Icterus auch Ascites nicht selten allmälig auftritt. Nur würde hier jeweilen eine Lebercirrhose, welche gleiche Symptome macht, ausgeschlossen werden müssen. Auch wird nicht leicht entschieden werden können, ob der Choledochus, oder der Hepaticus der comprimirte Gang ist, es sei denn, dass ein deutlicher Gallenblasentumor für freie Ver- bindung zwischen Hepaticus und Gallenblase spräche. Uebrigens sind alle Fälle mit Ascites von vorn herein für chirurgische Therapie ungeeignet. Gleiches gilt für die Fälle, wo ein Carcinom der Gallen- blase schliesslich durch Uebergreifen auf die Porta Icterus und Ascites gemacht hätte.

Leider muss nun zugestanden werden, dass auch bei den auf den intestinalen Choledochustheil drückenden Geschwül- sten eine sichere Erkenntnis fast nie gewonnen worden ist. Den comprimirenden Tumor in seiner tiefen Lage (Pankreaskopf, Duo- denum), oft versteckt unter der Leber herauszutasten, ist schon selten gelungen (auf 45 gut beschriebene Fälle nur 12Mal!); noch seltener, ihn richtig zu deuten. So kommt es, dass man hier öfters dasjenige Verhältnis angenommen hat, welches allgemein als das häufigste galt und (wahrscheinlich irriger Weise, vgl. p. 55) noch gilt: die Ver-

Courvoisier, Gallenwege. o

66 Casuistisch-statistisclie Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

legung des Canals durch ein Concrement. Vielleicht aber dürfte in solchen Fällen eine scrupulöse Palpation der Leber hie und da ergeben, dass dieselbe mit Knoten besetzt ist, welche dann auf- zufassen wären als Metastasen eines primär im Pankreas oder Duo- denum sitzenden oder vom Pylorus aus auf das Ligamentum hepato- duodenale tibergreifenden Carcinoms. Besondre Aufmerksamkeit wird man aber jeweilen der Bauchspeicheldrüse zu schenken haben!

Wenn ich einen Augenblick bei dem weiteren Verlauf und den Ausgängen der Choledochusobstruction verweile, so ge- schieht es, um zunächst eine auch chirurgisch höchst wichtige Com- plication hervorzuheben. Hie und da ist schon eine bei dem „Icterus gravis", zumal in Folge von Behinderung der Gallenabfuhr auftre- tende, eigenthümliche Disposition zu Blutungen geschildert worden. Doch scheinen die betreffenden Autoren, speciell Leyden (1. c. p. 178), Frerichs (1. c. p. 138), Schüppel (1. c. p. 105), Mur- chison (I. c. p. 358) hauptsächlich die Blutungen aus dem Darm- tractus im Auge gehabt zu haben. Feltz und Ritter (1. c. p. 675) bezeichnen diesen „Etat hemorrhagique" als selten und glauben zugleich, derselbe werde nicht sowohl durch Ueberladung des Bluts mit Gallenfarbstoff, als durch solche mit Gallensalzen, resp. -säuren und erst dann verursacht, wenn die Menge der Salze 10 11 Tau- sendstel der Blutmasse betrage. [Weniger klar ist mir, was S enger (Berl. klin. WS. 1890. Nr. 2. p. 28) mit den Blutungen meint, welche „bei Gallensteinkranken vielleicht wegen der dünneren Beschaffen- heit ihres Bluts" gern aufträten. Ich denke, es sollte hier nicht heissen „Gallensteinkranke", sondern „Icterische".] Mit voller Be- stimmtheit warnen Sims (Brit. med. Jnal. 1878. 8 June p. 811) und Langenbuch (an mehreren Stellen) vor unüberlegten chirurgischen Eingriffen bei chronisch Icterischen wegen ihrer Neigung zu Blut- ungen.

Mir fällt es nun ausserordentlich auf, wie ungemein häufig ich in meiner Casuistik bei cholämischer Intoxication, selbst wenn sie noch nicht sehr lange bestanden hat und nicht besonders hochgradig ist, diese hämorrhagische Diathese gefunden habe. Bei einer raschen und unvollständigen Durchsicht habe ich schon 58 solche Fälle ge- sammelt. Die Blutungen betrafen:

Magen (Blutbrechen) 19 Mal

Darm (Blutstühle) 28 =

Bauchhöhle (blutiger Ascites) .... 1 =

Retroperit. Zellgewebe ...... 1 =

Harnwege (Hämaturie) 2 =

Symptomatologie des Choledochusverschlusses. 67

Uterus (Menorrhagien) 6 Mal

Nase 10 =

Zahnfleisch 7 =

Haut (Petechien, Purpura etc.) . . . . 11 =

Blutegelbisse (unstillbare Blutg.) . . . 1 =

Gallenblasen-Bauchfistel 1 =

Gallenblasenwunden, operative .... 6 =

Ausser Magen- und Darmblutungen waren also relativ häufig Schleimhauthämorrhagien aus andern Organen, sowie HautpetecMen. In den meisten der 58 Fälle haben zum Glück für die Patienten keine Operationen stattgefunden. Die 6 Fälle von durchweg tödt- lichen oder wenigstens zum tödtlichen Ausgang wesentlich beitra- genden Blutungen aus operativen Gallenblasenwunden (1556. 1557. 1655. 1666. 1691. 1731) mahnen für alle Zukunft zur Vorsicht. Der Chirurg muss es sich zur Pflicht ma- chen, bei langdauerndem Icterus genau Haut, Schleim- häute und Entleerungen des Patienten zu untersuchen und darf, wenn er Spuren einer hämorrhagischen Dia- these entdeckt, einen operativen Eingriff nur wagen, falls vitale Indication besteht, stets aber im Bewusstsein, dass durch denselben die gefürchtete Complication zum Ausbruch gelangen kann.

Weiter ist eines Ausgangs der Choledochusverschlüsse zu ge- denken, welcher als eine Art von Spontanheilung zu betrachten ist. Ich verweise auf die Darstellung der Fisteln zwischen Gallenwegen und Darm, speciell Duodenum und Colon (Cap. VI. D.), sowie der Gallenblasen-Bauchdeckenfisteln (ibid. H.). Es wird dort gezeigt werden, dass häufig die genannten abnormen Communicationen dann entstehen, wenn lange Zeit der natürliche Abfluss der Galle ins Duodenum behindert gewesen ist. Es ist aber zugleich einleuchtend, dass die plötzliche Eröffnung eines solchen Sicherheitsventils der ganzen Krankheit eine andre Wendung geben kann. Die Herstellung einer Gallenblasen - Bauch- deckenfistel befreit die bis dahin abgesperrte Galle und entlastet in vorläufig lebensrettender Weise die Leber, allerdings nicht, ohne zugleich den durchaus nicht gleichgültigen gänzlichen Verlust der kostbaren Galle herbeizuführen. Die Entstehung einer Gallenblasen- Darmfistel aber wird noch grösseren Nutzen stiften, indem sie je nach ihrer Einmündung in einen höher oder tiefer gelegenen Darm- abschnitt die Galle in vollkommenerer oder beschränkterer Weise ihrem ursprünglichen Zweck, der Fettverdauuug zurückgiebt.

68 Casuistiscli-statistische Beiträge zur Pathologie der Galleuwege.

Chirurgische Behandlnng des CholedochusTerschlusses.

Ein permanenter Choledochusverschluss , er mag herkommen, woher er will, ist sicherlich auf internem Weg nicht zu beseitigen. Eine Spontanheilung (wenn man sie überhaupt so nennen kann, da doch der Verschluss des Gangs eigentlich nicht direct aufgehoben wird) ist durch die soeben beschriebue Art der Fistelbildung mög- lich. Aber wer dürfte es wagen, solche seltene glückliche Ausgänge abzuwarten?

Deshalb ist meine Ansicht, dass, wenn irgend ein patho- logischer Zustand der Gallenwege unbedingt einen ope- rativen Eingriff erlaubt und verlangt, es eben die per- manente Choledochus-Obstruction ist.

Das Ideal wäre allerdings, das Hindernis am Choledochus direct wegzuschaffen.

Das ist in der That bei Concrementen möglich. In 6 Fällen ist z. B. die Extraction eines solchen von der eröffneten Gallenblase aus durch den sehr weiten Cysticus gelungen (1533. 1615. 1625. 1643. 1688. 1694). In 2 von Thornton operirten Fällen war eine langwierige Zerbröckelung des Steins (1625. 1694) mit ver- schiednen Zangen, ein Mal nach vorheriger blutiger Dilatation des Cysticus nöthig, um denselben in Fragmeuten entfernen zu können. Von diesen 6 Patienten sind 2 gestorben, welche augenscheinlich in extremis zur Behandlung kamen. Die übrigen sind geheilt. Thorn- ton hat auch in einem höchst interessanten Fall durch die Leber hindurch sich den Weg zu einigen hundert im erweiterten Hepaticus liegenden Concrementen gebahnt und schliesslich von der Leber- incision aus noch einen Calculus aus dem Choledochus geholt. Auch hier erfolgte Heilung (1762).

Die eben erwähnten Ausräumungen von Concrementen sind nur in Verbindung mit einer Cholecystotomie oder Hepatotomie möglich gewesen. Es giebt aber ein Verfahren, welches nicht nothwendig an eine solche Voroperation gebunden ist. Das ist die indireete Lithothripsie durch die Canalwand hindurch, analog der schon bei den Cysticussteinen (p. 32) angedeuteten. Dieselbe ist von Lau- genbuch (1729), Crede (1746) und Kocher (1757) je ein Mal, von mir 2 Mal (1658. 1693) bewerkstelligt worden. Aber nur Kocher hat gewagt, die Zertrümmerung ohne Voroperation zu machen, lieber die Erfolge wird im zweiten Theil der Arbeit (Cap. III. B.j berichtet werden.

Endlich kommt aber hier in Betracht eine Methode, welche in

Eitrig-geschwürige Entzündungen der Gallenwege. 69

idealer Weise die Beseitiguag von Steinen erzielt: die Excision nait nachfolgender Naht des Choledochus. Mit einem Schlage wird dadurch der Gang frei gemacht und die Möglichkeit eines voll- ständigen Schwindens der cholämischen Störungen geboten. Doch ist dieser Eingriff in typischer Weise und mit lauter günstigen Aus- gängen erst 3 Mal von mir ausgeführt worden (1658. 1700. 1758). Ich möchte denselben aber für die Zukunft in erster Linie und an Stelle der nicht ganz unbedenklichen Litbothripsie empfehlen (vgl. II. Theil p. 343—346).

Was nun die übrigen Obstructionen betrifft, so ist deren un- mittelbare Wegschaffung undenkbar und bloss eine palliative Be- handlung derselben möglich. Unsre Aufgabe wird darin bestehen müssen, der angestauten Galle einen Ausweg zu verschaffen. Das könnte durch Anlegung einer Gallenblasen-Bauchdecken- fistei, durch eine Cholecystostomie geschehen. Allein dann würde die gesammte Galle nach aussen fliessen und für die Ver- dauung verloren gehen. Das Gleiche würde der Fall sein, wenn etwa hinter einer Strictur seines intestinalen Theils der Choledochus in seinem hepatischen Theil cystös erweitert wäre und dieser dila- tirte Abschnitt desselben direct eröffnet würde. Es sind mir 2 der- artige Operationen bekannt, bei welchen man glaubte, die erweiterte Gallenblase zu eröffnen und in die Bauch wunde einzunähen, also eine Cholecystostomie zu machen und wo es sich erst bei der Section zeigte, dass eigentlich eine Choledochostomie gemacht worden sei (1759. 1760). Beide Patienten erlagen rasch dem Eingriff. Viel rationeller würde in derartigen Fällen eine Operation sein, bei welcher zwischen Gallenblase und Darm eine Anastomose hergestellt, also an Stelle des bleibend verschlossenen Choledocbus ein neuer Weg für die Galle in den Tractus intestinalis geschaffen würde. Diese Operation, die Cholecysto-Enterostomie, ist neuerdings öfters und meist mit Glück ausgeführt worden (vgl. II. Theil Cap. III. A).

FÜNFTES CAPITEL.

Eitrig-gesehwürige Entzündimgen der Grallenwege.

A. Gallenblase. In den 2 ersten Capiteln dieser Arbeit ist wiederholt von den chronischen Entzündungen die Rede gewesen, welche im Anschluss an Reizungen der Gallenwege durch Concremente in der Wand der

70 Casuistisch- statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Gallenblase sieh geltend maclien können, und deren Endergebnis eine Schrumpfung oder eine Hypertrophie des Organs zu sein pflegt.

Neben diesen Processen aber giebt es theils ebenfalls chronisch, theils mehr oder weniger acut verlaufende eitrige Entzündun- gen, bei welchen allerdings Concremente zuweilen auch eine Rolle spielen, bei welchen aber nicht nur der mechanische Reiz, sondern gewiss auch die Betheiligung inficirender Keime vorauszusetzen ist. Die Cholelithen excoriiren vielleicht die Mucosa. Aber erst wenn in die Wunde sich Microorganismen einnisten, dürfte es zur Suppu- ration kommen. Am allerwahrscheinlichsten ist diese Entstehung bei denjenigen eitrigen Cholecystitiden, welche im Verlauf acuter Infectionskraukheiten, namentlich des Typhus auftreten.*)

Die suppurative Gallenblasenentzündung ist schon in allen Sta- dien beobachtet worden, von der beginnenden Eiterung an bis zu dem Zustand, wobei das Organ in einen Abscess verwandelt ist. Die Zahl aller mir bekannt gewordenen einschlägigen Fälle beträgt 82. Von denselben sind aber 4 so schlecht beschrieben, dass man sie kaum verwerthen kann (197, 744. 747. 1564). Es bleiben also 78 brauchbare Fälle.

Unter diesen bieten 16 das Bild einer catarrhalischen oder beginnenden eitrigen Entzündung dar: die Schleimhaut ver- dickt, mehr oder weniger injicirt, dabei der Inhalt der Höhle bald schleimig-serös mit eitrigen Flocken, bald mehr dickeitrig, bald kaffeesatzähnlich (745). Zuweilen ist die Mucosa an einer Stelle (463. 752. 782) oder vielfach (738. 740. 758) ulcerirt, nicht selten diph- theritisch belegt (529. 738), gangränös (752), in Fetzen ablösbar (762). Von diesen 16 Cholecystitiden sind volle 5 im Verlauf eines Ty- phus entstanden, 3 unbekannten Ursprungs. 4 Mal enthielt die Gallen- blase ein bis viele Concremente (740. 745. 1544. 1547), 4 Mal der Choledochus ein solches (454. 463. 529. 1694). In diesen letztern Fällen bestand entweder eitrige Cholangitis mit Eiterung der Blase, oder nur Ulceration der letztern.

Ein wesentlich andres Bild, nämlich dasjenige der phlegmo- nösen Infiltration der Gallenblasenwandung boten 7 Fälle, in welchen 2 Mal Typhus (757. 767), sonst immer Cholelithiasis zu Grunde lag. Die meist mit eitrig getrübter Galle gefüllte, dilatirte Blase war hie und da inwendig ulcerirt, stets aber in ihrer Dicke

*) Anmerkung während des Drucks: Diese Annahme trifft nicht allgemein zu. In einem kürzlich von Prof. So ein operirten Fall erwies sich der dünne Eiter eines Gallenblasenempyems absolut keimfrei 1 Weitere Beobachtungen sind erwünscht.

Eitrig-geschwürige Entzündungen der Gallenwege. 71

von Eiter durchsetzt, das eine Mal in Form von Pusteln (364), das andre Mal in Form einen subserösen Abscesses (757), öfter diffus (732. 735. 767. 852). In einem von mir operirten Fall (1655) fand ich eine fingerdicke Adhäsion mit dem Quercolon, in dieser einen erbsengrossen Eiterherd, an der entsprechenden Stelle eine tiefgehende Ulceration der Gallenblasenschleimhaut und in der Blasenwand meh- rere kleine Abscesse, welche eine ausgedehnte Resection des Organs erforderten.

Nun folgen die 55 Fälle von eigentlichem Empyem. Als solches darf man nur denjenigen Zustand bezeichnen, wobei die Höhle mit achtem Eiter angefüllt oder wobei dem galligen oder schleimigen Inhalte viel Eiter beigemischt ist. Die Gallenblase ist dann förmlich in einen Abscess verwandelt, und zwar in den typischen Fällen unter gleichzeitigem Abschluss von den übrigen Gallenwegen. Sie stellt eine in Eiterung begriffene Cyste dar. So verhielt sie sich in 30 von 41 Fällen, in welchen diese genaueren Verhältnisse über- haupt berührt werden. Der Cysticus war dabei 13 Mal durch ein Concrement, 16 Mal durch Obliteration , l Mal durch ein Carcinom der Porta verschlossen. Bei einer Gruppe von 1 1 Fällen war der Cysticus offen. In 4 dieser Fälle war die eitrige Cholecystitis nur Theilerscheinung einer allgemeinen suppurativ-ulcerativen Entzündung der Gänge (382. 501. 737. 763), in 7 dagegen soll nur die Gallen- blase Eiter enthalten haben. . Keine Angaben über das Verhalten des Cysticus finden sich in 14 Fällen!

Aetiologisch kommt bei den Empyemen die Cholelithiasis in 41 von 55 Fällen in Betracht; und zwar fanden sich die Steine:

in der Gallenblase 24 Mal

in Gallenblase und Cysticus .... 5 = in = = Choledochus ... 2 =

im Cysticus 3 =

im Choledochus 2 =

in allen Gallenwegen 3 =

(frühere Gallensteinkoliken) 2 =

41 Mal In 6 andern Fällen kommt Infection in Betracht; und zwar je ein Mal Typhus (750), Cholera (753), Malaria (763), „Gallenfieber" (764), Sepsis nach Operation (766), puerperale Sepsis vielleicht mit Tuber- culose (737). In 1 Fall bestanden viele Krebsknoten in der Leber (754). 2 Mal ist wol ein Trauma mit zu beschuldigen, und zwar Sturz aus der Höhe auf den Bauch (765) und Fusstritte auf das r. Hypochondrium (1534). 5 Mal fehlt jede Andeutung über die muthmassliche Aetiologie.

72 Casuistisch- statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Bei ausgesprochenem Empyem war die Schleimhaut der Gallen- blase nur selten intact (219. 382. 734), meist geschwürig, zum Theil sogar gangränös (531. 764). Die Wand im Ganzen war häufig ver- dickt, hypertrophisch, gelegentlich verkalkt (748), bisweilen eine wahre „vessie ä colonnes" mit stark vorspringenden trabeculären Wülsten (741. 742. 746. 751). Mehrmals waren an ihr steinhaltige Divertikel vorhanden (739. 1265. 1340. 1617).

Ueber die Beschaffenheit des Inhalts solcher Empyeme lauten die Angaben oft unbestimmt, zuweilen aber ganz klar. 20 Mal war dicker, rahmiger Eiter, „pus laudabile" (1589), „sincerum pus" (742) vorhanden ; 9 Mal eine Mischung von Schleim und Eiter, 8 Mal Galle mit Eiter etc. Nur 3 Mal scheint Jauche, stinkende, blutig- eitrige Flüssigkeit gefunden worden zu sein (219. 1528. 1604).

Die Menge des Eiters kann sehr wechseln. Unter 35 Fällen mit entsprechenden Notizen war die Gallenblase 4 Mal verkleinert, 5 Mal massig dilatirt, sonst beträchtlich ausgedehnt. Sie enthielt z.B. 18 Mal 200— 600 ccm, 2 Mal 950 und 1100 ccm Eiter (764. 1538), war ein Mal mannskopfgross (1528), ein Mal mit angeblich „2 Waschbecken voll" Flüssigkeit gefüllt (751). Ich beziehe mich übrigens auf das schon beim Hydrops der Gallenblase (p. 23) Gesagte, wonach man sich nicht vorstellen darf, so bedeutende Ansammlungen hätten sich immer buchstäblich in ihr befunden. Im Gegentheil wer- den dieselben hie und da nur möglich durch Mitbetheiligung intra- visceraler, abgekapselter Räume nach Perforation, resp. partieller Usur der Gallenblase (531. 731. 751. 766).

Das Verhältnis der letztern zu ihrer Nachbarschaft war übrigens häufig beim Empyem durch adhäsive Pericholecystitis alterirt. Solche hatte z. B. Verwachsungen herbeigeführt mit dem Pylorus 2 Mal, mit dem Duodenum 7 Mal, mit dem Jejunum 1 Mal, mit dem Quercolon 12 Mal, mit dem Netz 6 Mal, mit der vordem Bauch- wand mehr oder weniger ausgedehnt 11 Mal. Solche Adhäsionen haben für den Chirurgen eine doppelte Bedeutung. Sie sind un- günstig, indem sie bei seinen Manipulationen oft hinderlich werden ; und doch wieder günstig, indem sie unter Umständen gestatten, fast extraperitoneal zu operiren.

Im Anschluss an die eitrige Cholecystitis kann sich nun, auch ohne Perforation, Peritonitis einstellen. Diese ist zuweilen cir- cumscript, ein abgesackter Abscess in der Nähe der Gallenblase (219. 731). Häufiger ergiebt die Section die ersten Andeutungen (746. 782) oder die ausgesprochenen Zeichen diffuser eitriger Ent- zündung des ganzen Bauchfells (732. 733. 735. 749. 751).

Symptomatologie des Gallenblasen- Empyems. 73

Symptomatologie des Gallenblasen -Empyems.

Es giebt kein einheitliclies Bild des Empyems der Gallenblase. Vielmehr bestehen ätiologische und individuelle eben so gut, wie graduelle Unterschiede. Dazu ist der Beginn der Erkrankung oft recht dunkel, durch die Erscheinungen der primären Affection (Cho- lelithiasis, Typhus etc.) maskirt. Immerhin gelingt es auf Grund mancher guter Nosographien ein paar Symptomencomplexe für ge- wisse Formen dieser Entzündung festzustellen.

Vor Allem ist zwischen acuten und chronischen Fällen zu unter- scheiden. Acut, ja peracut verläuft die Complication zuweilen etwa in folgender Weise: Plötzlich, mitten in scheinbar voller Ge- sundheit (219. 732. 745), oder nach mehrtägigem allgemeinem Un- wolsein (454), erkrankt Patient an heftigen Koliken im ganzen Ab- domen, welche ihren Ausgangspunkt im rechten Hypochondrium haben. Dazu kommen peritonitische Erscheinungen, Erbrechen, Ver- stopfung, zunehmende Auftreibung des Abdomen mit grosser Druck- empfindlichkeit. Fieber war meist vorhanden. Ein Mal bestand Icterus (454). Alle Patienten starben in 3 5 Tagen. Die Section ergab stets eine mehr oder weniger ausgesprochene eitrige Cholecystitis, entweder Schwellung und Röthung der Mucosa mit blutigem Inhalt (745), oder Ulcerationen (732), zum Theil mit Ver- jauchung (219. 454), oder eitrige Infiltration der Wand (735). 2 Mal war Perforation mit abgesacktem peritonealem Abscess (219. 454), 2 Mal ohne Perforation diffuse Peritonitis erfolgt (732. 735). Die betreffenden Fälle waren solche von Cholelithiasis.

Etwas günstiger verliefen einige andre Fälle, indem zwar die initialen Symptome eben so heftig waren, wie in den soeben ge- schilderten, aber doch keine eigentlich peritonitischen Anzeichen auftraten, nach einigen Tagen Beruhigung erfolgte und von da an die Weiterentwicklung eine chronische wurde (733. 734. 764. 1664. 1670). Freilich ist auch- da noch, wenn chirurgische Hilfe aus- blieb, nach einigen Wochen durch Abschwächung der Tod einge- treten (740. 756).

Von vorn herein chronischer Verlauf ist oft beobachtet (16 Fälle). Gewöhnlich gestalteten sich die Dinge so, dass im An- schluss an einen Anfall von Gallensteinkolik , der 2 Mal sogar der ersterlebte war (741. 1623) allmälig unter Verdauungsstörungen und bald heftigeren, bald dumpfen Schmerzen, selten unter wiederholten Koliken, oder mit Fieber (755) im rechten Hypochondrium ein Tumor sich bildete, der später als vergrösserte Gallenblase erkannt wurde. In einem Fall waren die ersten Symptome von Entzündung ein

74 Casuistisch -statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Vierteljahr nach Misshandlung durch Fusstritte auf den Bauch ge- kommen. — Eben so dunkel war der Beginn in mehreren weiteren Fällen. Wol waren typische Koliken bei verschiednen Patienten früher vorhanden gewesen (15S9. 1671). Andre hatten Icterus ge- habt (743. 746). Aber bei manchen fehlten auch diese Anhaltspunkte. Dagegen bestanden gewöhnlich in der Lebergegend, zum Theil seit sehr langer Zeit (bis zu 1 V2 Jahren) dumpfe, selten heftige, scharfe Schmerzen ziemlich ununterbrochen (736. 746. 1543. 1583).

Aber gerade in diesen so äusserst chronisch verlaufenden Fällen hält es schwer sich vorzustellen, dass von Anfang an der Inhalt der Blase Eiter gewesen sei. Viel eher kann man sich denken, dass nach längerem Bestehen einer zuerst nur hydropischen Flüssigkeit durch secundäre Einschleppung pyogener Keime die stagnirende Ansammlung in Eiterung gerathen sei. Der Zeitpunkt aber, wo diese Umwandlung sich geltend gemacht haben mag, ist häufig aus den Krankengeschichten nicht mehr zu ersehen. Vielleicht war eben auch die Metamorphose wieder nur eine lang- same. Zuweilen jedoch dürften gewisse Fieber bewegungen (8 Fälle), zum Theil mit Schüttelfrösten, wie bei einer Pyämie einher- gehend (733. 734. 743. 746) den Beginn der Suppuration bezeichnet haben. Viel weniger auffallend ist eine Veränderung im Charakter der Schmerzen. Nur 3 Mal finde ich Andeutungen, dass diese mit dem muthmasslichen Eintritt der Eiterung heftiger geworden seien (736. 746. 1671).

Ausserordentlich torpid aber war der Verlauf in (8) einzelnen Fällen, wo über den Beginn der Suppuration gar nichts zu sagen ist. Stets handelte es sich hier um bedeutende, ja zum Theil um ungewöhnlich grosse Ansammlungen, welche ohne jedes Fieber ent- standen waren, gleichsam um kalte Abscesse der Gallen- blase!

Auffallend selten wird bei nicht complicirter Gallenblaseneiterung eine stärkere Verwachsung des Organs mit der Bauchwand erwähnt. Nur 5 Mal (734. 741. 744. 759. 1265) ist sie notirt. In manchen der ausgezeichnetsten Fälle scheint sie ganz gefehlt zu haben.

Gegenüber allen diesen mehr oder weniger veränderlichen Merk- malen ist in der Entwicklung der grössern Empyeme eines ziemlich constant: der von der Gallenblase gebildete Tumor. Der- selbe scheint ausnahmsweise schon während der ersten paar Krank- heitstage ziemlich gross geworden und später kaum mehr gewachsen zu sein (733. 734). Gewöhnlich hat er sich langsam vergrössert und

Symptomatologie des Gallenblasen- Empyems. 75

ist aus einer anfangs unbedeutenden Hervorragung unter dem Rippen- bogen endlich bisweilen nicht nur bis unterhalb der Nabelhorizontale (7 Fälle), sondern sogar bis gegen die Leiste herab (755. 764. 1528. 1589) hängend getroffen worden. Allerdings ist er auch in aus- gezeichneten Fällen nicht immer in seiner wahren Natur erkannt, sondern z. B. als Leberhydatide (741), Netztumor (1583), abgesackte Peritonitis (734. 1630), Ovarialtumor (1589), Wanderniere (1543. 1547. 1664), Nierentumor (1534), Pyonephrose (1540) diagnosticirt worden; ein Mal (1617) musste man die Diagnose zwischen Gallenblasen- empyem und Pyonephrose trotz vorheriger Explorativpunction in suspenso lassen. Auch gegenüber dem einfachen Gallenblasen- hydrops wird es durchaus nicht immer gelingen, bestimmt die Sach- lage zu erkennen. Die anhaltenden Schmerzen, welche von manchen Autoren, z. B. Hirschberg (1. c.) als characteristisch für das Em- pyem bezeichnet werden, kommen nach meiner Erfahrung in ganz gleicher Weise auch beim Hydrops vor. Und die meisten Empyeme, welche zur Operation kamen, waren denn auch nicht zum Voraus diagnosticirt.

Von einer explorativen Function darf man sich hier nicht viel versprechen, wo nicht schon feststeht, dass der Tumor der Gallenblase angehört. Denn man kann nicht sicher erwarten, in der entleerten Flüssigkeit Gallenbestandtheile zu finden. In 2 Fällen, wo chemisch untersucht wurde, fehlten sie (1528. 1665). In solchen Fällen wird also die Diagnose gegenüber Pyonephrose etc. durch die Function nicht gefördert werden.

Die Ausgänge eitriger Cholecystitiden können sehr verschieden sein. Ob eine Spontanheilung durch Versiegen der Eiterung und Abfluss des schon gebildeten Eiters durch den zufällig offenen Cysticus vorkommt, weiss man nicht. Undenkbar ist sie nicht, zumal in Fällen, wo es sich mehr um eine catarrhalische Ent- zündung mit schleimigem Eiter, als um eine tiefgehende ulcerative Destruction handelt.

Viel häufiger ist jedenfalls die Perforation. Im folgenden Capitel werde ich ausführlich von den vielerlei Möglichkeiten spre- chen, welche sich hier verwirklichen können. Den meisten Durch- brüchen der Gallenblase in verschiedne Darmabschnitte, in Harnwege und Pleura etc. dürfte nicht nur eine locale Ulceration, sondern eine diffusere eitrige Entzündung der erstem vorausgehen. Und in man- chen Fällen solcher Fistelbildungen hat sich nachweislich zuerst der cholecystitische Abscess in die nächste Umgebung der Gallenblase und erst secundär in ein Nachbarorgan ergossen. Die schlimmsten

76 Casuistiscli- statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Perforationen aber sind diejenigen in die Bauchhöhle, bei welchen zwar auch eine vorläufige Abkapselung durch Adhäsionen möglich ist, häufig aber eine solche ausbleibt und dann sicherer Tod durch diffuse Peritonitis erfolgt. So vermengen sich denn nicht selten die Symptome des Empyems mit solchen der verschiednen Durch- brüche, und complicirt sich dadurch das Krankheitsbild ausser- ordentlich.

Tödtlicher Ausgang ist bei eitriger Cholecystitis die Segel. Auf meine 82 Fälle kommen 53 letal verlaufene. Darunter sind allerdings 31, in welchen zu diesem Ausgang andre gleichzeitig vor- handne Störungen wesentlich beigetragen haben dürften, nämlich:

Hartnäckige Choledochus-Obstruction . . 1 Mal

Ulcerative Cholangitis 7 =

Gallenblasenkrebs ^ 2 =

Leberkrebs 3 =

Magen- und Darmblutungen 3 =

Typhus . . 10 =

Cholera 1 =

Pleuritis 1 =

Phthisis 1 =

Herzleiden mit Hydrops 1 =

Fractura femoris 1 =

31 Mal

In vielen dieser Fälle hatte man sogar vor der Section keine Ahnung von der vorhandnen Cholecystitis. 6 Patienten sind einer wegen Empyem unternommenen Operation erlegen. In 6 Fällen ist über die Art und Weise, wie der Tod eingetreten ist, nichts be- merkt. — 10 Kranke aber sind entschieden mehr oder weniger direct an der Gallenblaseneiterung gestorben, 5 innerhalb der ersten 5, 3 innerhalb der ersten 6 12 Tage. Bei 3 von diesen 8 bestand keine weitere Complication (219. 454. 766), bei 3 diffuse Peritonitis (732 bis 733. 735), bei einem Blutungen aus der ulcerirten Blase (745), bei einem ebensolche aus der Magen- und Darmschleimhaut (758). 2 Mal endlich zog sich der Verlauf 6 Wochen, resp. mehrere Monate hin, um dann mit Marasmus (756), resp. Peritonitis (746) abzu- schliessen.

Chirurgische Therapie der eitrigen Cholecystitis.

Bei den trostlosen Aussichten, welche eine sich selbst überlassene eitrige Cholecystitis gewährt, drängt sich eine energische chirurgische Behandlung von selbst auf. Eine solche wird aber nicht in blosser Function bestehen dürfen.

Chirurgische Therapie der eitrigen Cholecystitis. 77

3 Patienten sind nur mit Function behandelt worden. Diese war in einem Fall sogar nur explorativ und hielt den Tod nicht auf (751). In einem zweiten erleichterte sie vorübergehend, wandte den letalen Ausgang aber auch nicht ab (764). Nur in einem Fall (Frerichs 755) trat nach 3 wöchentlichem Fliessen einer durch die Function entstandnen Fistel dauernde Heilung ein. Auf so glück- liche Wendung ist aber natürlich nie zu rechnen.

Rationell ist also nur an Stelle der Function die Incision. Solche ist bei Verwachsung der Gallenblase mit der Bauchwand 5 Mal gemacht worden, 3 Mal durchaus ohne (741. 744. 1265), ein Mal mit absichtlicher explorativer (759), ein Mal jedoch mit unbeabsichtigter Eröffnung der Bauchhöhle (734). Nur im letztern Fall, wo Eiter das Feritoneum inficirte, trat durch Bauch- fellentzündung der Tod ein.

Wo keine Adhäsion der Blase mit der Bauchwand besteht, muss die typische laparotomische Eröffnung der- selben vorgenommen werden. Ob es bei dieser sein Bewenden haben kann, wird von besondern Umständen abhängen, die sich erst während der Operation sicher erkennen lassen. Meiner Ansicht nach sollte, wo nicht starke Adhäsionen mit der Nachbarschaft unüber- windliche Schranken bilden, bei Empyem stets die Cholecystectomie gemacht, nicht aber die schwerkranke Blase zurückgelassen werden, da sie eine Gefahr für den Organismus bildet und wol nie mehr leistungsfähig werden kann. Indessen haben bisher Manche vorge- zogen, auch in diesem Fall die Cholecystostomie, die Einnäh- ung der offenen Blase in die Bauchwunde, die Anlegung einer Gallen- blasenfistel auszuführen.

Ich kenne 34 Fälle, wo bei Empyem diese Cystostomie gemacht worden ist. 13 Mal kam das zweizeitige Verfahren zur An- wendung; von den Ausgängen ist einer (1556) unbekannt; 6 Mal (1533. 1535. 1536. 1543. 1557. 1558) entstanden Schleimfisteln; 6 Mal erfolgte Heilung (1528. 1539. 1540. 1544. 1547. 1555). Einzeitig ist 21 Mal operirt worden; 3 Fatienten sind gestorben (1572. 1609. 1659), 3 mit eiternden (1577. 1583. 1665), 4 mit Gallenfisteln ent- lassen (1594. 1597. 1636. 1671), die übrigen 11 geheilt (1564. 1574. 1589. 1604. 1617. 1623. 1637. 1655. 1656. 1662. 1672). ^

Noch weniger zweckmässig ist die ideale Cholecystosto- mie in solchen Fällen. Es ist gewagt, die erkrankte Gallenblasen- wand zu vernähen und zu versenken. Zwei Mal ist so operirt wor- den; 1 Mal mit günstigem (1694), ein Mal mit tödtlichem Ausgang (1688).

78 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

Die Gallenblasenexstirpation, deren Vorzug vor allen andern coucurrirenden Operationen in der radicalen Entfernung des kranken Organs und in der Garantie gegen Keeidive der Cho- lelitliiasis bestellt, ist 6 Mal bei Empyem gemacht, 2 Mal mit todt- lichem (1742. 1750), 4 Mal mit glücklichem Verlauf (1740. 1743. 1748. 1754).

Im Grossen und Ganzen kann man diese Ergebnisse bei einem Leiden, welches ohne chirurgische Hilfe wol fast ausnahmslos zum Tode führt, als recht günstige bezeichnen!

B. Eitrige Entzündung der Gallengänge.

Wenn man die eitrige Entzündung der Gallengänge bespricht, ist es unvermeidlich, auch die Leberabscesse zu berücksichtigen. Meiner Aufgabe liegt es aber fern, alle erdenklichen Formen der eitrigen Hepatitis hier herbei zu ziehen. Ich beschränke mich auf diejenigen, welchen ein primäres locales Leiden der Gallenwege selber zu Grund liegt und deren Entwicklung in erster Linie durch Cholelithiasis bedingt ist. Dabei zeigt es sich aber sofort, dass nur sehr selten die Krankengeschichten meiner ziffernreichen Casuistik genau genug geführt sind, um sichere Schlüsse auf die Genese jener Eiterungen zu gestatten. Ich verzichte deshalb darauf, den Bahnen nachzuspüren, welche die Eiterung benützt hat, um von zuerst ent- zündeten Stellen an den Gängen aus oft scheinbar sprungweise auf die Leber selber oder auf die Gallengang wurzeln überzugreifen. Es wäre das überhaupt ein mehr pathologisch- anatomisches, als chi- rurgisches Thema.

Wol aber liegt es mir ob, zu untersuchen, unter welchen Bedingungen von den primär erkrankten Gallenwegen aus eitrige Processe tiefer in der Leber zu Stande kommen. Meine einschlägige Casuistik umfasst 74 Fälle, darunter 57(77*^/o), in welchen Chole- lithiasis direct oder indirect ätiologisch zu beschuldigen ist, natür- lich nur in dem Sinne, dass Concremente die erste Reizung der Canäle bewirken, welche dann durch besondre Infectionskeime bis zur Eiterung gesteigert wird. Bei 17 Fällen dagegen (23 "/o) kommen Echinococcen, Ascariden und Carcinome in den Gallenwegen in Betracht.

Unter den 57 von Cholangitis, resp. Hepatitis calculosa sind 4, in welchen bei der Section allerdings keine Steine mehr, wol aber die Spuren ihrer früheren Anwesenheit in Gestalt von Gallenblasen-Duodenalfisteln (90. 933. 934) und einer Obliteration des

Chirurgische Therapie der eitrigen Cholecystitis. 79

Choledochiis (821) gefunden wurden; sowie ein fünfter, in welchem die Diagnose nur intra vitam, aber mit ziemlicher Sicherheit auf Stein als Ursache der Eiterung gestellt werden konnte (773). In den übrigen 52 Fällen traf man Concremente in irgendwelchen Ab- schnitten des Systems, und zwar:

in der Gallenblase (resp. Cysticiis) allein 12Mal (23,1 o/o) in = = und gleichzeitig!

in Hepaticus oder Choledochus] ' ' ^"^^'^ = -'

in Hepaticus, resp. Choledochus allein 22 = (42,3 - )

Es zeigt sich also, dass bei Steinen im Tractus hepatico-choledochus häufiger, als bei solchen in Gallenblase und Cysticus eitrige Chol- angitis und Hepatitis aufgetreten ist. Ferner ergiebt sich, dass, wo die Gallenblase als Ausgangspunkt zu betrachten war, die Eiter- ung von ihr aus entweder direct die Lebersubstanz ergriffen (7 Fälle) oder den feineren hepatischen Zweigen durch Vermittlung des Cysticus und des Truncus hepaticus sich mitgetheilt hat.

In der grossen Mehrzahl der Fälle (77 o/o) hat aber die Eiterung ihren Ausgang vom Choledochus resp. Hepaticus genommen, indem einer oder der andere dieser Gänge durch Concremente verlegt und der Gallenabfluss dadurch verhindert war. Es scheint, dass solche Obstruction die Einwanderung von pyogenen Mieroorganismen in die zunächst afficirte Stelle des betreffenden Gangs und die Stagnation der Galle hinter der obstruirten Stelle die weitere Fortleitung der Eiterung wesentlich begünstigt. [Ueber die Natur der hier thätigen Spaltpilze u. s. w. weiss man noch nichts. Charcot und Gom- bault (1. c. p. 272) fanden bei Thieren nach Ligatur des Choledochus in Leberabscessen Ketten von „Vibrionen"; Leyden (774) und Ro- vighi (777) beim Menschen bei Choledochusocclusion Streptococcen. Netter und Martha (775) beschuldigen die „normalen Bacillen des Darmschleims". Beloussow (1. c.) konnte bei antiseptischer Chole- dochusligatur keine Bacterien etc. in der Leber entdecken, aber auch keine eigentlichen Leberabscesse.]

Die bei calculöser Cholangitis beobachteten Veränderungen .der Gallengänge waren: Schwellung, Injection, Auflockerung der Schleimhaut, welche bedeckt war mit anfänglich galligem, später oft reinem, dickem Eiter (24 Fälle). Solcher konnte zuletzt geradezu die Lumina der Canäie ganz füllen. Zuweilen war die Wandung der letzteren eitrig infiltrirt (342. 370. 454. 517), und nicht selten war es durch dieselbe hindurch zu Eiterung in nächster Umgebung der Gänge, also im Lebergewebe selber gekommen. Es war eine suppurative Pericholangitis (Pericholagogitis Fiedler's)

80 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

entstanden (465. 470. 481. 492. 933. 1388). ~ Ulcerationen waren selten und bisweilen eher als primäres Eingangstbor für die Infection aufzufassen f347. 461. 464. 470. 945. 946), denn als Folge der Eite- rung. In 4 Fällen aber kann man kaum bezweifeln, dass sie durch letztere verursacht worden seien (348. 370. 382. 481). Eine oft sehr bedeutende Dilatation der Gänge bis in die feinen Leber- zweige war wol stets durch Gallenstauung, kaum je durch AnfüUung mit Eiter selbst hervorgebracht.

Die Leberabscesse calculösen Ursprungs standen in 16 Fällen nicht direct mit den von Concrementen besetzten Gängen in offener Verbindung. Der Eiter befand sich deutlich ausserhalb der Canal- wände. In diesen Fällen waren die Abscesse meist sehr zahlreich und klein, miliar bis bohnengross, selten grösser. In dem höchst interessanten Fall von Teuffei (777) waren eine Menge kleiner Abscesse durch die Leber zerstreut. Sie enthielten häufig deutlich demarkirte Klümpchen nekrotischen Lebergewebes (daher „Hepa- titis sequestrans"), waren aber weder mit Gallengängen, noch mit Gefässen in nachweisbarem Zusammenhang.

In 26 von den 48 Fällen calculöser eitriger Hepatitis war die Communication der Leberabscesse mit den selbst gewöhn- lich eitrig entzündeten gröberen oder feineren Gallengängen zweifellos. Ja in 9 derselben waren die Eiterhöhlen geradezu identisch mit den enorm und bis unter die Leberserosa erweiterten (501. 517. 768), gelegentlich ampullen- oder cystenartigen (347. 348. 369. 382. 474. 540) Hepaticusästen , und in 4 Fällen lagen in den Abscessen Concremente (342. 343. 353. 361). Das Alles spricht für eine sehr häufige Entstehung von Leberabscessen durch mehr oder weniger directe Fortleitung einer Eiterung von Stellen aus, an welchen Stein- obstruction des Choledochus oder des Hepaticus und seiner Aeste bestanden hatte.

Von besondern Complicationeu , welche sich an eitrige Cholan- gitis, resp. Hepatitis anschliessen können, führe ich an: Eitrige Fylephlebitis (342. 371. 458. 492. 769. 945), eitrige Phlebitis der Lebervenen (888), Thrombose eines Astes der Art. hepatica mit Leberinfarct (492). Sodann Perihepatitis bald in Form älterer Schwarten und Stränge, welche die Leber mit ihrer Umgebung verbanden (9 Fälle), bald in Form frischer Pseudo- membranen über den Abscessen (500. 1407), bald in Form abgekap- selter Eiteransammlungen zwischen Leber und Zwerchfell (342. 349. 492. 888). Auch Perforationen von solchen Leberabsces- sen kamen vor; ein Mal war der Durchbruch ganz nahe (470), 5 Mal

Chirurgische Therapie der eitrigen Cholecystitis. . 81

hatte er gegen die freie Bauehliöhle stattgefunden und tödtliche Pe- ritonitis gemacht (90. 353. 471. 481. 768). Ein Mal war eine Leber- Magenfistel entstanden (465), ein Mal die Perforation durch die Bauch- decken bevorstehend (773); ein Mal von 2 Abscessen der eine durch Zwerchfell und Pleura in die r. Lunge, der andre theils ins Duodenum, theils in Colon perforirt (458).

Uebrigens können derartige Leberabscesse doch auch spontan ausheilen, In meinem oben (p. 36) erwähnten Fall von massen- haften Hepaticussteinen mit eitriger Cholangitis und Hepatitis fand ich neben vielen frischen Abscessen an 2 Stellen der Leberconvexität strahlige Narben, unter welchen halb verkreidete erbsen- und hasel- nussgrosse Eiterherde lagen (353). Eine ganz analoge Beobachtung hat Boudet (454) gemacht!

Ausser den calculösen Gallengang- und Lebereiterungen kenne ich folgende 17 auf localen Erkrankungen der Gallenwege beruhende

Fälle:

Echinococcen in Hepaticus oder Choledochus . 3 Ascariden = - - = . 7

Cancroid im Choledochus 1

Krebs am Ostium Choledochi 2

Compression des Choledochus . . . . . . 1

Typhus 1

Ursache unklar 2

17 Die 3 Fälle von Echinococcen (Hydatiden: 408 bis 410) verhielten sich so, dass je weilen grosse Blasen die Ausführungsgänge verlegten und Gallenstauung hinter sich bewirkten. In den Fällen von As- cariden lagen 4 Mal (426. 427. 436. 438) die Eindringlinge in Leber- gängen, welche mit den betr. Abscessen in Verbindung standen, 2 Mal (420. 433) in einem Leberabscess selbst; 1 Mal (431) war ein Lumbricus aus der Leber durch das Zwerchfell in die Lunge gelangt, wobei freilich auch die Möglichkeit besteht, dass derselbe eine schon vor- handene Fistel benützt habe (ähnlich wie in dem historisch und klinisch gleich wichtigen Fall 1236 ein Spulwurm aus einer längst durch Gallensteine verursachten Bauchdeckenfistel austrat). Bei allen diesen angeblichen Ascariden-Leberabscessen entsteht freilich die Frage, ob es sich wirklich um Abscesse, um Eiter ansammlungen gehandelt habe. Neuerdings hat Schleuthauer (436) einen Fall beschrieben, wo die durch Spulwürmer verursachten gelb- weissen Herde sicher nicht Eiter, sondern nur Anhäufungen dicht- gedrängter Kundzellen waren, wie sie ähnlich auch um andre Fremdkörper sich zu bilden pflegen. Die Angelegenheit ist noch

Courvoisier, Gallenwege. G

82 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

nicht spruchreif. Aber es ist nicht unmöglich, dass auch in andern Fällen das Verhalten ein ähnliches war, wie in demjenigen Schleu- thauer's.

Die im Choledochus entstandnen Neoplasmen (559. 709. 1177), sowie ein denselben comprimirendes Pankreascarci- nom hatten auch Obstruction herbeigeführt und damit die Eiterung begünstigt. Hieher gehört vielleicht auch der Fall von Eovighi (777), in welchem eine diffuse eitrige Cholangitis mit Streptococcen- Leberabscessen vielleicht auf primäre Verstopfung des Ostium Cho- ledochi durch einen dicken Schleimpfropf zurückzuführen war (in obiger Tabelle figurirt der Fall unter „Ursache unklar"!).

Es bleiben noch 2 Fälle, wo das eine Mal im Verlauf eines Typhus (772) ähnlich, wie in andern eine eitrige Cholecystitis, so hier eine eitrige Cholangitis ohne Choledochusocclusion auftrat; das andre Mal ohne bestimmt nachweisbare Infection eine anscheinend idiopathische allgemeine Eiterung aller Gallenwege sich fand (763).

Symptomatologie der eitrigen Cholangitis.

Die Eiterung der Gallengänge liefert kein untrügliches und ein- heitliches Krankheitsbild. Eine der constantesten Erscheinungen ist dabei das Fieber. Hier erinnere ich an die bei der Besprechung der Hepaticus- (p. 40) und Choledochusverschlüsse (p. 63) gemach- ten Mittheilungen über Fieber, welches, oft intermittirenden Charak- ters, nicht sowol Folge der Obstruction an sich, als vielmehr der durch Concremente etc. hervorgebrachten Ulcerationen und Suppu- rationen ist. Für die Praxis ist es wichtig, zu wissen, dass wo zu den Symptomen einer Verlegung der grossen Gallengänge Fieber sich hinzugesellt, dieses in der Regel eine schwere eitrige Entzünd- ung bedeutet. Des Genaueren aber zu unterscheiden, ob dieser Process erst in den Ausführungscanälen , oder in der Gallenblase, oder etwa auch schon in den feinen Zweigen, resp. in der Leber selber aufgetreten sei, das dürfte fast unmöglich sein.

In Betreff der Therapie ist wenig zu sagen. Ohne Obstruction, zumal durch Concremente, kommt eitrige Cholangitis oder Hepatitis als local entstandenes Leiden wol kaum vor. Die Aufgabe wird also darin bestehen, womöglich die Obstruction zu beseitigen. In dieser Beziehung kann ich auf frühere Erörterungen verweisen.

Ulcerative Perforationen der Gallenwege. 83

SECHSTES CAPITEL.

TJleeratiTe Perforationen der (jallenwege.

Die Darsteller der Erkrankungen der Gallenwege pflegen unter den ulcerativen Perforationen zu unterscheiden Perforationen im engern Sinn, welche frei und unvermittelt ins Cavum perito- neale erfolgen; und Fisteln, die nur innerhalb vorgebildeter Adhä- sionen in verschiedene Nachbarorgane hinein sich entwickeln. Ich halte diese Unterscheidung nicht für sehr werthvoll. Häufig beginnt eine Perforation in die Bauchhöhle als freier Durchbruch ; aber rasch kapselt sich der Eiter ab , und es besteht nun eine zweifellose Fistel in einen circumscripten Abscess. Umgekehrt sind Perforationen öfters von vorn herein abgesackt, führen aber späteÄ|ittelst eines zweiten Durchbruchs zu diffuser Peritonitis. So giebt es tischen eigentlichen Perforationen und Fisteln allerlei Uebergänge.

Die Möglichkeiten, welche ich bei Durchbrüchen verwirklicht gefunden habe, sind folgende:

zwischen den Gallenwegen selber .... 8 Fälle

in die Vena portae 5 =

in die Bauchhöhle, offen 70 =

= = = = , abgesackt 49 =

retroperitoneal 3 =

in den Magen 13 =

ins Duodenum 83 =.

- Jejunum 1 =

= Ileum 1 =

= Colon 39 =

in die Harnwege 7 =

in Pleura und Lungen 24 =

durch die Bauchdecken nach aussen . . .196 =

499 Fälle

(Diese 499 Perforationen vertheilen sich aber, da zuweilen mehrere neben einander vorkamen, auf nur 460 Kranke.)

Ob diese Tabelle auch einen statistischen Werth habe in dem Sinn, dass daraus ohne Weitres auf die Frequenz der einzelnen Perforationen geschlossen werden dürfte, ist sehr fraglich. Man wird kaum bezweifeln können, dass wenn ich unter nahezu 1800 Kran- kengeschichten z. B. nur 7 Perforationen in die Harnwege, dagegen circa 140 in den Darmtractus entdecken konnte, jene unendlich seltener vorkommen, als diese. Aber aus der Tabelle schliessen zu wollen, dass Bauchdeckenfisteln z. B. (vertreten durch 196 Fälle)

6*

84 Casuistisch- statistische Beiträge zur Pathologie der Gallen wege.

häufiger seien als Darmfisteln (137 Fälle), das wäre voreilig. Das Austreten von Gallensteinen durch eine Bauchöffuung ist an sich etvras so Ungewöhnliches, dass jeder Beobachter seit Jahrhunderten pflichtschuldigst sich beeilt hat, eine solche Rarität zu publiciren [früheste Fälle: Thilesius 1670 (1289), Rösler 1673 (1270), Bor- rich 1676 (1145), Jaenisius 1676 (1206), Helwig 1680 (1197) etc.] Allerdings gilt Gleiches auch von dem Erscheinen besonders volu- minöser Concremeute im Stuhl [früheste Fälle: Schröck 1680(107-8), Grass 1696 (1029), Lemery 1704 (1043)]. Allein es ist eben lange Zeit versäumt worden, die Irrwege zu erforschen, welche, wie die Neuzeit festgestellt hat, grosse Calculi gewöhnlich einschlagen, um aus der Gallenblase in den Darm zu gelangen. Die Spärlichkeit der Obductionen einerseits, das Axiom, wonach auch Steine grösten Calibers regelmässig durch den Choledochus das Duodenum erreich- ten, andrerseits standen der richtigen Erkenntnis im Wege. So kommt es, dass mit Ausnahme einer einzigen Beobachtung von Gallenblasen- Jejunum-Fistel (?) durch Bartholin 1654 (980) kein Fall von Durch- bruch der Gallenblase in den Darm mehr mitgetheilt wird bis auf Beaussier, der 1770 (893) die erste Magen-, J. G. Walter, der 1775 (992) die erste Colon-, Blumenbach, der 1783 (920J die erste sichere Duodenalfistel beschrieb ; dass überhaupt Ende letzten Jahr- hunderts erst 9 Gallenblasen-Darmfisteln bekannt waren gegenüber mindestens 3 Mal so viel Fällen von Darmobstruction durch Gallen- steine, einem Vorkommnis, das wol fast stets die vorherige Per- foration des betreffenden Concrements durch eine Gallenblasen- oder Gallengangfistel in den Darm zur Voraussetzung hat. In der That, die Frequenzverhältnisse der soeben besprochenen Perforationen stellen sich ganz anders dar, wenn man zu den 137 sicher consta- tirten Gallenwege-Darmtractusfisteln noch die 89 Fälle meiner Casuistik addirt, in welchen Ileus durch Gallensteine provocirt worden ist und eben auch jener perforative Eintritt der Concremente in den Darm supponirt werden muss.

Indessen auf solche Weise ist es nicht möglich , sich von der Häufigkeit einzelner Perforationen die richtige Vorstellung zu machen. Der einzige sichere Weg zum Ziel wären auch wieder fortgesetzte Mittheilungen der in den pathologischen Instituten beobachteten Fälle. Solche liegen aber erst sehr spärlich vor. Roth (1. c.) hat für Basel angegeben, dass unter den 1872 1881 secirten 166 Gallen- steinkranken 14 frische oder alte Perforationen der Gallenwege hatten; und zwar: eine in die Vena portae, 2 frei in die Bauchhöhle, 6 ins Duodenum, 4 ins Colon, 1 in Duodenum und Colon zugleich. Das

Ulcerative Perforationen der Gallenwege. 85

Verhältnis ist 8,4o/o. Ich selber habe für die Jahre 1882— IS im Basler Institut auf 255 Gallensteinsectionen nur 5 Gallenblasen- Darmfisteln und eine Bauchperforation constatirt. Das Verhältnis ist 2,40/0, für die Jahre 1872 1888 zusammen 4,70'o. Schloth (1. c.) fand auf seine schon öfters citirten 343 Gallensteinsectionen 12 Perforationen, nämlich: 1 Gallenblasen-Leberfistel, 1 Perforation in die Bauchhöhle , eine ebensolche mit gleichzeitiger Duodenalfistel, 5 Gallenblasen-Duodenal- und 3 Gallenblasen-Colonfisteln , eine Per- foration unbestimmter Art. Verhältnis = 3, 5 0/0!

Ich gehe nun zur Schilderung der einzelnen Perforationen und Fisteln über.

A. Fisteln zwischen verschiedenen Abschnitten der Gallenwege selber.

Hier erwähne ich zuerst 4 Fälle, in welchen durch Ulceration der obern Gallenblasen wand tiefe Aushöhlungen im Leber- gewebe, gleichsam Leberfisteln entstanden waren. Ein Fall ist freilich nur mit der kurzen Notiz angeführt (784): „Perforation der Gallenblase gegen das Leberparenchym." Die 3 andern betrafen einen Mann von 48 Jahren (779), eine Frau von 77 Jahren (781), einen Mann von 21 Jahren (782), alle an Gallenblasensteinen leidend. 2 Mal (779. 781) steckten Concremente in der Lebercaverne.

Eine Gallenblasen-Hepaticusfistel ohne Kranken- geschichte beschreibt Ottiker (783). Die Oeffnung ging aus dem Hals der sehr veränderten Gallenblase in den Stamm des Leber- gangs. Ursache waren offenbar Gallensteine gewesen. Ein ana- loger Fall (686) ist bei Fauconneau-Dufresne berichtet.

Eine „fistulöse Communication zwischen der Gallen- blase und einem Divertikel des Choledochus" wird nur mit diesen wenigen Worten erwähnt (785).

Endlich ist ein Mal bei Strictur zwischen intestinalem und hepa- tischem Abschnitt des Choledochus mit enormer Ectasie des letztern Abschnitts eine Fistel zwischen beiden Theilen constatirt worden (780).

B. Dnrehbrüche der Gallenwege in die Pfortader.

Frerichs (1. c. IL p. 398), Schüppel (1. c. p. 224) und Andre citiren Fälle von Budd, Dance und Lebert, in welchen Gallen- steine in die Pfortader perforirt oder Fisteln in letztre sich gebildet haben sollten. Nach den Originalabhandlungen der letzteren Autoren hat es sich aber jeweilen nur um eitrige Pylephlebitis neben ulcera- tiver Cholangitis gehandelt, ohne directe Communication. Auch

86 Casuistisch-statistische Beitäge zur Pathologie der Gallenwege.

ein Fall von Camenicenus (350) wird, wie Schtippel ausführt, irrtümlich hieher gezogen. Unter den „venae hepatis", in welchen Jener Concremente fand, sind dem damaligen Sprachgebrauch zufolge einfach die Lebergänge zu verstehen. Ob es sich in dem berühm- ten Fall von Ignatius Lojola, den Realdus Columbus beschreibt (786) ebenso verhalten habe, ist schwer zu sagen. Die Stelle lautet:

Lapides autem innumerabiles pene hisce manibus extraxi, in ventos . . . in hepate, in vena portae, ut tu tuis oculis vidisti in venerabili Egnatio Generali Congregationis Jesu."

Unanfechtbar dagegen sind folgende Fälle:

458. 32j. Mann, stirbt icterisch. Grosser Stein im Choledochus. Grosser subhepatischer Abscess mit Duodenum und Colon, auch mit Leber- gängen, diese mit Portalvenenästen da und dort communicirend.

787. 67 j. Frau, stirbt icterisch. Gallenblase atrophirt, Choled. obli- terirt. In Vena portae 2 cm langer Cbolestearinstein , kleinere in ihren Zweigen, alle offenbar aus Gallengängen stammend.

788. 5 7 j. Frau, stirbt icterisch. Pankreaskrebs auf Porta tibergreifend. Pfortader in die Masse mündend, verjaucht, enthält 1/2 Zoll langen Gallenstein.

789. 44j. Frau, unter Fieber, Icterus gestorben. Im Gallenblasenhals bohnengr. Stein, halb durch ein Loch in Pfortaderstamm hineinragend. Leberabscesse.

In 3 dieser Fälle waren also Cholelithen aus Gallenblase oder Gängen direct in die Vene perforirt; im vierten hatte ein solcher im Chole- dochus eitrige Cholangitis und Perforation in die Pfortader verursacht.

G. Perforationen in die Bauchhöhle.

Von Perforationen in die Bauchhöhle kenne ich 119 Fälle, dar- unter 70 (59 ^jo), wo der Durchbruch frei ins Cavum, 49, wo er in abgesackte Abscesse erfolgte.

In Fällen von freier, unvermittelter Bauchperforation sprechen Manche leichthin von „Spontanruptur". Dadurch wird der Glaube genährt, dass die Gallenblase gelegentlich einfach durch starke Füllung mit Flüssigkeit platzen könne. Dieser Glaube findet z. B. seinen Ausdruck in der „vesicula rupta", welche in den Mit- theilungen von Meek'ren 1682 (830), von J. G. Walter 1775 (847), von Desjardins 1805 (806), Wolf 1828 (848), Craz 1830 (803), ja sogar von Andral 1839 (793) und Freeman 1858 (816) figurirt; ferner in der Aeusserung von Aug. Bonnet (1. c. p. 182): „Le reservoir de la bile peut se dechirer par le seul fait de sa distension." Noch weiter geht M' Swiney 1866, welcher bei seinem oft citirten Fall (829) sogar voraussetzt, die Ruptur des Choledochus

Ulcerative Perforationen der Gallen wege. 87

sei dadurch erfolgt, dass die durch langes Hungern stark mit Galle gefüllte Gallenblase sich plötzlich in denselben entleert habe.

Nicht ein einziger der genannten Autoren liefert aber für seine Annahme den Beweis. Trotzdem werden ihre Fälle ab und zu immer wieder als beweisend für die Möglichkeit eines freiwilligen Platzens der Gallenblase oder der Gallengänge angeführt. Die Verwirrung wird noch vermehrt dadurch, dass zumal englische und französische, aber gelegentlich auch deutsche Schriftsteller das Wort „Ruptur" mit vollem Bewusstsein für einen Durchbruch anwenden, der nach ihrer eigenen Darstellung ein ulcerativer war, und dass Dur and- Fardel sogar in seinem Fall (809) erklärt, die „Spontanruptur" sei durch eine von Gallensteinen herrührende Ulceration der Gallenblase ent- standen !

Damit soll nicht geleugnet werden, dass nicht ausnahmsweise durch Ueberspannung der Gallenwege eine Zerreissung zu Stand kommen könne. Es ist dies im Gegentheil wol denkbar, wenn auch meines Wissens kaum je sicher bewiesen. Aber es wird dazu einer Behinderung der Gallenabfuhr, einer Gallenstauung bedürfen, wie sie z. B. von Mosse (1. c. p. 122) und Schüppel (1. c. p. 218) vor- ausgesetzt wird.

Von den 70 Perforationen der Gallenwege in die freie Bauch- höhle ist eine (842) nur intra vitam diagnosticirt. Ich lasse sie ausser Betracht. Unter den übrigen 69 befinden sich:

Perforationen intrahepatischer Gänge .... 4

= des Hepaticusstamms .... 6

= - Choledochus 10

= = Cysticus 2

= der Gallenblase 47

' 69

Die 4 Perforationen intrahepatischer Gänge waren:

353. Eigner Fall (s. p. 36 und 81).

481. 68 j. Frau. Steinobstruction des Choledochus. Eiterung der sehr dilatirten Lebergänge, Leberabscesse. Durchbruch eines solchen. Peritonitis.

627. 63j. Mann. Choledochusstrictur, ursprünglich wol calculös. Starke Gallenfüllung der erweiterten Lebergänge. Perforation eines sub- serösen Gangs am Leberrand. Eitrige Peritonitis.

821. 63j. Frau. Obliteration des Choledochus. Gallenblasen-Duodenum- fistel. Lebergänge erweitert. Leberabscesse ; 2 davon perforirt. Pe- ritonitis.

Wenn irgendwo, so darf in diesen 4 Fällen an ein Platzen der Gallenwege gedacht werden. Aber in 3 derselben war eitrige Chol-

88 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

angitis vorhanden, welche doch gewiss die Canalwände geschwächt hatte. Nur in dem wichtigen Fall von Schütz (627) fehlte Eiterung. Unter den 6 Hepaticus-Perforationen sind 2 wegen un- genügender Beschreibung unbrauchbar (423, angebliche Perforation durch Spulwurm; 803, vielleicht Ulceration durch Concremente). Die 4 übrigen sind folgende:

792. Leberpräparat: Mehrere Choledochussteine, obstruirender Hepaticus- stein, dadurch Ulceration, Durchbruch, Gallenerguss in den Bauch, Peritonitis.

815. 61 j. Negerin. Im Gallensteinanfall acuteste Peritonitis und Tod. Bauch voll Blut und Galle, Gallenblase leer. Hepaticus voll Steine in Taschen, deren eine zerrissen ist, im Riss steckt ein Stein.

848. 60j. Frau, Gallensteinkoliken unterworfen. Nach schwerer Mahlzeit plötzlich Symptome von Perforation , Tod folgenden Tag. Steine in Gallenblase und Cysticus, Hepaticus quer durchtrennt, viel Blut und Galle im Bauch. Beginnende Peritonitis.

793. 36j. Schuster. 6 Tage nach Tafelexcess heftige Schmerzen in Leber- gegend, Icterus, entfärbte Stühle, Gallenblasentumor. Nach weitern 5 Tagen Symptome von Perforation, CoUaps, Tod. Enge Strictur des Choledochus durch acute Schwellung, Ectasie aller Gallenwege. Loch im Hepaticus. Eitrige Peritonitis.

In 2 dieser letzteren Fälle hat offenbar directe Usur des Canals durch Steine bestanden; im dritten, jedenfalls aber im vierten Fall dürfte eine fortgeleitete Cholangitis den Hepaticus zerreisslich ge- macht haben.

Perforationen des Choledochus. Unter den 10 Fällen sind 3 schlecht beschrieben. In denselben sollen Ascariden das Loch verursacht haben (576. 579. 814). Dies ist aber nicht bewiesen. In 6 andern Fällen war stets der Verlauf sehr rapid, ein Mal (846) zog er sich durch einige Wochen hin. Stets erfolgte der Tod durch perforative Peritonitis. 5 Mal hatten Concremente die Wand durch- brochen und theils nur Gallenerguss (820. 834. 843. 845), theils auch Blutung (vielleicht durch gleichzeitige Usur der Pfortader) gemacht (818). 2 Mal fehlten Steine, aber in einem dieser Fälle waren reich- liche Spuren ihrer früheren Anwesenheit vorhanden (846). Der andre Fall ist der berühmte von M' Swiney:

829. 45 j. Mann kommt moribund ins Spital mit Symptomen von Peri- tonitis, Tod nach 2 Tagen. Choledochus dicht am Darm zer- rissen, Gallenblase leer. Gallenerguss im Bauch.

Perforationen des Cysticus kenne ich 2:

824. 85j. Mann, früher Leberkoliken. 20 Tage nach Femurfractur Er- brechen, Fieber, Sopor, Tod. Ulcerative Perforation des Cysticus durch Stein. Diffuse Peritonitis.

Ulcerative Perforation der Gallenwege. 89

800. Gravida erkrankt unter Collaps, Athemnoth, Icterus. Tod 14 Stun- den nach Extraction des todten Kinds. Cysticus perforirt (Gallen- steine?). Gallenerguss. Peritonitis.

Freie Perforationen der Gallenblase kenne ich 47. Aber nicht alle sind gut verwerthbar. In 33 derselben spielen Gallensteine eine Rolle. Solche sassen 24 Mal nur in der Gallenblase, je 1 Mal auch im Cysticus oder Hepaticus, 4 Mal auch im Choledochus ; 1 Mal nur im Hepaticus, 2 Mal nur im Choledochus.

Geschlecht und Alter der Patienten sind 26 Mal notirt:

10—20 Jahre 20—30 = , 30—40 = , 40—50 50—60 60—70 70—80 ■?

männl. welbl. total

1 1

2 3 5

3 3

1 1

3 3

2 13 2 3 5

1 4 _5_

9 17 26~~

In 22 von den 30 Fällen, wo die Gallenblase selber steinhaltig war, ist ihr Zustand genauer beschrieben:

Verdickung der Wandung 3 Mal

Atrophie 2 =

Erweichung 1 =

Ulcerationen 13 =

Empyem 3 =

22 Mal

Uebrigens war auch in den 3 Fällen, wo nur die Gänge steinhaltig waren, doch jedes Mal die Gallenblasenwand erheblich alterirt, ein Mal stark am Colon adhärent (799), ein Mal sehr zerreisslich (794), ein Mal weitgehend ulcerirt (825).

Von den 14 Fällen, wo von Gallensteinen nicht die Rede ist, sind 2 wegen Dürftigkeit der Angaben unbrauchbar (798. 801). In 3 analogen lag vielleicht doch Cholelithiasis zu Grunde, indem der Perforation ein Mal mehr als einen Monat lang Koliken mit Fieber vorausgegangen waren (790), im zweiten Fall eine Gallenblasen- Colon- fistel (810), im dritten Divertikelbildung der Gallenblase, cystische Ectasie des Blasengangs und Erweiterung des Choledochus (751) für frühere Einwirkung von Steinen sprach.

Entschieden durch Erkrankung der Gallenblasenwand verursacht ist die Perforation in dem seltenen Fall von Skey (838), wo Incar-

90 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Grallenwege.

ceration des Organs in einer Schenk elhernie entstanden war; in 3 Fällen von Cholecystitis bei Typhus (823) oder andern febrilen Darmcatarrhen (817. 822); in 2 ätiologisch unklaren Fällen, wo eine Verschorfung (804) und eine gelatiniforme Erweichung der Wand vorausgegangen war; endlich auch in dem eben so zweifelhaften, aber viel citirten Fall von Desjardins:

806. lOj. Knabe. Tod nach eintägigem Halsweh mit galligem Erbrechen, Meteorismus. Section an der exhumirten Leiche ergiebt harten Milz- tumor, 3 Mal zu grosse Gallenblase mit einem kleinen Loch. Grosser Gallenerguss im Bauch.

Etwas entfernt von der Gallenblase hatte die primäre Ursache der Perforation ihren Sitz in zwei Fällen, in dem oben schon (p. 25) er- wähnten von Intussusception am Cysticus (830) und in einem Fall von Hypertrophie des Choledochus mit Dilatation der Gänge (811). Doch fand sich hier die Blase ulcerirt.

In 4 von den 14 Fällen, in welchen Gallensteine fehlten oder nicht ausdrücklich erwähnt sind, ist auch von keiner speciellen Er- krankung der Blase die Rede (798. 801. 806. 830). In den übrigen Fällen bestand:

Starke Pericystitis iMal

Erweichung 1 =

Uiceratiou 6 =

Verschorfung 1 =

Empyem 1 =

1 0 Mal

Ueber die Stelle der Gallenblase, an welcher die Perforation erfolgte, wird in 19 Fällen geschwiegen. In den übrigen 28 Fällen war 20 Mal der Fundus, 4 Mal das Corpus, 3 Mal der Hals be- troffen. 1 Mal führte ein enger Gang aus einer Ulceration der obern Wand gegen den freien Leberrand und erst von hier aus in die offene Bauchhöhle (S33).

Gallensteine, welche die Perforation bewirkt hatten, wurden mehrmals noch im Loch steckend gefunden (791. 797. 813. 1687). In einigen Fällen hatten sie sogar die Blase verlassen und lagen frei im Bauchraum (807. 816. 828. 841).

Die nächste Folge der Perforation pflegt ein intraperitonea- ler Gallenerguss zu sein. Ein solcher (zum Theil mit Blut ver- mischt: 815. 816. 818. 825. 848) wird in 38 von den 69 Fällen er- wähnt, in den übrigen nicht. 3 Mal ist eine bloss seröse Ansamm- lung im Bauch angegeben (802. 826. 838).

Secundär bewirkt die Perforation sodann Peritonitis. Solche

Ulcerative Perforationen der Gallenwege. 91

wird in 44 von den 69 Fällen notirt. Man traf dieselbe in den ver- schiedensten Stadien von der ersten Röthung der Serosa bis zu den grösten Exsudaten. 15 Mal ist eigentliche Eiterung angegeben. Die Entstehung solcher diffus-eitriger Peritonitis ist leicht zu deuten. Da fast immer ulcerative Entzündung des betr. Abschnitts der Gallen- wege vorausgegangen war, konnte auch die Bauchfellentzündung kaum eine andre, als eine suppurative und damit tödtliche sein. Die Verhältnisse lagen also gewöhnlich nicht besser, als z. B. bei Darm- perforationen, und jedenfalls viel schlechter, als bei rein traumatischer Ruptur der bis dahin gesunden Gallenblase, bei welcher nie eitrige Peritonitis und häufig Ausgang in volle Genesung beobachtet ist (vgl. Cap. IX).

Auch die Erscheinungen waren in den betreffenden Fällen ungefähr die gleichen, wie etwa bei Darmdurchbrüchen. Dieselbe Plötzlichkeit des Beginns, dieselbe Raschheit des Verlaufs, dieselben heftigen diffusen Schmerzen machten sich hier geltend, wie sie bei jenen Complicationen die Regel bilden.

Eine bestimmte Diagnose scheint nie gestellt worden zu sein. Sie dürfte aber gelingen in Fällen, wo nach vorausgehenden Be- schwerden von Cholelithiasis eine ungewöhnliche Druckempfindlich- keit des rechten Hypochondrium und das Bild der Perforations-Peri- tonitis sich entwickeln sollte. Wenigstens müsste unter solchen Um- ständen jeweilen die Möglichkeit des Durchbruchs der Gallenwege ins Auge gefasst werden.

Dies dürfte um so eher geboten sein, als nur bei frühzeitiger chirurgischer Intervention einige Hoffnung auf Erhaltung des Lebens besteht. Bis jetzt ist allerdings erst ein Mal von Küster (1687) in einem solchen Fall operirt worden. Der Tod konnte, weil bereits diffuse Peritonitis herrschte, nicht mehr abgewendet werden. Aber bei raschem Eingreifen dürfte auch hier eben so gut etwas zu erreichen sein, wie bei traumatischen Rupturen oder ulcerativen Durch- brüchen im Bereich des Verdauungstractus. Indicirt wäre eventuell bei Perforation der Gallenblase die Anfrischung und Naht der Oeffnung; bei Cysticus-Durchlöcherung die Ligatur des Gangs mit nachfolgender Cholecystectomie ; bei Choledochus-Perforation die doppelte Ligatur des Canals beidseits von der Oeffnung mit Anlegung einer chole- cysto - enterostomischen Fistel. Bei Hepaticusulceration wäre guter Rath theuer. Vielleicht könnte in dessen Anfangstheil ein Drain- rohr eingelegt, dieses aus der Bauchwunde herausgeleitet und so eine Gallenblasen - Bauchdeckenfistel gebildet werden, welche wenigstens lebensrettend wäre.

1

Fall

5

Fälle

4

=

39

=

49

Fälle

92 Casuistisch-statistische Beiträge zur Pathologie der Gallenwege.

So viel über freie peritoneale Perforationen! Neben denselben sind aber nicht selten Durchbrüche, wobei der Erguss durch ab- kapselnde Adhäsionen für eine gewisse Zeit wenigstens von der offenen Bauchhöhle abgehalten wird: Perforationen mit Bild- ung circumscripter Abscesse. Solcher Fälle kenne ich 49, und zwar:

Perforation eines Lebergangs

= des Choledochus . . .

= = Cysticus ....

= der Gallenblase ...

Der Fall von Perforation des Lebergangs war folgender:

492. Frau starb nach Stägiger Krankheit unter blutigen Stühlen, Fieber, Leberschmerzen, Icterus. Im Ostium Choledochi 2 Steine, alle Gänge dilatirt, zahllose miliare Leberabscesse. Ein grosser Leber- abscess in Verbindung mit Eiterhöhle unter Zwerchfell.

Perforationen des Choledochus sind 5 Mal beschrieben:

458. 32 j. Mann, stirbt icterisch, nachdem er einige Tage Galle ausge- hustet. — Stein im Choledochus, der mit subhepatischem Abscess commuDicirt. Eitrige Cholangitis , viele Leberabscesse , zum Theil mit Pfortaderästen in offener Verbindung. Ein Abscess durch Zwerch- fell und Pleura in r. Lunge perforirt (s. oben p. 86).

483. 60 j. Frau. 6wöchentl. Choledochus-Obstruction, In Choledochus und Cysticus 4 grosse Steine, erstrer siebförmig perforirt. Grosser Abscess zwischen Darmschlingen. Diffuse Peritonitis.

860. Mann. 4monatl. Choledochusverschluss. Perforation des Gangs nahe am Hepaticus durch spitzen Stein. 2 grosse subhepat. Abscesse. Diffuse Peritonitis.

874. Arbeiterin. Oft Koliken. Tod nach 10 tag. Icterus mit Fieber und viel Schmerzen. Choledochusmitte durch grossen Stein perforirt. Abkapselung.

884. 52 j. GeistUcher. Langjähr, schwere Cholelithiasis. Icterus, peri- tonit. Symptome. Laparotomie: Ein Haufen Steine, wol aus Choledochus perforirt, comprimirt diesen nahe am Duodenum. Ent- fernung gelingt nicht, wol aber Lockerung. Dadurch bedeutende Besserung.

Perforationen des Cysticus sind 4 beobachtet:

870. 53j. Frau. Tod anscheinend an Peritonitis im r. Hypochondrium. Grosser subhepat. Abscess, mit Schlitz am Cysticus communicirend, Gallensteine enthaltend. Gallenblase zerreisslich. Pyämische Leber- abscesse.

872. 58 j. Mann. Tod nach mehrtäg. heftigen Leberkoliken. Im Cysticus mittelgrosser Stein, acute Abscessbildung um die Stelle. Alte adhäsive Pericystitis.

Ulcerative Perforationen der Gallenwege.

93

880. 50 j. Frau. 16 tag. Krankheit, zuletzt Icterus. Im Ostium Choledochi Stein. Alle Gänge sehr weit. Spalte im Cysticus, in subhepat. Ab- scess mündend,

1688. Langenbuch's vierte Cholecystotomie verlief letal, indem „wenige Tage nachher ein im Cysticus eingekeilter Stein Perforation mit Gallenerguss in abgesackten Raum zwischen Leber und Duodenum zu Wege brachte. Von Peritonitis keine Spur. "

In den soeben aufgezählten 10 Fällen waren immer Einkeilungen von Concrementen (6 Mal im Choledoehus, 2 Mal im Cysticus) die